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Entgegen früherer Bekundungen denkt die österreichische Regierung über die Aufgabe der militärischen Neutralität nach. Das hat laut eines Experten mit der Slowakei zu tun.

Wien – Die potenzielle Bedrohung aus Russland unter Wladimir Putin reicht bis in die österreichische Hauptstadt. Oder wie es der frühere Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kurz nach dem russischen Überfall im Ukraine-Krieg beschrieben hat: Die Entfernung von Bregenz in Vorarlberg nach Wien ist weiter als aus der westukrainischen Großstadt Lwiw.

Putin-Freund aus der Slowakei: Robert Fico sorgt in Österreich offenbar für Bedenken

Zwischen Lwiw und der Donaumetropole mit ihren mehr als zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern befindet sich die Slowakei. Wie die Regierung in Bratislava mit dem brutalen Moskau-Regime umgeht, entwickelt sich wiederum für den deutschen Nachbarn immer mehr zum Problem.

In der slowakischen Hauptstadt mit ihren etwa 480.000 Einwohnerinnen und Einwohnern regiert der linkspopulistische und prorussische Ministerpräsident Robert Fico. Dass Österreich plötzlich über einen Nato-Beitritt zumindest nachdenkt, hat laut eines erfahrenen Politikers und außenpolitischen Experten nicht zuletzt mit besagtem slowakischen Regierungschef Fico zu tun.

Der slowakische Regierungschef Robert Fico (re.) war im Mai 2025 bei Wladimir Putin im Kreml.

Der slowakische Regierungschef Robert Fico (re.) war im Mai 2025 bei Wladimir Putin im Kreml. © IMAGO / ZUMA PressRobert Fico aus der Slowakei: Kritisch zur Ukraine, freundlich zu Wladimir Putin

Fico nimmt nicht nur eine sehr kritische Haltung gegenüber der Ukraine ein. Der 60-jährige Linkspopulist sorgte Mitte Juni für mächtig Wirbel, als er einen Nato-Austritt seines Landes ins Spiel brachte, nachdem die Militärallianz beschlossen hatte, dass ihre Mitgliedsländer künftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) in die Verteidigung investieren sollen. Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch des US-Präsidenten Donald Trump hin. Fico passt das gar nicht. Dabei war er einst ein Hoffnungsträger der Europäischen Union (EU), die sehr viele Überschneidungen mit der Nato hat.

Während seiner ersten Amtszeit trat die Slowakei 2009 etwa der Eurozone bei. In der Nato sind die Slowaken bereits seit März 2004. Der frühere österreichische Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) erklärte nun im Juni, wenige Tage nach Ficos Drohungen: „Ein Austritt der Slowakei aus der Nato würde die Lage auch für Österreich verschlechtern. Es würde sicherlich eine große Diskussion über die Mitgliedschaft Österreichs in der Nato und einen möglichen Beitritt zur Nato auslösen.“

Einwohnerinnen und Einwohner:5,5 MillionenStaats- und Regierungsform:parlamentarische RepublikFläche:49.035 km²Hauptstadt:BratislavaGrenzen mit:Tschechien, Polen, Ukraine, Ungarn, Österreich

Österreichs Nato-Gedankenspiel: Russland-Politik der Slowakei laut Experte im Fokus

Der Präsident des „Austrian Institute for European Security Policy“ (AIES) sagte laut oe24.at der slowakischen Zeitung Denník N, dass die Alpenrepublik von ihrer geographischen Lage profitiere. „Das ist einer der Gründe, warum es heißt, Österreich sei im Moment nicht in unmittelbarer Gefahr. Es ist von Nato-Mitgliedsstaaten umgeben und damit relativ sicher“, meinte er demnach und erklärte: „Die österreichische Regierung hat jedoch beschlossen, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Sie ist sich bewusst, dass Neutralität kein Schutzschild gegen jede äußere Gefahr ist. Und natürlich würde sich die Situation deutlich ändern, wenn zum Beispiel die Slowakei aus der Nato austreten würde.“

Denn dann würde kein Nato-Land mehr zwischen ukrainischer Grenze und Wien ganz im Osten Österreichs liegen. Besagte sicherheitspolitische und militärische Neutralität ist seit 1955 in der Verfassung der damals neu gegründeten Bundesrepublik festgeschrieben. Sie besagt im Kern, dass die Österreicher keinen militärischen Bündnissen beitreten werden und es nicht zulassen, dass ausländische Streitkräfte Truppen auf ihrem Boden stationieren. Um ein Verfassungsgesetz in Österreich zu ändern, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, also dem Parlament, bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten.

Ein Leopard 2A4 des österreichischen Bundesheeres bei einer Übung nahe Linz. (Archivfoto)

Ein Leopard 2A4 des österreichischen Bundesheeres bei einer Übung nahe Linz. (Archivfoto) © IMAGO / SEPA.MediaÖsterreich: Verteidigungsministerin bringt möglichen Nato-Beitritt ins Spiel

Nicht nur der Slowake Fico ist trotz mutmaßlich russischer Gräueltaten im Ukraine-Krieg indes Russland-freundlich eingestellt, sondern auch Teile der österreichischen FPÖ. Die Rechtspopulisten stellen im Nationalrat wiederum die stärkste Fraktion. Die amtierende Verteidigungsministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) hatte kürzlich im Interview mit der Welt am Sonntag erklärt: „Klar ist: Neutralität allein schützt uns nicht. Was Österreich vor dem Hintergrund einer zunehmend unsicheren sicherheitspolitischen Lage in der Welt und eines zunehmend aggressiven Russland schützt, sind Investitionen in unsere eigene Verteidigungsfähigkeit, aber auch in Partnerschaften.“

Sie sei „grundsätzlich sehr offen dafür, eine öffentliche Debatte über die sicherheits- und verteidigungspolitische Zukunft Österreichs zu führen“, meinte die Ressortleiterin weiter: „Für einen Beitritt zur Nato gibt es derzeit zwar keine Mehrheiten im Parlament und in der Bevölkerung, aber eine solche Debatte kann trotzdem sehr fruchtbar sein.“ Österreich rüstet derzeit seine Armee auf, hat aber zum Beispiel nur ein einziges Panzer-Bataillon mit 58 älteren Leopard-2-Panzern zwischen Innsbruck, Salzburg, Graz und Wien. Die beschriebene Debatte läuft. (pm)