Wien (PK) – Mit einer Aktuellen Stunde zum Thema “Ausbau der Absicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer” eröffnete der Nationalrat den ersten der drei letzten Sitzungstage vor Tagungsende. Das Thema war von der SPÖ vorgeschlagen worden.

Sozialministerin Korinna Schumann wies darauf hin, dass bereits viele Schritte zugunsten der Arbeitnehmer:innen umgesetzt worden seien. Ein “Meilenstein” werde etwa die Hitzeschutzverordnung für das Arbeiten im Freien sein.

Die Abgeordneten der ÖVP, SPÖ und der NEOS betonten in den Debattenbeiträgen, dass eine Reihe wichtiger Maßnahmen für Arbeitnehmern:innen bereits auf den Weg gebracht worden sei. Weitere würden noch heuer folgen. Die FPÖ sah hingegen zahlreiche Verschlechterungen für arbeitende Menschen, etwa im Pensionssystem oder durch eine geplante neue Trinkgeldpauschale. Auch aus Sicht der Grünen belasten die Maßnahmen der Koalition vor allem sozial Schwächere. Angekündigte Verbesserungen für prekär und atypisch Beschäftigte würden hingegen weiter auf sich warten lassen.

SPÖ: Drohende Angriffe auf Rechte der Arbeitnehmer:innen wurden verhindert

Das Gesundheits- und Sozialsystem sei von der Bundesregierungen der letzten sieben Jahre massiv geschwächt worden, kritisierte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch (SPÖ). Unterdessen habe Österreich ein hohes Budgetdefizit zu bewältigen. Aus den Regierungsverhandlungen mit der FPÖ sei bekannt geworden, dass den Arbeiternehmer:innen schwerwiegende Eingriffe ins Pensionskonto und eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters gedroht hätte. Das habe die SPÖ mit ihrer Regierungsbeteiligung verhindern können. Sie habe Sparmaßnahmen zugestimmt, aber darauf geachtet, dass neue Einnahmen erschlossen würden. Mit der Regierungsbeteiligung übernehme sie Verantwortung, um Österreich wieder auf Kurs zu bringen.

Die Koalition aus drei Parteien arbeite erfolgreich, sagte Muchitsch. Nach 130 Tagen seien bereits 44 konkrete Maßnahmen umgesetzt bzw. beschlossen worden. Dabei seien zahlreiche Schritte zugunsten Arbeitnehmer:innen gesetzt worden. Neu sei etwa, dass Arbeitszeiten bei der Anmeldung zur Sozialversicherung gemeldet werden müssten, ein wichtiger erster Schritt zu fairen Arbeitszeitaufzeichnungen. Neu sei etwa, dass Mitarbeiterprämien bis 1.000 € steuerfrei würden. Zudem seien eine Mietpreisstopp bis 2025 und eine anschließende Mietpreisbremse beschlossen worden. Bis Herbst seien unter anderem ein neues Weiterbildungsgeld, mehr Rechtssicherheit und Vereinfachungen bei der Trinkgeldpauschale, eine wirksame Hitzeschutzverordnung und Kollektivverträge für Lieferdienste geplant. Geplant seien auch Schritte, um die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmer:innen zu sichern und das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben. Die langfristige Finanzierung des Gesundheitssystems sei ein weiteres Projekt, an dem man weiter arbeite, führte Muchitsch aus.

Julia Elisabeth Herr (SPÖ) wies auf die zunehmende Hitzebelastung im Sommer hin. So sei die Zahl der jährlichen Hitzetage in Wien von durchschnittlich 5 auf 30 gestiegen. Sie sei zufrieden darüber, dass die Klimapolitik nun die arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt stelle. Nun werde es verbindliche Vorgaben für alle geben, die im Freien arbeiten müssen.

Die Absicherung der Arbeitnehmer:innen sei auch ein wichtiger Faktor für die Absicherung des Wirtschaftsstandorts, meinte Barbara Teiber (SPÖ). Gute Arbeitsplätze würden auch produktive Unternehmen bedeuten. Die Sicherheit für Arbeitnehmer:innen beruhe auf der Sozialpartnerschaft, einem verlässlichen Sozialstaat und der Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer:innen.

Schumann: Gesetzlicher Rahmen zum Schutz vom Arbeitnehmer:innen wird weiterentwickelt

In einer einleitenden Stellungnahme sagte Sozialministein Korinna Schumann, die Bundesregierung habe bereits wesentliche Akzente gesetzt. Österreich habe ein stabiles, von Interessensausgleich geprägtes Arbeitsrecht, das sich bewährt habe. Der gesetzliche Rahmen müsse sich jedoch ständig weiterentwickeln. Auf den Weg gebracht worden sei etwa die Meldung der Arbeitszeit bei der Anmeldung zur Sozialversicherung. Das sei wichtig, um sicherzustellen, dass den Arbeitsnehmer:innen geleistete Überstunden fair abgegolten werden. Damit gehe man auch gegen Lohn- und Sozialdumping vor.

Weiters sei die Reparatur der Kündigungsfristen und die Absicherung des Sozialfonds im Reinigungs- und Bewachungsgewerbe geplant. Die Hitzeschutzverordnung, die in Begutachtung gegangen sei, bedeute einen Meilenstein im Schutz von Arbeitnehmer:innen, die im Freien beschäftigt sind. Unternehmen müssten nun bei Hitzewarnungen ab der Stufe 2 konkrete Maßnahmen umsetzen. Auch bei der Regelung der Teilpension sei darauf geachtet worden, Nachteile für Arbeitnehmer:innen abzuwenden, betonte Schumann. Sie sprach allen ihren Dank aus, die sich um die Umsetzung konkreter Maßnahmen bemüht hätten.

FPÖ: Bundesregierung spart zu Lasten der sozial Schwächeren

Der Titel der Aktuellen Stunde könne nur “Satire” sein, meinte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Die SPÖ habe sich zu einer “Partei der nichtarbeitenden Muslime” entwickelt. Real werde die soziale Absicherung der Arbeitnehmer:innen geschwächt. So seien schwerwiegende Eingriffe ins Pensionskonto geplant. Die Pensionsversicherungsanstalt stelle zahlreiche falsche Bescheide aus, die unter großen Schwierigkeiten eingeklagt werden müssten, da es keine Schlichtungsstellen gebe. Bei den Krankenkassen komme es zu Beitragserhöhungen zu Lasten der sozial Schwächeren. Das AMS biete keinen Service an, sondern sei nur eine Verwaltung der Arbeitslosigkeit. Diese Bundesregierung sei die teuerste aller Zeiten und spare an den Familien und allen, die kurz vor dem Pensionsantritt stehen würden oder in Pension seien.

Die SPÖ habe in der Sozialpolitik umfassend versagt, befand Peter Wurm (FPÖ). Sie sei etwa bei der Hacklerregelung umgefallen. Die angekündigte Hitzeschutzverordnung enthalte nur Maßnahmen, die auf Baustellen schon längst Realität seien. Die geplante Trinkgeldpauschale greife auf das Geld von arbeitenden Menschen zu, um eine “Weltklasseversorgung gratis für alle” zu finanzieren, auch für Personen, die nicht arbeiten wollten. Die geplante Trinkgeldregelung schaffe zudem für die Arbeitgeberseite ein “Bürokratiemonster”.

ÖVP: Sorgen für nachhaltige Absicherung des Sozial- und Pensionssystems

Lukas Brandweiner (ÖVP) sah eine klare christlich-soziale Handschrift in den Maßnahmen der Bundesregierung. Die Steuerfreigrenze und der Familienbonus Plus seien deutlich angehoben worden. Österreich sei Europameister bei den Familienleistungen, betonte der Abgeordnete. Auch für Pendler:innen seien wichtige Schritte gesetzt worden. Unter dem Motto “Sanieren – reformieren – wachsen” solle der Sozialstaat abgesichert werden. Mit der Pensionsreform werde der Übergang in den Ruhestand neu geregelt. Der Nachhaltigkeitsmechanismus werde dafür sorgen, dass auch die kommenden Generationen sich auf das Pensionssystem verlassen könnten, betonte Brandweiner. Für das Arbeiten im Alter setze man viele Schritte, insbesondere durch ein faires Besteuerungssystem.

Die Bundesregierung stehe dazu, dass Leistung sich wieder lohnen müsse, sagte Romana Deckenbacher (ÖVP). Jemand, der arbeite und ins Sozialsystem einzahle, dürfe nicht “der Dumme” sein. Die Regierung setze deshalb viele notwendige und mutige Schritte, auch für Arbeitsnehmer:innen. Sie nannte etwa die steuerfreie Mitarbeiterprämie bis 1.000 €, die Aufnahmen von Pflegeberufen in die Schwerarbeitsregelung und die geplante Hitzeschutzverordnung. Eine gelebte Sozialpartnerschaft garantiere den sozialen Frieden in Österreich. Deckenbacher wies zudem auf eine geplante große Kinderbetreuungsoffensive hin.

NEOS: Leistungsfähige Unternehmen sind Voraussetzung für soziale Sicherheit

Für die Sicherheit von Arbeitnehmer:innen sei vieles im Arbeitsrecht auf den Weg gebracht worden, zeigte sich NEOS-Sozialsprecher Johannes Gasser (NEOS) zufrieden. Wichtig sei, dass sich Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gemeinsam um Lösungen bemühen und nicht gegeneinander ausgespielt würden. Ein Grundproblem Österreichs seien die hohen Lohnnebenkosten. Dadurch würden viele Arbeitsplätze im produzierenden Bereich verloren gehen. Notwendig seien Reformen bei der Pensions- und Sozialversicherung sowie in der Arbeitsmarktpolitik. Gasser hielt es für wichtig, dass auch die zweite und dritte Säule der Pensionssicherung ausgebaut werden. Geplant sei auch die Stärkung von Modellen der Mitarbeiterbeteiligung.

Michael Bernhard (NEOS) sagte, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sei die Voraussetzung für die Absicherung der Arbeitnehmer:innen. Österreich sei leider nicht attraktiv genug für Unternehmensgründungen. Zuletzt habe Österreich viele Arbeitsplätze in der Industrie, in der Bauwirtschaft und bei Dienstleistungen verloren. Gründe dafür seien hohe Lohnnebenkosten, Energiepreise und Bürokratie sowie der Facharbeitermangel.

Grüne sehen Probleme für prekär und atypisch Beschäftigte

Der Sozialsprecher der Grünen Markus Koza merkte an, die Hitzeschutzverordnung sei zweifellos wichtig, sie liege aber nicht vor. Damit sei das eigentliche Thema der Aktuellen Stunde weggefallen, und man rede beliebig über alles. Die Bilanz der neuen Bundesregierung sehe er nicht so positiv wie die SPÖ. Die Sozialdemokrat:innen würden viele der Verschlechterungen für Arbeitnehmer:innen mittragen, die die Grünen fünf Jahre lang verhindert hätten können. Große Probleme gebe es bei der Absicherung von prekär und atypisch Beschäftigten, deren Zahl wieder wachse. Vor allem in der Plattformökonomie finde ein systematisches Lohn- und Sozialdumping statt. Um dem entgegenzutreten, müsse die EU-Verordnung für Plattformarbeit rasch umgesetzt werden. Das sei zwar zugesagt worden, verzögere sich aber weiter.

Auch Ralph Schallmeiner (Grüne) kritisierte, die Budgetkürzungen unter Beteiligung der SPÖ würden vor allem die sozial Schwächsten treffen. So werde etwa das erfolgreiche Pilotprojekt zur persönlichen Assistenz eingestellt und die Mittel benützt, um an anderer Stelle “Lücken zu stopfen”. Auch die angekündigte Aufnahme der Pfleger:innen in die Schwerarbeitsregelung sei eine “Luftnummer”, von der kaum jemand real profitiere. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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