Ben O’Connor hat die Königsetappe der Tour de France gewonnen. Der Australier siegte am Col de la Loze auf 2304 Metern als Solist. Als Zweiter kam Tadej Pogacar ins Ziel, Dritter wurde Jonas Vingegaard. Florian Lipowitz verlor Zeit, konnten aber seinen dritten Platz im Gesamtklassement knapp verteidigen.
Für O’Connor ist es der zweite Etappensieg bei der Tour nach 2021. Der 29-Jährige vom Team Jayco AlUla gehörte bei der 18. Etappe zur ersten Ausreißergruppe des Tages und setzte sich auf dem 26 Kilometer langen Schlussanstieg früh ab.
Pogacar im Gelben Trikot des Gesamtführenden hatte sich wie schon am Mont Ventoux im Finale der Etappe relativ defensiv verhalten. 800 Meter vor dem Ziel attackierte der Gesamtzweite Jonas Vingegaard, der Slowene blieb wie immer bei dieser Tour souverän am Hinterrad des Dänen. Ein Spiegelbild der Etappe: Vingegaards Visma-Team war früh in die Offensive gegangen, aber Pogacar zeigte keine Schwächen. Der 26-Jährige nutzte dann auf den letzten Metern seine größere Explosivität und nahm seinem Widersacher noch ein paar Sekunden ab – wieder einmal. Im Ziel hatte Pogacar 1:54 Minuten Rückstand auf den Tagessieger, Vingegaard überquerte die Ziellinie neun Sekunden später.
Das deutsche Team Red Bull-Bora-hansgrohe ging das Rennen ebenfalls offensiv an, stand am Ende aber mit leeren Händen da. Lipowitz hatte bereits vor dem Schlussanstieg attackiert, musste am Ende aber dafür bezahlen. Der 24-Jährige kam als Elfter ins Ziel (+ 3:37 Minuten). Sein Hauptkonkurrent um den dritten Gesamtrang, Oscar Onley, blieb bis auf den letzten Kilometer an den beiden Tour-Favoriten dran. Der Schotte zeigte seine bislang stärkste Leistung, wurde am Ende Vierter und machte 1:39 Minuten auf Lipowitz gut. “Die letzten zehn Kilometer hab ich gemerkt, die Energie ist nicht mehr da und es war nur noch eine Qual. Die letzten zwei Kilometer waren die Hölle”, sagte Lipowitz im Interview mit der Sportschau. Unzufrieden war der 24-Jährige dennoch nicht: “Ich habe wahrscheinlich zu viele Körner im Tal liegen gelassen, aber ich habe was versucht und kann trotzdem zufrieden sein.”
Lipowitz rettet 22 Sekunden Vorsprung
In der Gesamtwertung und in der Wertung für das Weiße Trikot des besten Jungprofis hat Lipowitz als Dritter jetzt nur noch 22 Sekunden Vorsprung auf Onley. Vingegaards Rückstand auf den Titelverteidiger wuchs auf 4:26 Minuten.
Die 18. Etappe hinauf zum Dach der Tour war ein richtiger Hammer. 5450 Höhenmeter waren auf den 171,5 Kilometern von Vif zum Col de la Loze zu erklettern. Für Pogacar war es die Rückkehr an den Ort seiner größten Niederlage bei der Tour de France. 2023 brach der Slowene am Col de la Loze völlig ein und verlor mehrere Minuten auf den späteren Tour-Sieger Vingegaard. Damals lag das Ziel etwas tiefer in Courchevel.
Wie schwer die Etappe am viertletzten Tag der Tour war, das spiegelte sich auch in den Bergpunkten wieder. Insgesamt 80 Punkte gab es bei den drei Bergwertungen der höchsten Kategorie zu holen. Vor dem Start lagen Pogacar und Lenny Martinez mit jeweils 60 Punkten an der Spitze der Bergwertung.
Roglic und Gall in der ersten Spitzengruppe
Als erstes ging es für die Profis in den 21,7 Kilometer langen Anstieg zum Col du Glandon. Und hier gab es gleich eine Überraschung. Primoz Roglic ging sofort in die Offensive und setzte sich vom Hauptfeld ab. Mit 11:42 Minuten Rückstand als Fünfter im Gesamtklassement war er für das UAE-Team des Tour-Leaders keine große Gefahr.
Eine 13-köpfige Spitzengruppe mit Roglic erreichte die erste Bergwertung. Martinez im Bergtrikot erkämpfte sich auf 1924 Metern Höhe 20 Bergpunkte. Nur Thymen Arensman hielt noch mit rein, zog aber den Kürzeren. Mit vorne dabei war neben Roglic auch noch ein zweiter Fahrer aus den Top 10 des Klassements. Der Gesamt-Siebte Gall hatte sich offenbar wie 2023 was vorgenommen. Denn im Gegensatz zu Pogacar erlebte der Österreicher am Col de la Loze und später im Ziel unterhalb des Alpen-Riesen eine Sternstunde. Gall gewann die damalige Königsetappe als Solist.
Martinez fällt zurück, Mas muss aufgeben
Es folgte die zweite von drei Bergwertungen des Tages. Am 19 Kilometer langen Anstieg zum Col de la Madeleine war Martinez nicht mehr mit dabei. Der junge Franzose hatte schon am Glandon Probleme und ließ sich auf der Abfahrt zurückfallen. Für Enric Mas war die Tour vor dem zweiten Berg beendet. Der Spanier, der am Mont Ventoux fast zehn Kilometer alleine vorne fuhr, musste nachdem er sogar kurz in der Spitzengruppe war aufgeben.
Bereits am Col de la Madeleine verkleinerten sich die Spitzengruppe und das Hauptfeld immer mehr. Im Peloton um die Tour-Favoriten waren es nach mehr als der Hälfte des Anstiegs nur noch 16 Fahrer. Kevin Vaquelin, Gesamt-Sechster, musste da bereits abreißen lassen. Vorne an der Spitze des Rennens waren es noch sechs Ausreißer – Roglic, Gall, Arensman waren noch dabei, außerdem Matteo Jorgenson, Ben O’Connor und Einer Rubio.
Vingegaard attackiert 71 Kilometer vor dem Ziel
Im oberen Drittel des Madeleine beschleunigte Visma bereits derart das Tempo, dass Sepp Kuss nur noch seinen Kapitän Vingegaard, Pogacar und Lipowitz im Schlepptau hatte. Der Tour-Leader aus Slowenien war da bereits erstmals von seinen Helfern isoliert. Vingegaard hatte dagegen mit Jorgenson vorne noch einen starken Bergfahrer. Etwa fünf Kilometer vor der Bergwertung und 71 Kilometer vor dem Ziel kam die erste Attacke Vingegaards. Der Deutsche musste abreißen lassen. Über den zweiten Bergpass des Tages führte Vingegaard dann die neue Spitzengruppe mit Pogacar und fünf verbliebenen Ausreißern.
Arensman, der als einziger Ausreißer zurückgefallen war, und Lipowitz waren die Verfolger und konnten in der Abfahrt wieder aufschließen, auch weil in der Spitzengruppe keiner das Tempo machen wollte. Es gab neue Attacken. 33 Kilometer vor dem Ziel attackierte auch Lipowitz – in der Favoriten-Gruppe herrschte jetzt Stillstand – und der Deutsche hatte Erfolg. Zu Beginn des Schlussanstiegs lag er sogar zwei Minuten vor der Gruppe um das Gelbe Trikot. Jorgenson und O’Connor lagen zu diesem Zeitpunkt vorne.
Lipowitz attackiert zu früh
Doch am Schlussanstieg wendete sich das Blatt für den Deutschen. Die wieder größere Favoritengruppe kam immer näher. Und sein Hauptkontrahent um dem dritten Platz im Klassement, Oscar Onley, konnte im Feld Kräfte sparen. Lipowitz fuhr dagegen alleine im Wind. Zudem hatte Pogacar nun auch wieder Helfer an seiner Seite, Adam Yates und Jhonatan Narvaez machten für UAE Tempo. Und im oberen Drittel des Anstiegs war die Flucht von Lipowitz dann beendet. Es dauerte nicht lange und Lipowitz verlor den Anschluss – der Deutsche hatte bei seiner Flucht zu viel Kraft gelassen. Onley blieb dagegen lange am Hinterrad von Vingegaard und Pogacar.
An der Spitze kämpfte O’Connor um den Etappensieg. 15,8 Kilometer vor dem Ziel hatte sich der Australier abgesetzt. Mit über drei Minuten Vorsprung ging er in die letzten fünf Kilometer. Es sollte reichen.
Letzte Bergankunft am Freitag
Am Freitag geht es weiter mit der fünften und letzten Bergankunft der Tour. Und auch die zweite Alpen-Etappe hat es in sich. Auf nur 130 Kilometern von Albertville nach La Plagne sind satte 4550 Höhenmeter zu überwinden. Der Schlussanstieg bei der 18. Etappe ist 19,1 Kilometer lang und hat im Schnitt 7,2 Prozent Steigung.