Für das erfolgsverwöhnte Team Red Bull und Weltmeister Max Verstappen beginnt an diesem Wochenende mit dem Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps (Sonntag ab 15 Uhr) eine neue Ära. Nach zwanzig Jahren an der Spitze des Teams des österreichischen Getränkeherstellers wurde Teamchef Christian Horner im Anschluss an das vergangene Rennen in Silverstone entlassen.

Maßgeblich an acht Fahrer- und sechs Konstrukteurs-Weltmeisterschaften beteiligt, hatte der Brite im Laufe der Zeit eine derart starke Machtposition im nur schwer zu durchschauenden Red-Bull-Kosmos entwickelt, die den eigentlichen Entscheidungsträgern im Konzern nicht sonderlich gefallen haben dürfte. Hinzu kommen der Weggang einiger wichtiger Personen. Adrian Newey wechselte beispielsweise zu Aston Martin. Zudem droht Red Bull ins sportliche Mittelmaß zurückzufallen.

Man muss Zeit und Ruhe haben, um gut zu arbeiten. In Italien ist das nur schwer möglich.

Frédéric Vasseur

Bereits im Vorjahr war Horners Stuhl ins Wanken geraten, als er wegen „unangebrachten Verhaltens“ gegenüber einer Mitarbeiterin für negative Schlagzeilen sorgte. Sein Rauswurf vor wenigen Tagen ist der vorläufige Höhepunkt einer neuen Entwicklung in der Formel 1.

Christian Horner wurde vor wenigen Tagen bei Red Bull entlassen. Foto: AFP

Aufgrund der Komplexität ihrer Verträge ist es schwierig, einen Verstappen oder Lewis Hamilton zu entlassen. Bei den Teamchefs sieht es anders aus. Erschreckend sind die Parallelen zur Welt des Fußballs. Rennteams funktionieren mittlerweile wie große Wirtschaftsunternehmen. Daher sind neben den Fahrern die Teamchefs die Gesichter des Konzerns und stehen somit dauernd im unerbittlichen Fokus der Medien.

Bleiben die Erfolge aus, ist ein Schuldiger schnell gefunden. Dies zeigt das Beispiel Alpine. 2023 trennte sich der Rennstall von Otmar Szafnauer. Auf ihn folgte Bruno Famin, der Mitte vergangenen Jahres wiederum von Olivier Oakes abgelöst wurde. Bizarr ist allerdings dessen Abgang. Da sein Bruder, mit dem er gemeinsam das Formel-2-Team Hitech GP besitzt, mit einer großen Summe Geld festgenommen wurde, trat Olivier Oakes nach dem diesjährigen Rennen in Miami zurück.

Dauerbrenner Ferrari

Mit Mike Krack befindet sich auf der langen Liste auch ein Luxemburger. Zu Saisonbeginn musste Krack im Zuge einer „Umstrukturierung auf der Führungsebene“ seinen Posten als Teamchef bei Aston Martin abgeben. Im Gegensatz zu seinen ausgebooteten Kollegen behielt Krack bei Aston Martin aber eine Führungsposition inne. Er konnte auf der Boxenmauer sitzen bleiben und leitet als Chief Trackside Officer weiterhin die Geschicke an der Rennstrecke.

Während sich Krack als Teamchef trotz fragwürdiger Leistungen immer wieder schützend vor seine Fahrer stellte, zog Günther Steiner bei Haas die härtere Tour vor – womöglich geblendet durch seine Netflix-Popularität. Der Südtiroler verpasste kaum eine Gelegenheit, um über seine erfolglosen Nachwuchspiloten herzuziehen. Sein Vertrag wurde für 2024 allerdings nicht verlängert – und prompt ging die Leistungskurve des Teams nach oben.

Frédéric Vasseur soll bei Ferrari auf dem Prüfstand stehen. Foto: AFP

Das Kompetenzgerangel der beiden Alphatiere, noch bevor im kommenden Jahr überhaupt ein Audi-Aufkleber die aktuellen Sauber-Ferrari zieren wird, sorgte dafür, dass der ehemalige Porsche- und McLaren-Chef Andreas Seidl sowie Technikvorstand Oliver Hoffmann ihre Posten im Formel-1-Projekt von Audi räumen mussten. Ersetzt wurden beide durch Mattia Binotto. Der Italiener war seinerseits einer der zahlreichen Teamchefs bei Ferrari, wo das Austauschen des Teamchefs fast schon Tradition hat.

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Die stets gut informierte italienische Presse sieht aktuell auch Frédéric Vasseur bereits auf dem Prüfstand. „Wenn diese Medien Unruhe haben wollten, haben sie ihr Ziel erreicht. Man muss Zeit und Ruhe haben, um gut zu arbeiten. In Italien ist das nur schwer möglich“, meinte Vasseur, dessen Vertrag Ende des Jahres ausläuft. Als möglicher Nachfolger zirkulierte bereits vor seiner Entlassung übrigens auch der Name von Christian Horner.