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Das deutsche Rentensystem beruht auf dem Umlageprinzip, wobei Erwerbstätige die Renten der älteren Generation finanzieren. Hierfür sind zahlreiche Beitragszahler notwendig – doch Deutschland schrumpft, altert und büßt seine wirtschaftliche Basis ein.

Berlin – Die Rente in Deutschland hat ein tiefes, strukturelles Problem. Der Generationenvertrag ist ein Auslaufmodell. Um die Rente der älteren Bevölkerung aus den Beiträgen der aktiven Arbeitnehmer bezahlen zu können, braucht es eben ausreichend Beitragszahler, die in die Rentenkassen einzahlen. Doch das klappt schon alleine aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr. Die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre – die sogenannten Babyboomer – verlassen jetzt den Arbeitsmarkt. In ein paar Jahren sind auch die jüngsten unter ihnen Rentner. Diese Rentenfalle verschärft auch den sowieso schon bestehenden Fachkräftemangel dramatisch.

Senioren gehen zum Einkaufen durch die Leipziger Innenstadt

Wer bezahlt die zukünftigen Renten? © Jan Woitas/dpa

Wenn die Babyboomer in Rente gehen, werden dem deutschen Arbeitsmarkt bis zum Jahr 2036 über 10 Millionen Menschen verloren gehen. Dies entspricht knapp 30 Prozent der aktuell Erwerbstätigen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Der demografische Wandel hat weitreichende Auswirkungen auf Sozialsysteme und Arbeitsmarkt. So viele Menschen sind noch nie in so kurzer Zeit in Rente gegangen in Deutschland.

Die folgenden geburtenschwächeren Jahrgänge können die Lücken nicht schließen, es kommen einfach zu wenig neue Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt. Die alternde Bevölkerung belastet natürlich massiv die Sozialversicherungssysteme – in die immer weniger junge Erwerbstätige einzahlen. Wie soll das gehen?

Rentensystem – die demografische Krise verschärft sich

Die demografische Krise in Deutschland wird von verschiedenen Faktoren verschärft – sinkende Geburtenraten, steigende Lebenserwartung und damit auch längere Rentenzahlungen. Genau in diesem Szenario trifft das Land nun auch noch die anhaltende wirtschaftliche Krise, die unsere Kernindustrien bedroht, unzählige Arbeitsplätze vernichtet und auch durch die Energiewende stark gebeutelt ist. Das industrielle Fundament Deutschlands wackelt. In den letzten Jahren sind über eine halbe Million Arbeitsplätze verschwunden – damit sind auch eine halbe Million weniger Beitragszahler in der Rentenkasse zu verbuchen.

Das Rentensystem wird notdürftig mit Steuergeldern geflickt

Damit in Sachen Rente nicht alles kollabiert in Deutschland, muss der Staat das riesige Finanzloch in der Rentenkasse mit aktuell 123 Milliarden Euro im Jahr aus dem allgemeinen Haushalt stopfen. Die aktiven Arbeitnehmer zahlen also zweimal in die Rentenkasse ein – rekordverdächtige Rentenversicherungsbeiträge direkt in die Kasse und dann indirekt über ihre Steuern nochmals, da der Staat die Steuergelder dafür braucht, um die Löcher in der Rentenkasse zu stopfen.

Das hat mit dem Generationenvertrag natürlich nichts mehr zu tun – das Umlagesystem ist am Ende. Sozialversicherungen wetteifern zwar mit laufenden Beitragserhöhungen, aber auch hier ist die Belastbarkeitsgrenze erreicht. Der Wirtschaftsweise Martin Werding geht davon aus, dass die Sozialabgaben von aktuell 42 Prozent in absehbarer Zeit auf bis zu 50 Prozent steigen werden, wenn nicht tiefgreifende Reformen in Angriff genommen werden. Die bisher geplanten Maßnahmen hält er für absolut unzureichend.

Rentensystem – Probleme lösen durch neue Schulden?

In Deutschland ist über die Jahre eine Art Monsterstaat errichtet worden, der mit einem Staatsausgabenanteil von bereits über 50 Prozent des BIP zu Buche schlägt. Überbordende Bürokratie mit einem Irrgarten an Sozialversicherungsträgern. Da das alles zusammen nach vorne hin nicht mehr finanzierbar ist, plant nun die neue Bundesregierung einen Befreiungsschlag aus dem Dilemma. Mit einer Schuldenexplosion von einer Billion Euro in den kommenden Jahren sollen die Probleme beseitigt und die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Ein beachtlicher Teil davon wird gebraucht werden, um die unzähligen Löcher im deutschen Sozialapparat zu stopfen, der schon heute völlig überfordert ist.

Ein kapitalgedecktes Rentensystem ist in Deutschland keine Option

In der Politik wird immer wieder einmal die Idee eines kapitalgedeckten Rentensystems diskutiert. Ein kapitalgedecktes Rentensystem ist ein Altersvorsorgesystem, bei dem die Rentenansprüche durch die individuelle Ansparung von Kapital am Kapitalmarkt finanziert werden. Dabei spart jeder Einzelne für sich selbst ein individuelles Vermögen an. Allerdings würde eine derartige Umgestaltung des Rentensystems eine große Aufruhr im Land auslösen. Historisch und kulturell gesehen haben die Deutschen eine ausgeprägte Risikoaversion, meiden die Aktienmärkte und tun sich schwer mit privater Altersvorsorge.

Nach vorne hin ist die Idee einer privaten Altersvorsorge aber auch noch aus einem anderen Grund ein Problem. Schon jetzt leiden die Erwerbstätigen unter einer erdrückenden Steuer- und Abgabenlast in einem wirtschaftlichen Umfeld mit stagnierender Produktivität. Somit ist es für weite Teile der arbeitenden Bevölkerung kaum möglich, zeitnah privates Kapital zu bilden.

Rentner sind in Deutschland eine mächtige Wählergruppe

21 Millionen Rentenbezieher gibt es aktuell in Deutschland – das ist für die Politik eine wichtige Wählerzielgruppe, mit der man es sich nicht verscherzen darf. Reformen im Rentensystem, die zulasten dieses Wählerblocks gehen, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Man geht also den Weg des geringsten Widerstands – weitere Beitragserhöhungen für Produktive, kombiniert mit staatlichen Subventionen aus dem Steuertopf und eventuell weiteren Erhöhungen des Renteneintrittalters. Wie lange das noch funktionieren kann, ist allerdings aufgrund der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung ungewiss.