Auf 42 Kilometern – von Schengen bis Wasserbillig, und im Sauertal – gedeihen auf unterschiedlichen Terroirs etliche klassische Rebsorten. Jeder Betrieb offeriert eine Fülle von Stillweinen. Genau das macht Verkostungen luxemburgischer Tropfen so spannend.
Doch diese klassischen Rebsorten sind vielen Risiken ausgesetzt. „Der Klimawandel erhöht den Druck: Zu den klassischen Schadorganismen gesellen sich neue. Hinzu kommen Trockenheit, Hitze oder Spätfröste, gegen die die Reben zusätzlich gewappnet werden müssen“, erklärt Dr. Oliver Trapp.
Der 43-jährige Biologe leitet das Fachinstitut Rebenzüchtung am Julius-Kühn-Institut in Siebeldingen, einem Weinbauort an der Südlichen Weinstraße in Rheinland-Pfalz. Zu seinen Aufgaben gehört die Züchtung neuer, an das Klima angepasster und gegen Krankheiten resistenter Rebsorten – die sogenannten Piwis.
In den Versuchsparzellen des Remicher Weinbauinstitutes stehen 26 Piwi-Sorten. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes werden 14 davon derzeit auf ihre weinbautechnische, wirtschaftliche und ökologische Tauglichkeit untersucht. Die Sorte Voltis könnte vor allem bei der Crémantproduktion Vorteile bringen. Foto: Claude François
An der Luxemburger Mosel gewinnen solche Neuzüchtungen an Bedeutung. „Piwis sind prädestiniert für den biologischen Weinbau, da man deutlich weniger bis gar keine synthetischen Spritzmittel benötigt, um die Reben gesund zu halten“, betont Guy Krier.
Der Biowinzer aus Ellange-Gare hat mittlerweile zehn Prozent seiner 15 Hektar Rebfläche mit Piwi-Sorten bestückt. Das ist Rekord in Luxemburg. Krier will noch andere Piwis anbauen: „Zum Beispiel Voltis, eine Neuzüchtung, die mittlerweile in der Champagne zugelassen ist. Sie eignet sich wie die Sorte Calardis hervorragend für Schaumweine.“
Von Cabernet Blanc bis Cabaret Noir
Die Weißweinsorte Cabernet Blanc ist derzeit die führende Piwi-Sorte in Luxemburg. Krier verschneidet sie für seine Lento-Weißweincuvée mit Sauvignac, einer „idealen Piwi-Sorte, weil sie gegen falschen und echten Mehltau besonders resistent ist und auch in schwierigen Jahren mit nur einer einzigen Behandlung auskommt“.
Der Winzer hat bereits einen halben Hektar mit dieser Neuzüchtung bestückt. Für seine Rotweincuvée in der Lento-Linie verwendet er Cabaret Noir, den er mit Pinot Noir und Saint Laurent vermischt. Seit dem Jahrgang 2024 werden auch Piwis für den Lento-Rosé verwendet.
Einige seiner Kollegen bieten ihre Piwis jedoch reinsortig an, ohne sie zu verschneiden. Der Biobetrieb Sunnen-Hoffmann aus Remerschen baut beispielsweise Cabernet Blanc und Pinotin an – letztere Rotweinsorte schätze ich persönlich sehr. Neben diesen Sorten hat die Domaine Cep d’Or aus Hëttermillen auch einen reinrassigen Cabaret Noir im Angebot.
Als Pionier des Piwi-Anbaus in Luxemburg gilt unterdessen Nicolas Ries aus Niederdonven, der seit 2004 die rote Sorte Regent und die Weißweinsorte Merzling anbaut.
Versuchsprojekt am Weinbauinstitut
Laut Weinbauinstitut haben 28 Winzerbetriebe mindestens eine Piwi-Sorte angepflanzt – sogar an der Our gibt es Cabernet Blanc (Veiner Béiproof) und Solaris (Domaine de l’Our).
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Seit 2023 untersucht das Projekt Piwi3 des Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) insgesamt 26 Piwi-Sorten in Versuchsparzellen am Weinbauinstitut Remich. Ziel ist es, agronomische, wirtschaftliche und ökologische Chancen und Risiken des Piwi-Anbaus abzuschätzen. Nach dem Ende des dreijährigen Projekts soll eine Piwi-Informationsplattform erstellt werden, die Winzern, Weintouristen, Händlern und Konsumenten Vor- und Nachteile jeder Sorte aufzeigt und Verkostungen anbietet.
Grenzübergreifende Piwi-Schaumweine
„Das Faszinierende an den Piwis ist ihre Vielseitigkeit“, betont Guy Krier. „Viele schmecken ausgesprochen aromatisch. Das kommt gerade alkoholfreien Weinen zugute.“ Krier beteiligte sich zusammen mit Marie Kox (Domaine Sunnen-Hoffmann) an dem grenzüberschreitenden Projekt „Piwilicious“, das von der Initiative „Vision Mosel“ ins Leben gerufen wurde. Rund 25 Weinbetriebe aus den drei Mosel-Ländern schlossen sich zusammen, mit dem Ziel, „alkoholfreien Wein und Piwi-Genuss zu kombinieren“.
Die Winzerin Corinne Kox von der Domaine L&R Kox (Remich) mit Philip Hoffmann (Weinatelier Pierre Marie, Biringen/Saarland) und Daniel Molitor (Weingut Stairs’n Roses, Kinheim/Rheinland-Pfalz). Zusammen haben sie die Schaumweincuvée „Tirage à Trois“ produziert. Foto: Carsten Simon
Lisa Vesque von der Domaine Cep d’Or (Hëttermillen) bietet, wie auch andere Winzerbetriebe, reinsortige PiWis an. Neben dem Weißwein Cabernet Blanc produziert sie die Rotweine Pinotin und Cabaret Noir. Foto: Claude François


So entstand eine attraktive Schaumwein-Cuvée aus sieben Piwi-Sorten deutscher und luxemburgischer Terroirs: Cabernet blanc, Sauvignac, Souvignier gris, Muscaris, Donauriesling, Sauvitage und Hibernal. Der Alkohol wurde dem Schaumwein mit dem aromaschonenden Verfahren Omnia Libero Wine entzogen. Das prickelnde Produkt ist erfrischend und schmeckt nach Maracuja und Zitrusfrüchten – „ein bisschen nach Hugo, und das mögen die jungen Konsumenten“. Guy Kriers Piwilicious-Kontingent ist bereits nahezu ausverkauft.
Auch die Winzerin Corinne Kox von der Domaine L&R Kox in Remich ist Mitglied von „Vision Mosel“. Die Diplom-Mikrobiologin hat sich mit Betrieben aus dem Saarland (Weinatelier Pierre Marie) und Rheinland-Pfalz (Stairs n’ Roses) zusammengetan und einen Piwi-Schaumwein nach Crémant-Standards kreiert. Die Cuvée „Tirage à Trois“ besteht aus den Sorten Cabernet Blanc, Sauvignac und Hibernal und hat einen würzig-fruchtigen Geschmack. Mit fünf Gramm Dosage gilt diese Cuvée als Extra Brut und kostet 15,50 Euro.