Paukenschlag der EU in der Migrationsfrage! Der Gerichtshof der Europäischen Union erhöht die Hürden bei der Bestimmung von sicheren Herkunftsländern für beschleunigte Asylverfahren. Die EU-Mitgliedstaaten können nur dann Listen sicherer Länder festlegen, wenn sie die Quellen für ihre Einschätzung offenlegen und die gesamte Bevölkerung in dem Land sicher ist – nicht nur bestimmte Gruppen, entschied das Gericht in Luxemburg.

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In dem Verfahren ging es um das „Albanien-Modell“ – eine Liste sicherer Herkunftsländer, die Italien erstellt hatte. Demnach sollen Asylanträge von Schutz suchenden Menschen, die im Mittelmeer aufgegriffen wurden und aus Staaten auf der Liste kommen, in einem schnelleren Verfahren geprüft werden – und zwar in Zentren in Albanien. Dazu schloss Italien ein Abkommen mit Albanien zum Aufbau von zwei Lagern auf albanischem Territorium.

Zwei Staatsangehörige aus Bangladesch zogen gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge vor Gericht. Sie beanstandeten die Liste Italiens, auf der ihr Herkunftsland steht. Das EU-Urteil macht jetzt deutlich: So einfach wird es den sicheren Herkunftsländern nicht.

Urteil kann auch für Deutschland wichtig sein

Das „Albanien-Modell“ ist es das Prestige-Projekt der Regierung in Rom. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48) will durch dieses Vorgehen weniger Menschen die Einreise nach Italien ermöglichen und die Zahl der Asylsuchenden begrenzen. Das Projekt liegt aktuell allerdings auf Eis – wegen Widerstand in der italienischen Justiz. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation ActionAid und der Universität Bari waren die Zentren 2024 nur an fünf Tagen in Betrieb – und das bei sehr hohen Kosten.

Meloni hat das EuGH-Urteil heute scharf kritisiert. Sie warf dem Europäischen Gerichtshof vor, sich unzulässig in politische Angelegenheiten einzumischen, und betonte, die Justiz beanspruche Zuständigkeiten, „die ihr nicht zustehen, während die Verantwortung bei der Politik liegt“.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48)

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48)

Foto: Claudia Greco/REUTERS

Die Entscheidung schwäche die italienische Asylpolitik und gefährde Projekte wie das „Albanien-Modell“. „Dies ist ein Schritt, der alle beunruhigen sollte“, erklärte Meloni. Rom kritisiert auch den Zeitpunkt des Urteils, wenige Monate vor Inkrafttreten des neuen EU-Migrationspakts.

Erste Reaktionen gab es auch bereits aus Österreich. Integrationsministerin Claudia Plakolm (30) zu BILD: „Straffällige abzuschieben muss rechtlich möglich sein. Alles andere geht an der Realität vorbei.“

Kritik von NGO‘s, Zustimmung vom Kanzler

Das Urteil des EuGH kann auch für Deutschland wegweisend sein. Denn auch bei uns gibt es eine Liste sicherer Herkunftsstaaten. Sie umfasst neben den EU-Mitgliedern unter anderem auch Ghana, Senegal und Albanien.

Hilfsorganisationen wie „Pro Asyl“ haben das „Albanien-Modell“ scharf kritisiert und der rechtsgerichteten Regierung um Giorgia Meloni in Italien eine „gefährliche Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Politik, die sich um Menschenrechte und die Schicksale der Betroffenen nicht schert“, attestiert.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dagegen zeigte sich grundsätzlich offen für entsprechende Modelle. Man werde die Auslagerung von Asylverfahren trotz der Erfahrungen in Italien prüfen, sagte er im Mai bei einem Besuch in Rom. Dass die Umsetzung nicht ganz so einfach werden würde, war allerdings damals schon klar.

Konzept wird überarbeitet

Sind denn jetzt die ehrgeizigen Verschärfungspläne der EU-Kommission passé? In Brüssel wiegelt man nach BILD-Informationen ab: Man überarbeitet derzeit das Konzept „sicherer Herkunftsstaaten“, wodurch es möglich sein wird, auch Teile eines Herkunftslandes als sicher einzustufen. Dadurch wäre es etwa möglich, in einen sicheren Landesteil Syriens abzuschieben.

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