Die Strafzölle der EU sollten die Flut chinesischer E-Autos eindämmen. Doch die neuesten Zahlen aus Europa zeigen: Die Hersteller aus dem Reich der Mitte schlagen eindrucksvoll zurück. Angeführt von Branchenprimus BYD erobern sie alte Marktanteile zurück und setzen neue Rekorde. Ein klares Warnsignal für die europäischen Platzhirsche.
Noch vor einem Jahr schien die Sache klar: Die EU zog mit Zöllen eine rote Linie, um die heimische Industrie vor staatlich subventionierten Importen aus China zu schützen. Doch die Wirkung scheint zu verpuffen. Im Juni eroberten chinesische Marken einen Marktanteil von 10,6 Prozent bei den reinen Elektroauto-Zulassungen in Europa. Damit wurde der Rekordwert aus dem Juni des Vorjahres von 11,1 Prozent – der durch vorgezogene Lieferungen vor Einführung der Zölle entstand – fast wieder erreicht.
In absoluten Zahlen stellten die chinesischen Hersteller im Juni mit 21.916 Auslieferungen sogar einen neuen Verkaufsrekord für E-Autos in der EU, Großbritannien und den EFTA-Staaten auf.
Angepasste Strategie als Schlüssel zum Erfolg
Doch wie ist dieses Comeback zu erklären? Die chinesischen Autobauer haben ihre Hausaufgaben gemacht und ihre Strategie für Europa angepasst. Neben dem Aufbau lokaler Produktionsstätten zur Umgehung der Zölle, wurde vor allem das Produktportfolio angepasst.
So hat sich die zu SAIC gehörende Marke MG, die mit 45 Prozent vom höchsten Zollsatz betroffen ist, stärker auf Hybrid- und Verbrennermodelle konzentriert. BYD hingegen fährt eine Doppelstrategie: Neben dem fortgesetzten Vorstoß bei reinen E-Autos hat der Konzern sein Angebot an Plug-in-Hybriden massiv ausgebaut. Mit dem SUV-Modell Seal U schaffte es BYD aus dem Stand in die Top-Ten der Plug-in-Hybrid-Verkäufe in Europa.
Auch die Wachstumszahlen sind beeindruckend: Im ersten Halbjahr steigerte BYD seine E-Auto-Verkäufe um satte 143 Prozent. Konkurrenten wie Xpeng und Leapmotor verbuchten sogar noch stärkere Zuwächse.
Taktische Preisgestaltung
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Preispolitik. Laut dem JATO-Analysten Felipe Munoz agiert BYD bei Plug-in-Hybriden sehr aggressiv. Bei den reinen E-Autos sei man jedoch vorsichtiger: „Der Abstand zu den traditionellen Herstellern ist nicht so groß, wie man annehmen könnte“, so Munoz.
Der Grund sei taktischer Natur. „Sie wollen die europäischen Autobauer nicht verärgern und sie dazu bringen, sich erneut bei der EU-Kommission zu beschweren“, erklärt der Analyst. „Sie sind jetzt vorsichtiger, wenn es darum geht, sehr gute Preise anzubieten.“
Die chinesischen Hersteller lassen sich von Zöllen nicht aufhalten. Mit einer beeindruckenden Anpassungsfähigkeit erobern sie nicht nur im E-Auto-Segment, sondern auch bei Hybriden und über alle Antriebsarten hinweg (5,4 Prozent Gesamtmarktanteil im Juni) Rekordanteile. Unter den chinesischen Autobauern favorisiert DER AKTIONÄR aktuell BYD.