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Putins Regime attackiert Europa verbal, europäische Politiker alarmieren wegen Russland. Ein Experte äußert Bedenken zum möglichen Verteidigungsfall.
Brüssel – Die Nato ist wegen Russlands Machthaber Wladimir Putin in Alarmbereitschaft. Nicht zuletzt der blutige Ukraine-Krieg, losgetreten durch Putin, ist ein warnendes Beispiel für die Europäer.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat nun in einer bizarren Rede erneut gegen die Europäer gewettert. Der 75-jährige Putin-Vertraute wählte gewohnt drastische Worte gegen „den Westen“, ohne konkrete Länder zu nennen.
Nato bereitet sich auf Verteidigungsfall gegen Putins Russland vor
Weil die Drohgebärden aus dem Kreml nicht nachlassen und Militärexperten vor der Aufrüstung Russlands warnen, will sich die Militärallianz Nato auf einen möglichen Verteidigungsfall vorbereiten. Und mit ihr die Europäische Union (EU), deren Mitgliedstaaten zum Großteil in der Nato organisiert sind. Nato-Chef Mark Rutte hatte erst Anfang Juli in der New York Times vor einem gemeinsamen Plan von Moskau und Peking gewarnt: Russland könnte demnach „Europa beschäftigen“, China zeitgleich die Inselrepublik Taiwan im Pazifik angreifen.

Niederländische Militär-Fahrzeuge der Nato werden über den Bahnhof Leer in Niedersachsen durch Deutschland transportiert. (Archivfoto) © IMAGO / diebildwerftEU-Kommissar warnt: Europas Infrastruktur wäre auf Russland-Angriff nicht vorbereitet
Der EU-Verkehrskommissar hat nun aber mit Blick auf die Infrastruktur in der EU gehörig Alarm geschlagen: Apostolos Tzitzikostas erklärte der Financial Times, dass manche Tunnel schlicht zu klein und manche Brücken schlicht zu schwach seien, um schweres Militärgerät wie Panzer hindurch oder darüber hinweg zu transportieren. Für Schwertransporte wie Tieflader gäbe es kein Durchkommen und bei einzelnen Brücken würde sogar drohen, dass sie unter der Last einstürzen. Nur ein Beispiel: Ein Kampfpanzer Leopard 2 aus deutscher Rüstungsproduktion wiegt in der Regel mehr als 62 Tonnen – und das noch ohne Transport-LKW.
Von Taurus bis Leopard – die Waffensysteme der Bundeswehr im Überblick

Fotostrecke ansehenBei Nato-Angriff Russlands würde es wegen Infrastruktur zu großen Verzögerungen kommen
Tzitzikostas schilderte, dass die EU aktuell plane, 17 Milliarden Euro in die länderübergreifende Infrastruktur zu investieren, um die militärische Mobilität der Verteidigungsallianz zu erhöhen. Vor allem mit Blick auf einen möglichen Ernstfall. „Wir haben alte Brücken, die modernisiert werden müssen“, sagte erklärte der 46-jährige Grieche exemplarisch: „Wir haben schmale Brücken, die verbreitert werden müssen. Und wir haben nicht vorhandene Brücken, die gebaut werden müssen.“
Sollten Nato-Panzer bei einem russischen Angriff auf die Nato in Richtung Ostflanke verlegt werden müssen, würde es nach heutigem Stand „Wochen, und in manchen Fällen Monate“ dauern, um militärische Ausrüstung und Truppen vom Westen Europas in den Osten verlegen zu verlegen, warnte der EU-Verkehrskommissar.
Panzer der Nato und der Bundeswehr: Zu schwer für viele Straßen in Europa
Viele Autobahnen und Straßen seien für derlei militärische Transporte nicht gebaut worden. Ein Beispiel: Moderne Lastkraftwagen Mercedes-Benz Arocs, wie sie häufig im Straßenverkehr vorkommen, wiegen um die 40 Tonnen. Ein moderner Schützenpanzer Puma der Bundeswehr hat in etwa dasselbe Gewicht, aber ohne Tieflader, auf dem die Panzer normalerweise transportiert werden. Französische Kampfpanzer Leclerc kommen auf rund 56 Tonnen und amerikanische Kampfpanzer M1 Abrams auf 61 Tonnen, um weitere auf Nato-Gebiet stationierte Beispiele zu nennen.

Ein Schwerlast-Transporter „Mammut“ der Bundeswehr transportiert einen Leopard-2-Panzer. © IMAGO / Sven EckelkampVerteidigung der Nato-Ostflanke gegen Putin: Deutschland wäre „Drehscheibe“
Die EU will nun laut Financial Times in enger Zusammenarbeit mit der Nato 500 Infrastrukturprojekte entlang von vier Militärkorridoren modernisieren. Und zwar über den ganzen europäischen Kontinent verteilt in Richtung Nato-Ostflanke.
Genaue Korridore werden in dem Bericht nicht genannt. Experten hatten in der jüngeren Vergangenheit aber betont, dass Deutschland im Verteidigungsfall zur militärischen „Drehscheibe“ werden würde. So verlegen zum Beispiel die Niederländer Militärfahrzeuge bei gemeinsamen Nato-Übungen über den ostfriesischen Bahnhof Leer, während zivile Züge auf den Gleisen nebenan stehen.
Deutschland wegen seiner Lage „Aufmarschgebiet“ für Truppenverlegungen
Deutschland war auch während des Nato-Großmanövers „Steadfast Defender“ im Frühjahr 2024 besagte „Drehscheibe“, also ein logistisches Transitland von hoher Bedeutung. „Deutschland ist durch seine geostrategische Lage Transitland, Aufmarschgebiet und Drehscheibe für nahezu alle multinationalen Truppenverlegungen“, erklärte die Bundeswehr seinerzeit. „Insbesondere wenn zehntausende deutsche und alliierte Soldatinnen und Soldaten sowie tausende Gefechtsfahrzeuge zeitgleich verlegen, ist der Abstimmungsbedarf enorm.“ Und offenbar auch der Nachholbedarf, was bauliche Maßnahmen betrifft.
Ausgaben für Verteidigung: Bundesregierung will Milliarden in Infrastruktur investieren
Die schwarz-rote Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hatte kürzlich mehrmals bekräftigt, künftig – wie von US-Präsident Donald Trump gefordert – fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu stecken. 3,5 Prozent davon sollen reine Militärausgaben sein, weitere 1,5 Prozent verteidigungsrelevant. Und zwar, indem etwa Brücken und Schienen für mögliche militärische Transporte instandgesetzt werden.
Auch das Nato-Mitglied Italien erwägt, ein Brücken-Großprojekt nach Sizilien als verteidigungsrelevante Infrastrukturmaßnahme anzugeben, wie das US-Magazin Politico berichtet. Auch bei diesem Projekt geht es um viele Milliarden Euro. (pm)