Die Nato reagiert auf eine Zunahme von militärischen Zwischenfällen in der Ostsee mit verstärkter Überwachung.

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Die Infrastruktur in der Tiefe des Meeres wird immer grösser und immer wichtiger. Sie ist heute unverzichtbar. Aber zugleich höchst verletzlich. Öl- und Gaspipelines, Strom- und Internetleitungen können durch die Natur, etwa durch Erdbeben, gekappt werden, durch unabsichtliche Beschädigungen, aber immer häufiger auch durch absichtliche. Gerade in der Ostsee häufen sich die Vorfälle. Nato-Generalsekretär Mark Rutte äussert sich höchst besorgt.

Was ist mit Tiefseeinfrastruktur gemeint?

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Entgegen der landläufigen Ansicht läuft der internationale Datentransfer nur zu einem kleinen Teil über Satelliten. Weit mehr als 95 Prozent gehen über Tiefseekabel. So finden tagtäglich etwa Finanztransaktionen in Höhe von zehn Billionen Dollar über solche Leitungen statt. Und für den Öl- und Gashandel sind Pipelines im Meer unverzichtbar. Die Rede ist deshalb von den Lebensadern der globalen Wirtschaft. 

Doch diese Tiefseeinfrastruktur sei «äusserst verletzlich und schwer zu schützen», sagt Professor Trevor Taylor von der britischen Sicherheits-Denkfabrik Rusi. Der frühere US-Vizeadmiral Andrew Lewis meint: «Es passiert enorm viel in der Tiefsee, von dem wir keine Ahnung haben.» 

Oft führen die Spuren nach Moskau. Etwa, wenn Pipelines und Kabel in der relativ seichten Ostsee durch Ankerketten zerstört werden. Der Kreml weist stets jegliche Schuld von sich; es handle sich um Unfälle. Das sei selten glaubwürdig, sagt Rutte: «Wären es tatsächlich bloss Fehler von Kapitänen, dann müssten die EU und die Nato dringend Ausbildungskurse für russische Seeleute organisieren», spottet er.

Die Nato fährt nun die Überwachung und Abwehr solcher hybriden Angriffe in der Ostsee hoch. «Wir werden entschlossen handeln», verspricht Finnlands Präsident Alexander Stubb nach einem Treffen der Ostsee-Anrainerstaaten. Und das auch mithilfe moderner Technologien zur Ortung verdächtiger Operationen und zum Schutz der Infrastruktur. Dazu gehören aber auch deutlich mehr Patrouillen mit speziell ausgerüsteten Kriegsschiffen im Rahmen der Nato-Operation «Baltic Sentry», auf Deutsch «Wachposten in der Ostsee».

Nato setzt zunehmend auf Künstliche Intelligenz

Doch die Ostsee ist gross und Patrouillenschiffe sind nur punktuell präsent. Entsprechend setzt man zunehmend auf Künstliche Intelligenz. «Mit Algorithmen soll verdächtiges Verhalten von russischen Schiffen, aber ebenso von Schiffen der russischen Schattenflotte zur Umgehung der Sanktionen und von Schiffen von Moskau nahestehenden Ländern frühzeitig entdeckt werden», verspricht Eric Pouliquen, Direktor des Nato-Zentrums für maritime Forschung: «Wir werden in naher Zukunft sehr solide Informationen haben, um Sabotageversuche zu vereiteln oder zumindest die Täter rasch zu identifizieren.»

Zur Aufklärung tragen nicht nur Satelliten bei, sondern in zunehmenden Masse auch Radar- und Sonarsignale auf dem oder unter Wasser, sagt Robert Been vom Nato-Wissenschaftsdienst: «Erstmals gelang es uns vor kurzem, einen einzelnen Anker auf dem Meeresgrund aufzuspüren.» Soeben hat die Nato zudem Tests mit Ober- und Unterwasserdrohnen abgeschlossen. Diese Drohnenflotte mit Namen «Task Force X» werde ab sofort zunehmend eingesetzt, kündigt Nato-Chef Rutte an.

In internationalen Gewässern sind einzelnen Ländern durchs Völkerrecht die Hände gebunden.

Man hofft, dass die entschlossenere Abwehr Russland von weiteren Sabotageversuchen abschreckt. «Denn wenn sie stattgefunden haben, können die Verteidiger nur sehr begrenzt eingreifen», erklärt die schwedische Sicherheitsexpertin Elisabeth Braw: «Es gibt keine internationale Marinepolizei. Und in internationalen Gewässern sind einzelnen Ländern durchs Völkerrecht die Hände gebunden.»

Täter ist immer im Vorteil

Nur wenn sich feindliche Schiffe in nationalen Hoheitsgewässern befinden, können sie gestoppt, durchsucht, festgehalten sowie Besatzungsmitglieder verhaftet werden.

Will heissen: Wer die Unterwasserinfrastruktur angreift, bleibt im Vorteil – allen Vorkehrungen zum Trotz. Der Täter kann jederzeit und irgendwo angreifen. Der Beschützer hingegen kann unmöglich ständig überall sein.

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