Bei der Versteigerung des Nachlasses der Galerie Clairefontaine vor wenigen Wochen mischte auch ein Käufer aus Luxemburg kräftig mit. Er erhielt den Zuschlag bei einigen Werken aus dem Restbestand der Sammlung von Marita Ruiter, die als Expertin für Fotografie gilt und unter anderem einige Aufnahmen von Edward Steichen zusammentragen konnte.
Doch haben es Kunstfreunde aus Luxemburg nur auf Werke von Künstlerinnen und Künstlern abgesehen, die aus ihrem Heimatland stammen? Alex Reding, erfahrener Galerist und Gründer der Luxembourg Art Week, kann darauf nur mit einem „Jein“ antworten, denn die Zusammensetzung der Gesellschaft spiegele sich auch im Kunsthandel wider.
Alex Reding vertritt nicht nur internationale Künstlerinnen und Künstler, sondern auch luxemburgische Talente. Foto: Anouk Antony
Verschiedene Sammlertypen
„Der traditionelle Sammler mit luxemburgischem Hintergrund, der eine emotionale Verbindung zum Land hat, in gewisser Weise patriotisch ist, Empathie für Menschen des eigenen Schlags empfindet, der möchte auch das lokale Kulturmilieu unterstützen“, so Reding. Dieser Personenkreis sei generell kulturell interessiert, besuche Theatervorstellungen, Museen und Konzerte. „Diese Menschen haben häufig keinen direkten Draht zu großen Kunstmessen, gehen aber nicht nur ins Mudam oder ins Casino, sondern etwa auch zu CAL-Ausstellungen oder in die Gemeindegalerien.“
Andere Sammler mit luxemburgischem Background – die einen mit einem Interesse für moderne und zeitgenössische Kunst, die anderen mit einer Konzentration auf den historischen Bereich – treffe man hingegen auch bei großen Events; ähnlich wie viele Expats im Land, die häufig auch in Entscheidungspositionen zu finden seien. Das unterscheide Luxemburg-Stadt laut Reding wiederum von anderen Zentren, selbst von Weltstädten wie Paris oder Brüssel.
Der traditionelle Sammler mit luxemburgischem Hintergrund möchte auch das lokale Kulturmilieu unterstützen.
Alex Reding
Galerist
„Daher haben wir auch die Art Week geschaffen: Um auch diese Käuferschicht in die hiesige Kulturlandschaft zu integrieren.“ Reding war es wichtig, die lokale Barriere für diese Kunden so klein wie möglich zu gestalten.
Die Kunstmesse, die in diesem Jahr vom 21. bis zum 23. November auf dem Glacis stattfindet, sei ein beliebter Treffpunkt für Kunstkäufer, doch auch die lokalen Galerien seien keinesfalls als Anlaufpunkt zu unterschätzen. „Die in Walferdingen oder auch das H₂O in Differdingen sind top.“
Er rief die Luxembourg Art Week ins Leben: Alex Reding, hier zu sehen neben einer Skulptur von Atelier Van Lieshout. Foto: Anouk Antony
Und was hängt nun an den Wänden der Käuferschaft aus Luxemburg? „Ich kenne eigentlich nur Menschen, die Kunst kaufen, die sie auch besitzen wollen und die ihnen auch gefällt – sei es nun ästhetisch oder inhaltlich“, sagt Alex Reding. Wichtig sei auf jeden Fall das Standing des Künstlers, also wie hoch sein Name gehandelt werde und wie das Karrierepotenzial eingeschätzt werden kann.
Nicht jeder entscheide sich spontan für ein großformatiges Werk, etwa für eine der mannshohen utopischen Skulpturen von Atelier Van Lieshout, die noch bis vor Kurzem in der Ausstellung „Rats and Rituals“ in den Räumlichkeiten neben dem Nationalmusée zu sehen waren. Und neue Künstlerinnen und Künstler der Käuferschaft näherzubringen, sei ebenfalls nicht einfach. „Aber zum Glück haben wir immer gute Presse und auch einen treuen Sammlerstamm.“
Ich kenne eigentlich nur Menschen, die Kunst kaufen, die sie auch besitzen wollen und die ihnen auch gefällt.
Alex Reding
Galerist
Reding selbst vertritt mit der Galerie Nosbaum Reding rund 30 Künstler, darunter neben solchen aus dem Ausland wie Stephan Balkenhol und Damien Deroubaix auch lokale Größen wie Tina Gillen oder Mike Bourscheid. Nach welchem Prinzip er und sein Team Künstler in ihr Portfolio aufnehmen, möchte der erfahrene Galerist jedoch nicht verraten. „Das wäre, als würde man sich bei Coca-Cola nach dem Rezept für ihren Verkaufsschlager erkundigen.“ Es gäbe viele Faktoren; von Künstlern, denen man seit Gründung der Galerie die Treue halte, bis hin zu ideologischen Gründen.
Provenienz ist von Bedeutung
Galerien sind wichtige Akteure des Kunsthandels, doch auch Auktionshäuser mischen in diesem Bereich kräftig mit. Die Branchenplayer sind nicht im Großherzogtum zu finden, sondern in den Metropolen. Paris, Brüssel, Köln. In der Domstadt am Rhein, knapp zweieinhalb Autostunden von Luxemburg entfernt, ist eines der prestigeträchtigsten Häuser mit einer Dependance angesiedelt: Sotheby’s.
Valentin Woltmann von Sotheby’s in Köln schätzt die Kunstkäufer aus Luxemburg als offen und international ausgerichtet ein. Foto: Sotheby’s / Gloria Schwan
„Derzeit werden insbesondere Werke mit einer herausragenden Provenienz nachgefragt“, erklärt Valentin Woltmann, Head of Sales für den Bereich Modern & Contemporary Art bei Sotheby’s in Köln. Er verweist auf eine Sotheby’s-Auktion in Köln vor einiger Zeit mit ausgewählten Werken aus der Privatsammlung der Sammlerin Ingvild Goetz.
„Und im September bieten wir die Sammlung von Pauline Karpidas in London an. Da sind viele Arbeiten aus dem Surrealismus dabei, der gerade eine hohe Nachfrage erfährt, etwa grandiose Werke von René Magritte und Salvador Dalí. Diese Sammlung deckt wichtige Kriterien ab, um den Wert von Kunstwerken zu bestimmen: zum einen eine super Provenienz, hohe Qualität und das gute Auge der Sammlerin.“
Grundsätzlich ist es von Vorteil, wenn etwas nicht jedes Jahr auf den Markt kommt, die Arbeit womöglich sogar noch nie auf dem Markt war oder gesucht wird.
Valentin Woltmann
Sotheby’s
Dazu komme noch die Marktfrische. „Es hängt natürlich vom Einzelfall ab, aber grundsätzlich ist es von Vorteil, wenn etwas nicht jedes Jahr auf den Markt kommt, die Arbeit womöglich sogar noch nie auf dem Markt war oder gesucht wird. Das spiegelt sich dann im Preis wider.“
Neben der Qualität der Werke sei ebenfalls der Zustand preisbestimmend, so Woltmann. Ein Andy Warhol, der sich in einem schlechten Zustand befindet oder der stark restauriert sei und sich sehr vom Original entferne, scheint also nicht alleine vom Namen profitieren zu können.
Aktuell stoßen die Werke des 2002 verstorbenen Künstlers Michel Majerus – hier zu sehen das Werk „Painkiller II“ – auf dem Markt auf großes Interesse. Foto: Sotheby’s / LW-Archiv
Anders dagegen beim Tod eines Künstlers. „Dann kann es kurzfristig aufgrund gesteigertem Interesse von Käufern und Verkäufern zu einem Preisanstieg kommen.“ Beim kürzlich verstorbenen Künstler Günther Uecker verweist Woltmann auf ikonische Werkgruppen wie etwa die Nagelbilder und -skulpturen. „Hier ist aufgrund der guten Nachlasspflege und der weltweiten institutionellen Präsenz vermutlich eine stabile Nachfrage zu erwarten.“
In seinen Augen ist die Kundschaft aus Luxemburg generell sehr offen und international ausgerichtet. „Sie kaufen Kunst ganz losgelöst von nationalen Grenzen.“ Derzeit sei übrigens sogar ein Künstler aus Luxemburg sehr gefragt auf dem Markt: Michel Majerus. „Wir haben für ihn auch vor zwei Jahren in London mit 666.400 Pfund einen Rekordpreis erzielt.“
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Ob dieser Majerus nun in Luxemburg hängt oder doch in Paris, Berlin oder London? Das lässt sich nicht herausfinden: Die Kunstszene gibt zwar Auskünfte, doch allzu freigebig mit der Herausgabe von Daten ist man wie in vielen Branchen nicht. Man lässt sich halt nicht gerne in die Karten schauen.
Vermutlich wird das Gemälde aber bei einem Kunstkenner ein neues Zuhause gefunden haben, der nicht nur Picasso oder Warhol zu schätzen weiß, sondern eben auch einen echten Majerus.