Stand: 03.08.2025 06:00 Uhr
Zwei Wochen Urlaub an der Eckernförder Bucht, um den Krieg in der Heimat zu vergessen. Für etwa 50 Mütter und Kinder aus der Ukraine ist das gerade der Alltag. Ohne Bomben, Luftalarme und Angst.
Im Kopf ist der Krieg immer da. Die Bomben, die Drohnen, die Luftalarme. Zuhause in der Ukraine müssen sie dann in den Schutzkeller. Aber hier, 1.400 Kilometer Luftlinie entfernt von Kiew, an der Eckernförder Bucht gibt es all das nicht.
Es ist ein typischer Sommertag in Schleswig-Holstein. Nicht zu kalt, nicht zu warm, ein bisschen windig und am Morgen hat es noch geregnet. Aber als die Gruppe Ukrainer im Reisebus auf das Gut Ludwigsburg in der Gemeinde Waabs (Kreis Rendsburg-Eckernförde) fährt, scheint die Sonne. Jungen und Mädchen mit ihren Müttern steigen aus dem Bus. Nur keine Väter und Ehemänner. Sie sind im Krieg gefallen.
Pferde reiten und den Krieg in der Ukraine vergessen
“Wir holen jetzt fünf Pferde und dann reiten wir erstmal”, erklärt Gutsbesitzer Kurt Jürgen Carl seinen heutigen Gästen. Neben ihm steht eine junge Frau. Blonde Haare, rosa Bluse, positive Ausstrahlung. Marta Tsar, Deutschlehrerin aus der Ukraine, übersetzt für die rund 50 Ukrainerinnen und Ukrainer. Sie kommt aus der Westukraine. Dort, so sagt sie, ist es noch friedlich, der Krieg im Osten ihres Landes aber auch immer gegenwärtig.
Sie ist seit vier Jahren dabei, freut sich, dass sie den Familien hier bei der Auszeit vom Krieg helfen und ihnen eine gute Zeit geben kann. Das gelingt an diesem Tag vor allem dank der Pferde. Eine geführte Reitrunde über den Hof des Gut Ludwigsburg sorgt für strahlende Kinderaugen und glückliche Mütter. Zumindest für den Augenblick steht nicht der Krieg im Vordergrund, sondern die Unbeschwertheit des Moments.
Eine Mutter, fünf Kinder, aber kein Vater
Eine dieser Mütter ist Katja Ljultsckyk mit ihren fünf Kindern: Anastasia, Serhij, Dmytro, Olexandr und Oksana. Auszeit vom Krieg bedeutet für sie: raus aus ihrer kleinen Stadt zwischen Schytomyr und Kiew. Da wohnen sie in einer kleinen Wohnung bei ihrer Mutter. Das Leben dort ist unruhig geworden durch den Krieg, erzählt die junge Mutter. Wenn es Luftalarm gibt, müssen sie in den Keller.
Ihr Mann hat im Krieg gedient. Seit dem Sommer 2022 gilt er als vermisst. Sie hofft, dass er zurückkommt, aber eigentlich bedeutet die lange Zeit, dass er bereits gestorben ist. Für die Kinder sei das sehr schwer. Früher haben sie die Familienabende zusammen verbracht. Jetzt feiern sie Feste ohne ihren Vater.
Große Spendenbereitschaft aus der Region
Auszeit vom Krieg heißen die zwei Wochen Urlaub in und um Eckernförde. Zum vierten Mal organisiert Bogislav-Tessen von Gerlach, ehemaliger Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg, die Reise zusammen mit der Eckernförder Lehrerin Kateryna Kharytych. Die Auszeit ist komplett durch Spenden finanziert. Unterkunft in der Jugendherberge Eckernförde, Ausflüge, Aktionen – das alles kostet einen fünfstelligen Betrag. Auch eine Aktionsgemeinschaft von Rotary und Lion Clubs, Unternehmen und Privatpersonen aus der Region unterstützen die Aktion.
Für Bogislav-Tessen von Gerlach ist wichtig, dass er mit seinem Team einigen der belasteten Kindern aus der Ukraine eine Auszeit ermöglichen kann und sie einen anderen Alltag haben als dort. Stolz ist er auch, dass er die Innenministerin Sabine-Sütterlin Waack (CDU) als Schirmherrin gewinnen konnte. Auch sie ist heute zu Gast und bringt Geschenke für die ukrainischen Kinder mit.
Stand-Up-Paddling am Strand, Bonbonfabrik und einfach mal chillen
Am Ende des Ausflugs zum Gut Ludwigsburg haben sich alle zum Gruppenfoto versammelt. Die Kinder strahlen, die Mütter auch. In den kommenden Tagen wollen sie noch ins Schwimmbad oder zum Stand-Up-Paddling an den Strand von Eckernförde und in die Bonbonfabrik. Aber die Familien müssen nicht bei allen Programmpunkten mitmachen und können auch einfach mal chillen in ihren zwei Wochen Auszeit vom Krieg.