Bequemeres Reisen ohne Passkontrollen, kürzere Wartezeiten an den Binnengrenzen, ein erleichterter Warenverkehr und somit weniger Kosten für Unternehmen: Schengen zählt zu den erfolgreichsten und fundamentalsten europäischen Abkommen.

Vor 40 Jahren wurde es von fünf Ländern unterschrieben, 10 Jahre später trat es in Kraft, Österreich trat 1997 bei, mittlerweile gilt es in 25 EU-Staaten sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Erst mit Jänner 2025 sind Rumänien und Bulgarien beigetreten, ein von den beiden Regierungen sehnlichst erwarteter Schritt.

Insgesamt leben rund 420 Millionen Menschen im Schengen-Raum. Um Sicherheitsrisiken zu minimieren, setzt man u. a. auf verstärkten und gemeinsamen Außengrenzschutz plus mehr Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden. So das Konzept.

Nun kontrollieren jedoch immer mehr Schengen-Länder vorübergehend an allen oder gewissen Grenzen wieder, um irreguläre Migration zu stoppen – stichprobenartig. Das jüngste Land, das wieder prüft, ist seit Montag Polen. Es folgt damit dem Beispiel von zehn weiteren Schengen-Staaten: Österreich, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Italien, Slowenien, Dänemark, Schweden, Norwegen und der Slowakei. Belgien will im Laufe des Sommers starten. Spanien hat vor drei Tagen wieder damit aufgehört.

Problem für Pendler

Besonders spürbar sind die Kontrollen in Grenzregionen. Vor allem für jene Menschen, die normalerweise problemlos jeden Tag zum Arbeiten in ein Nachbarland pendeln, sind lange Wartezeiten mühsam. Solche Ausnahmen sind erlaubt.

Kritik daran gibt es trotzdem, aus verschiedenen politischen Lagern. Michael Gloden, der einer lokalen Bürgerliste angehörende Bürgermeister des luxemburgischen Ortes Schengen, wo das Abkommen einst unterzeichnet wurde, sagte etwa: „Wir treten aktuell eine sehr wichtige Errungenschaft teilweise mit Füßen.“ Das Leben im Dreiländereck habe ohne Grenzkontrollen gut funktioniert. Er hoffe, es handle sich nur um eine Momentaufnahme.

Der liberale luxemburgische Außenminister Xavier Bettel mahnte: „Eine Freiheit zu gewinnen, war ein Kampf. Sie wieder aufzugeben, kann sehr schnell gehen. Tun wir das nicht!“

Die SPD-Europapolitiker René Repasi und Birgit Sippel appellierten: „Polizei-Kontrollen, Warteschlangen, Staus und auf einmal wieder echte Grenzen – Das ist nicht unser Europa!“. Sippel sieht laut Tagesschau auch die „Gefahr eines Endes für den Schengen-Raum“. Das wiederum hätte ihr zufolge „Auswirkungen auf die Wahrnehmungen der Menschen, was von diesem Europa zu halten“ sei.

Und der belgische Politiker Pascal Arimont, der zur EVP gehört, befürchtet gar: „Wenn jemand Europa nicht möchte, findet er genau darin einen Grund zu sagen: Seht ihr, Kontrollen sind ja nicht so schlimm.“ Daraus könnten dann bald Grenzschließungen werden. „Und dann haben wir kein Europa mehr.“

Schengen Grenzkontrollen

Verweis auf Asyl-Pakt

Der EU-Kommissar für Inneres, Österreichs Ex-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), zeigte Verständnis für die Kontrollen, hielt aber auch ein Plädoyer für offene Grenzen. Der Schengen-Raum sei das attraktivste Touristenziel der Welt: „Deshalb müssen wir auch den Schengen-Geist stärken, der für Offenheit, Freiheit und Sicherheit steht.“

Die Kommission könnte die Kontrollen auch gar nicht verbieten, sondern nur beurteilen, ob sie sinnhaft und verhältnismäßig sind und eine Schengen-Ausnahme aus ihrer Sicht gerechtfertigt ist.

Selbstverständlich müssten die Grenzkontrollen wieder aufhören, so Brunner – mit Verweis auf den EU-Asyl- und Migrationspakt, der ab Sommer 2026 vollständig greifen soll und schnellere Asylverfahren sowie einen verbesserten Schutz der EU-Außengrenzen verspricht.