
Ein niederländisches F-35A-Tarnkappenflugzeug.
Sgt. Jan Dijkstra/Mediacentrum Defensie Photos
Die Nato wird F-35-Kampfjets über Polen stationieren, um russischen Bedrohungen in der Nähe der Ukraine entgegenzuwirken.
Die Mission stellt den ersten F-35-Einsatz in Polen unter Nato-Kommando dar.
Sie unterstreicht den strategischen Kurswechsel der Nato und Polens Rolle als Verteidigungsdrehkreuz.
Die Nato will ihre Luftverteidigung an der Ostflanke verstärken. Niederländische und norwegische F-35-Kampfjets sollen von September bis Anfang Dezember den polnischen Luftraum patrouillieren.
Die vom niederländischen Verteidigungsministerium angekündigte Mission zielt darauf ab, wichtige Nachschublinien in die Ukraine zu sichern. Und russische Aktivitäten in der Nähe von Nato-Gebiet abzuschrecken.
Lest auch
Es wird das erste Mal sein, dass F-35-Kampfjets der fünften Generation unter direktem Nato-Kommando von Polen aus operieren. Ein Fortschritt zu früheren Missionen, bei denen ältere Flugzeuge wie die F-16 oder Eurofighter eingesetzt wurden.
Russland rückt immer näher an die polnische Grenze
Laut Jamie Shea, ehemals stellvertretender Nato-Generalsekretär, ist dieser Schritt sowohl symbolisch als auch strategisch bedeutsam. „Die F-35 stellen eine viel größere militärische Kapazität für die Luftverteidigung und das Sammeln von Informationen dar. Insbesondere zu einem Zeitpunkt, an dem Russland bis zu 700 Drohnen und ballistische Raketen pro Nacht in die Ukraine schickt“, erklärte Shea Business Insider (BI).
Der Einsatz wird rund um die Uhr als Alarmrotte (eine Einheit von Kampfjets, die ständig einsatzbereit ist) erfolgen. Wobei niederländisches und norwegisches Personal gemeinsam unter Nato-Führung agieren wird. Auslöser war eine Anfrage des Obersten Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE), nachdem russische Angriffe in der Nähe der polnisch-ukrainischen Grenze zugenommen hatten.
Russland nimmt zunehmend Infrastruktur im Westen der Ukraine ins Visier, darunter auch Gebiete bei Luzk und Ternopil, über die westliche Hilfsgüter und Waffen geliefert werden. „Je näher Russland an die polnische Grenze rückt, desto größer wird die Gefahr, dass russische Drohnen und Raketen auch auf polnischem Gebiet einschlagen“, sagte Shea.
Lest auch

Ein APACHE-Hubschrauber während einer Zeremonie anlässlich der Auslieferung der ersten Hubschrauber dieses Typs an die polnischen Streitkräfte.
Wojtek RADWANSKI / AFP
Die Mission ergänzt – ersetzt aber nicht – Polens bestehende Luftverteidigung.
F-35 soll Abschreckung verstärken
Zwar sind Nato-F-35-Jets bereits über Estland geflogen, doch der bevorstehende Einsatz in Polen sticht durch seine Dauer und seinen multinationalen Rahmen hervor. Die sechsmonatige Stationierung gehört zu den längsten F-35-Einsätzen der Nato und führt eine geteilte Einsatzstruktur ein.
„Eine sechsmonatige Stationierung ist ein bedeutendes Engagement Norwegens und der Niederlande“, sagte Jamie Shea. „Normalerweise dauern F-35-Einsätze nur wenige Tage im Rahmen von Übungen.“
Er betonte zudem die Besonderheit, dass zwei Länder sich die Mission teilen: „Das verbessert ihre technische Interoperabilität und die Fähigkeit, gemeinsam zu agieren – nicht nur miteinander, sondern auch mit der polnischen Luftwaffe.“
Lest auch
Shea bezeichnete die Mission als Musterbeispiel für die Verteidigungsintegration, die Europa angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine brauche – durch die Verbindung von Spitzentechnologie und Koordination.
Andrew A. Michta, Senior Fellow bei der GeoStrategy Initiative der Denkfabrik Atlantic Council, erklärte, der Einsatz signalisiere „das wachsende Bewusstsein innerhalb der Nato, dass die Bedrohung durch Russland für das Bündnis real ist und weiter zunimmt“. Gleichzeitig sei er ein wichtiger Schritt zur Neujustierung der militärischen Präsenz.
Michta wies darauf hin, dass sich die meisten seit Langem bestehenden US-Militärstützpunkte in Europa nach wie vor in Deutschland befinden – dem Frontstaat des Kalten Krieges. „Heute übernimmt Polen diese Rolle“, sagte er, „als zentrales Verteidigungsdrehkreuz der Nato im Osten und als Knotenpunkt im Nordost-Korridor.“
„Polen ist auch die entscheidende Transitroute für die Unterstützung der Ukraine“, fügte Michta hinzu. „Die Stationierung der F-35 soll die Abschreckung an der Ostflanke stärken und Moskau eine klare Botschaft über unser anhaltendes Engagement für die Ukraine senden.“
Ein kritischer Zeitpunkt für Polen
Die Mission kommt auch zu einem entscheidenden Zeitpunkt für Polen, das zunehmendem Druck auf seine Luftverteidigung ausgesetzt ist. Die polnische Luftwaffe verfügt derzeit über lediglich 48 F-16-Kampfjets. Während neu angeschaffte FA-50-Flugzeuge aus Südkorea nun schrittweise in Dienst gestellt werden.
Michał Piekarski, Verteidigungsanalyst an der Universität Breslau, betonte die anhaltende Bedrohung in der Nähe des NATO-Luftraums.
„Der Luftraum Polens – wie auch der anderer Staaten an der östlichen NATO-Flanke – ist ständig durch russische Aktivitäten gefährdet“, sagte er zu Business Insider. „Regelmäßige großangelegte Raketen- und Drohnenangriffe Russlands auf die Ukraine bergen das Risiko, dass fehlgeleitete Geschosse in den NATO-Luftraum eindringen“.
Lest auch
Er ergänzte, dass Nato-Flugzeuge bei solchen Angriffen bereits präsent seien und dass die F-35-Jets „unsere Kampfflugzeuge erheblich unterstützen werden“.
Piekarski warnte zudem vor einer weiteren Gefahr. Der Verwundbarkeit polnischer Infrastruktur in Grenznähe zur Ukraine.
Diese könnte Ziel eines gezielten – oder als Unfall getarnten – russischen Angriffs werden. Etwa auf logistische Knotenpunkte wie Flughäfen, Güterbahnhöfe oder Infrastruktur für Gas und Treibstoff, so Piekarski.
„Glaubhafte Abschreckung ist notwendig, wenn wir wollen, dass dieses hypothetische Szenario hypothetisch bleibt. Und nicht Realität wird“, betonte er.
Da Polen noch auf die Lieferung seiner eigenen F-35 wartet, ist das gemeinsame Training mit erfahrenen Nato-Partnern ebenfalls von großer Bedeutung.
Warschau bestellte 2020 insgesamt 32 F-35A-Kampfjets beim US-Hersteller Lockheed Martin. Die ersten sollen 2026 ausgeliefert werden.
„Jede Gelegenheit zum gemeinsamen Training und zum besseren Verständnis der Fähigkeiten, über die die F-35 verfügt, ist für unsere Streitkräfte von großem Wert“, sagte Piekarski.
Die Ukraine schaut zu
Hanna Hopko, die ehemalige Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des ukrainischen Parlaments, erklärte Business Insider, dass „die bevorstehende Stationierung niederländischer und norwegischer F-35 in Polen ein entscheidender Schritt zur Stärkung der Abschreckung der NATO und zum Schutz der lebenswichtigen Versorgungswege sei, die die ukrainische Verteidigung unterstützen“.
Lest auch
Sie bezeichnete die Maßnahme als Teil eines größeren Bewusstseins für die umfassendere Bedrohung durch Russland.
„Die Sicherheit des europäischen Kontinents ist untrennbar mit der Sicherheit des Luftraums über der Ukraine und der östlichen Nato-Flanke verbunden“, fügte Hopko hinzu. Insbesondere für Mitgliedstaaten, die eine Grenze zu Russland teilen.
Gleichzeitig betonte sie, dass dies nicht ausreiche.
„Jetzt muss der Einsatz ausgeweitet werden – nicht nur zum Schutz der Nachschubkorridore, sondern auch zur Sicherung kritischer Infrastruktur wie der ukrainischen Atomkraftwerke“, sagte sie. Und weiter: „Demokratien müssen gemeinsam handeln, um die regelbasierte Ordnung und die zukünftige Sicherheit des Kontinents zu verteidigen.“
Lest den Originalartikel auf Business Insider US.