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Auch Deutschland verfügt über große Gasreserven – Milliarden Kubikmeter Erdgas warten ungenutzt in der Nordsee. Doch das soll sich jetzt ändern.

Berlin – Die Erdgasfelder in der deutschen Nordsee sollen in Zukunft stärker zur Energieversorgung im Land beitragen – das ist das Ziel der Bundesregierung. Der Ausbau der heimischen Gasförderung wurde bereits angestoßen durch ein Abkommen mit den Niederlanden über die gemeinsame Förderung aus diesen Gasfeldern. Gegenstand des Abkommens ist die Regelung, dass das niederländische Unternehmen One-Dyas die Gasfelder im Ländergrenzbereich ausbeuten darf.

Alexander Gez, Betriebsbereichsleiter des Gasspeichers Bierwang, erklärt die Funktionsweise eines Ventilkopfs auf einem der Bohrlöcher, über das Gas entnommen beziehungsweise nach unten gepresst wird. Umgehängt trägt er ein Gaswarngerät, um die Sicherheit der Gäste zu gewährleisten. Das Luftbild zeigt die Anlage, unterirdisch noch gigantischer, nämlich zwei mal sieben Kilometer groß.

Bekommen wir bald mehr Gas aus Deutschland? © Fuchs/UniperGemeinschaftsprojekt soll mehr heimisches Gas zur Verfügung stellen

Aktuell wurden in Deutschland im Jahr 2024 insgesamt 4,2 Milliarden Kubikmeter heimisches Gas produziert, wie der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) mitteilte. Damit konnte der deutsche Bedarf zu fünf Prozent gedeckt werden. Mit dem neuen deutsch-niederländischen Abkommen möchte nun One-Dyas noch in diesem Jahr eine halbe Milliarde Kubikmeter fördern und die Fördermenge dann nach vorne hin deutlich steigern.

Wie One-Dyas Chef Chris de Ruyter van Steveninck in einem Interview mit dem Handelsblatt mitteilte, ist bereits eine Bohrplattform auf niederländischer Seite in Betrieb, die dann Lagerstätten auf der deutschen Seite nutzt. Das geförderte Gas wird zwischen Deutschland und den Niederlanden aufgeteilt. Da das Potenzial in der Nordsee jedoch noch viel größer ist, plant de Ruyter van Steveninck den Bau einer zweiten Plattform, um die Fördermengen deutlich erhöhen zu können.

Der BVEG drängt die Bundesregierung nun dazu, alle notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Ausbau der heimischen Erdgasproduktion schnell voranschreiten kann. Zwar sei bei der konventionellen Gasförderung in entsprechenden Lagerstätten das Potenzial begrenzt, aber die Mengen seien durchaus relevant im Rahmen einer gesamten Gasversorgungsstrategie.

Deutsche Gasförderung wurde in den letzten Jahrzehnten heruntergefahren

In Deutschland wurde die Förderung des heimischen Gases seit den 2000er Jahren heruntergefahren. Damals deckte das deutsche Gas noch 21 Prozent des Bedarfs des Landes. Zwei Gründe waren ausschlaggebend: Widerstände in der Bevölkerung und der Preis. Erdgas konnte irgendwann billiger zugekauft werden. Seit Beginn des Ukraine-Krieges sieht das allerdings wieder anders aus und aus der Politik wurden vermehrt Stimmen laut, die eine Wiederbelebung der deutschen Gasförderung forderten.

Wie der BVEG einschätzt, könnte mit dem zusätzlichen deutschen Gas heute ein guter Beitrag zur Sicherung der Versorgung und zu bezahlbaren Preisen geleistet werden. Außerdem ist das heimische Gas in Bezug auf den CO₂-Fußabdruck deutlich klimafreundlicher als das importierte verflüssigte Gas, das in Tankern geliefert wird.

Importiertes Flüssiggas ist problematisch für den Klimaschutz

Verflüssigtes Erdgas hat durch die Förderung und den Transport sogar einen um 33 Prozent höheren CO₂-Effekt als Kohle in der Langzeitbetrachtung, wie in einer Studie der US-amerikanischen Cornell-Universität festgestellt wurde. Das liegt in erster Linie daran, dass das Gas in den Herkunftsländern in einem sehr energieintensiven Prozess verflüssigt werden muss, um es dann in Tankern transportieren zu können. Kommt das Gas dann im Zielland an, muss es auch erst wieder zu Erdgas aufbereitet werden.

Kritik am Gas „Made in Germany“ aus Politik und Umweltschutzverbänden

Von der Bundesregierung gibt es für den Ausbau der deutschen Gasförderung grünes Licht. Allerdings müssen die endgültigen Genehmigungen hierfür noch durch den Bundestag und den Bundesrat. Aber hier gibt es noch keine Einigkeit. Insbesondere die Umweltpolitiker im Bundestag kritisieren den Vorstoß und erinnern an den Vorrang erneuerbarer Energien. Auch müssten Belange des Naturschutzes bei einem derartigen Projekt berücksichtigt werden und konkrete Fördermengen vereinbart werden.

Auch Umweltschutzverbände laufen Sturm gegen die Bestrebungen und haben bereits verschiedene Klagen gegen One-Dyas eingereicht. Wie der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, hervorhob, steht der Ausbau der heimischen Gasproduktion im Widerspruch zu Energiewende und Klimaschutz. Er hält die zusätzlichen Gasmengen aus Deutschland für nicht notwendig.

Schlussendlich wird wohl das Land Niedersachsen eine Entscheidung treffen müssen, denn derartige Projekte sind Ländersache und rund 98 Prozent der deutschen Gasförderung kommen aus diesem Bundesland. Das kann noch problematisch werden, denn die rot-grüne Regierung in Niedersachsen windet sich bei dem Thema und sieht die Gasförderung kritisch.

Förderung deutscher Gasreserven ist nicht unendlich erweiterbar

Die deutschen Erdgasreserven, die förderbar sind, umfassen ca. 35 Milliarden Kubikmeter. Mehr Erdgas ist zwar vorhanden, aber es kommt aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht oder die zusätzlichen Gasfelder sind noch zu wenig erforscht. Wie Geologe Stefan Lagade von der Bundesanstalt für Geowissenschaften (BGR) einschätzte, dürften die deutschen Erdgasreserven noch für ca. zehn Jahre reichen, wenn die Förderung auf dem aktuellen Niveau bleibt. Die bereits hier ansässige Förderindustrie hat aktuell keine Pläne, ihre Aktivitäten in Deutschland auszuweiten.

Grund hierfür ist auch der Umstand, dass die klassische Gasförderung an Land in Deutschland bereits am Limit angekommen ist. Die noch vorhandenen Milliardenreserven im Boden könnten nur durch Fracking erschlossen werden, was in Deutschland nicht machbar wäre, so die Einschätzung von Branchenexperten. Das Fracking ist in Deutschland seit 2017 verboten, denn es birgt das Risiko einer Verunreinigung des Grundwassers, hat einen sehr hohen Wasserverbrauch und setzt das klimaschädliche Methan in großem Stil frei.

Auch im aktuellen deutsch-niederländischen Abkommen wurde die Fördermenge auf 14 Milliarden Kubikmeter begrenzt. One-Dyas sieht jedoch noch 35 Milliarden Kubikmeter weiteres Potenzial in den vorhandenen Gasfeldern, das gefördert werden könnte.