Israels Oberstes Gericht hat Absetzung der Generalstaatsanwältin Baharav-Miara zunächst blockiert. Julia Klöckner forderte Fraktionen auf, Vorschläge für Wahlrechtsreform vorzulegen. Am OLG Dresden beginnt heute der Prozess gegen Jiang G.
Thema des Tages
Israel – Generalstaatsanwältin Baharav-Miara: Die rechts-religiöse israelische Regierung stimmte dafür, die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zu entlassen. Die Regierung habe kein Vertrauen zu ihr und könne mit ihr nicht effektiv zusammenarbeiten. Die Generalstaatsanwältin hat unter anderem die Aufgabe, Regierungsentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. In der Vergangenheit zweifelte sie häufig die rechtliche Grundlage des Regierungshandelns an. Die Opposition reichte umgehend eine Petition beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser stoppte die Entlassung in einer einstweiligen Verfügung und untersagte der Regierung, eine Nachfolger:in für Baharav-Miara zu ernennen. Der Gerichtshof will die Einsprüche binnen 30 Tagen prüfen. Es berichten FAZ (Christian Meier), spiegel.de und zeit.de.
Israel – Rolle des Rechts: Rechtsprofessor Or Bassok untersucht auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) die Doppelrolle des Rechts in Israels Innenpolitik und im Krieg Israels gegen Gaza. Während das Recht innenpolitisch der “Rettung der Demokratie” als “mächtiges Instrument diene, um die Regierung davon abzuhalten, die Demokratie institutionell abzubauen”, legitimiere es in Hinblick auf Gaza Gräueltaten. Bassok weist darauf hin, dass die in Israel als “Wächterin von Menschenrechten” gefeierte Generalstaatsanwältin Baharav-Miara gleichzeitig “die Gräueltaten in Gaza aktiv rechtlich gedeckt” hat.
Rechtspolitik
Bundestags-Wahlrecht: Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) will das Bundestags-Wahlrecht, das den Bundestag von 735 auf 630 Sitze verkleinerte, erneut ändern. Sie kritisiert, dass nicht jeder Wahlkreisgewinner einen Sitz im Bundestag erhält. Dadurch entstehe ein “Legitimierungsproblem gegenüber der Bevölkerung und ein Repräsentationsproblem”. Sie selbst wolle keine Vorschläge unterbreiten, sondern habe die Fraktionen gebeten, “sich des Themas anzunehmen”. Es berichten faz.net, taz (Cem-Odos Gueler), spiegel.de und zeit.de. Im Frage-Antwort-Format erläutert die SZ (Robert Roßmann) die bisherigen Wahlrechtsdebatten und -reformen sowie mögliche Änderungsansätze. Beispielsweise könnte die Zahl der Wahlkreise reduziert oder eine alte Regelung wieder eingeführt werden, wonach die ersten drei Überhangmandate nicht mit Sitzen für die anderen Parteien ausgeglichen werden müssen.
Katharina Riehl (SZ) kritisiert den Vorstoß Klöckners als “Scheindebatte” und fragt, ob es “besonders sinnvoll ist, bei den Wählerinnen und Wählern gezielt den Eindruck zu erwecken”, dass sie ihre Stimme in einem unfairen System abgegeben hätten. Auch Daniel Deckers (FAZ) warnt davor, dass “das Wahlrecht der Spielball wechselnder Mehrheiten” bleibt und dadurch das “Vertrauen in die Parteiendemokratie noch mehr” leidet.
BVerfG-Richterwahl/Brosius-Gersdorf: Felix Keßler (spiegel.de) appeliert an Frauke Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur nicht zurückzuziehen, weil “unstrittigerweise zuvorderst die Union selbst für die geplatzte Wahl verantwortlich ist”. “Gesichtswahrend” wäre ihr Rückzug nur für die Union.
Justiz
OLG Dresden – Spionage für China: Am heutigen Dienstag beginnt am Oberlandesgericht Dresden der Strafprozess gegen Jian G. Er ist angeklagt wegen schwerer geheimdienstlicher Tätigkeit nach § 99 StGB. Er war seit 2002 Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes und sammelte von 2019 bis 2024 als Assistent im Abgeordnetenbüro von Maximilian Krah (AfD) im Europäischen Parlament Informationen und vertrauliche Dokumente, die er chinesischen Stellen weiterreichte. Angesetzt sind 13 Verhandlungstage bis Ende September, so LTO.
EuGH zu sicheren Herkunftsstaaten: Nun befasst sich auch spiegel.de (Dietmar Hipp) im Frage-Antwort-Format mit der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur gesetzlichen Einstufung von “sicheren Herkunftsstaaten”. Rechtsprofessor Daniel Thym findet das Urteil “nicht wegweisend” und auch “nicht besonders überraschend”. Für Deutschland ändere sich wohl nur, dass die bisher geheimen Lageberichte des Auswärtigen Amts künftig veröffentlicht werden müssen, soweit darauf eine Einstufung gestützt wird.
Gunnar Schupelius (bild.de) befürchtet, dass nun die “Einstufung eines Herkunftslandes als sicher praktisch torpediert” werde. Die Luxemburger Richter:innen urteilten “weltfremd und vermessen” und griffen in “nationale Hoheitsrechte ein”.
EuGH zu CAS-Schiedssprüchen: Nun spricht auch spiegel.de (Benjamin Knaack) mit einem Sportrechtsexperten über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach Schiedssprüche des Internationalen Sportgerichtshofs CAS der Kontrolle nationaler Gerichte unterliegen. Anwalt Paul Lambertz bemängelt die derzeitige Ausgestaltung des CAS als intransparent. Er plädiert für eine “ordentliche Schiedsgerichtsbarkeit, die allen Interessen, auch denen der Athleten, die eigentlich keine Stimme haben, gerecht wird”.
Auf beck-aktuell schreibt Rechtsprofessor Walther Michl, dass das EuGH-Urteil zurückhaltender war als der Schlussantrag der Generalanwältin. Während diese den EU-Gerichten eine Überprüfung von CAS-Urteilen am gesamten EU-Recht zubilligen wollte, sehe der EuGH nur eine Überprüfung am ordre public der EU vor, zu der das primärrechtlich verankerte Wettbewerbsrecht und die Grundfreiheiten des Binnenmarktes zählen. Denkbar sei nun aber eine “Sitzaufspaltung des CAS”, der heute in der Schweiz sitzt. Danach könnte ein CAS-Sitz in einem EU-Staat Fälle mit EU-Bezug behandeln. Ein anderer CAS-Sitz außerhalb Europas würde die übrigen Fälle behandeln und so auch noch die Anwendung der EMRK vermeiden.
BAG zu verspäteter Zielvorgabe: Nun stellen auch die Rechtsanwälte Daniel Wasser und Matthias Hinz im Expertenforum Arbeitsrecht eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Februar zum Schadensersatz von Arbeitnehmer:innen bei nicht oder nur verspätet erfolgter Zielvorgabe durch den Arbeitgeber vor. Zwar sei eine Prognose zu sinnvollen und realistischen Zielen für Arbeitgeber:innen zu Beginn eines Betrachtungszeitraums häufig nicht möglich. Eine Vorgabe ist jedenfalls nach drei Viertel des betreffenden Zeitraums verspätet, weil ihre Motivations- und Anreizfunktion wegfalle.
OLG Hamm zu Unterschrift bei Beschluss: Der Beschluss eines Einzelrichters ist auch ohne Unterschrift wirksam, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der aktenkundigen Begleitumstände ergibt, dass nicht nur ein Beschlussentwurf ausgefertigt wurde. Damit wies das Oberlandesgericht Hamm die sofortige Beschwerde eines Beschuldigten gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers qua Beschluss ab, so beck-aktuell.
VG Frankfurt/M. zu Filmen der Polizei: Das Filmen einer polizeilichen Aufforderung gegen einen Demonstranten auf einem frei zugänglichen Marktplatz ist nicht strafbar, weil die Aufforderung in einer “faktischen Öffentlichkeit” erfolgte und es sich damit nicht um vertraulich gesprochene Worte im Sinne des § 201 StGB handelte. Das entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt/M., das einen wegen der vermeintlichen Straftat ausgesprochenen Platzverweis für rechtswidrig erklärte. beck-aktuell berichtet.
VG Augsburg zu Biberjagd: Auf Antrag des Bund Naturschutz (BN) hat das Verwaltungsgericht Augsburg die Abschussverfügung für Biber einer Kreisbehörde im Landkreis Oberallgäu erneut vorläufig außer Kraft gesetzt. Die erste Allgemeinverfügung hatte das VG Augsburg im November 2024 gestoppt, weil der BN nicht wie erforderlich eingebunden worden war. Die zweite Allgemeinverfügung genüge nun nicht den Bestimmtheitsanforderungen, weil nicht erkennbar sei, in welchen Bereichen die Biber geschossen werden dürfen. LTO berichtet.
LG Hannover – korrupter Staatsanwalt: Vor dem Landgericht Hannover beteuert der Staatsanwalt Yashar G., der eine Drogenbande gegen Geld vor laufenden Ermittlungen gewarnt haben soll, weiterhin seine Unschuld. G. wirft dem niedersächsischen Landeskriminalamt vor, wesentliche Teile der Kommunikation der Drogenbande unterschlagen zu haben, die zeigen, dass die Drogenhändler bereits vor dem ersten G. vorgeworfenen Geheimnisverrat von der Überwachung wussten. Wie die FAZ (Reinhard Bingener) schreibt, hat das LG Hannover mittlerweile bis Ende Februar 2026 terminiert.
Recht in der Welt
Österreich – Jimi Blue Ochsenknecht: Am 22. August findet die Verhandlung vor dem Landgericht Innsbruck gegen den Schauspieler Jimi Blue Ochsenknecht statt. Ochsenknecht ist des schweren Betrugs angeklagt ist, weil er eine Hotelrechnung in Höhe von 14.000 Euro trotz mehrerer Mahnung und Ratenzahlungsangebote seit Ende 2021 nicht bezahlt hatte. Es berichten FAZ (Julia Anton), LTO, spiegel.de und focus.de.
Niederlande – booking.com: Vor dem Bezirksgericht Amsterdam haben mehr als 10.000 Hotels, koordiniert u.a. von der Hotel Claims Alliance, eine Schadensersatzklage gegen booking.com für den Zeitraum von 2004 bis 2024 wegen der von booking.com verwendeten Bestpreisklausel eingereicht. Im September 2024 befand der Europäische Gerichtshof diese Klausel auf Vorlage eines niederländischen Gerichts für wettbewerbsrechtswidrig. Die Klausel untersagte es Hotels, ihre Zimmer auf anderen Plattformen oder der eigenen Internetseite preiswerter als auf booking.com anzubieten. FAZ, taz, LTO, spiegel.de und bild.de (Markus Langner) berichten.
Die Erfolgsaussichten für ähnliche Schadensersatzverfahren in Deutschland dürften eher gering sein, weil booking.com hier bereits seit 2015 nach einem entsprechenden Bescheid des Bundeskartellamtes auf die Verwendung der Bestpreisklausel verzichtete, so das Hbl (Christoph Schlautmann).
Palästina – Anerkennung als Staat: Im Interview mit der SZ (Ronen Steinke/Alex Rühle) betont Rula Almhaissen, palästinensische Botschafterin in Schweden, das den Staat Palästina bereits 2014 anerkannte, dass eine “breite Anerkennung der Rechte von Palästinensern die Israelis daran erinnert, dass die Welt es nicht weiter als ‘Normalität’ hinnimmt, dass internationales Recht gebrochen wird, täglich Verbrechen begangen werden”.
USA – Zölle: Rechtsprofessor Doron Narotzki legt auf dem Verfassungsblog (in englischer Sprache) dar, dass Trumps Steuer- und Zollpolitik einer rechtlichen Grundlage entbehre. Keine US-Rechtsnorm erlaube es, dass “Zölle zu einem fiskalischen Instrument zur Steuerung der Inlandsverschuldung werden”. Die Trump-Administration führe stattdessen “historisch hohe Zölle ein, ohne das verfassungsmäßige Verfahren, das eine Debatte im Kongress, seine Zustimmung und die Rechenschaft gegenüber dem Kongress” sicherstellen soll, einzuhalten.
Juristische Ausbildung
Integrierter LL.M.: An der Leuphana-Universität in Lüneburg kann mittlerweile neben dem integrierten Bachelor- auch ein Masterabschluss erworben werden. Das zweijährige LL.M.-Studium beinhaltet den interdisziplinären Schwerpunktbereich “Recht im Kontext” und zwei Semester Examensvorbereitung. LTO-Karriere (Panos Athanasiadis/Pauline Dietrich) stellt das Modell vor.
Sonstiges
Automatisierte Datenanalyse/Palantir: netzpolitik.org (Constanze Kurz) fasst die Kritik an der u.a. von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) geplanten Anschaffung der Palantir-Datenanalysesoftware zusammen. So gebe es “leistungsfähige und rechtsstaatlich kompatible Alternativen” zu Palantir. Der Palantir-Algorithmus sei intransparent, sodass sich “Betroffene nur schwer gegen falsche Verdächtigungen wehren” können und es zu Diskriminierung komme. Der Einsatz dieser Software dürfte außerdem datenschutzwidrig sein.
Katharina Iksandar (FAZ) moniert, dass die “digitale Souveränität Deutschlands” lange “nicht mit bedacht wurde”. Daher bleibe Sicherheitsbehörden derzeit nichts anderes übrig, als Palantir zu nutzen.
Heimliche Überwachung: Rechtsanwältin Anna Luczak kritisiert auf LTO, dass Polizeibehörden (außer dem BKA) ihrer gesetzlichen Pflicht, die Betroffenen von heimlichen Überwachungsmaßnahmen im Gefahrenabwehrrecht nachträglich zu benachrichtigen, fast nie nachkommen. So seien die Maßnahmen einer gerichtlichen Kontrolle entzogen.
BVB vs. AfD: Laut SZ und taz (Jannes Holtherm) geht der Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund gegen den AfD-Kreisverband Dortmund mit einer Unterlassungsaufforderung vor, weil dieser im NRW-Kommunalwahlkamp Sticker mit dem Spruch “Beim Fußball Schwarz-Gelb – Am Sonntag Blau” verteilt. Der BVB argumentiert, dass die Werte der AfD nicht mit denen des Vereins übereinstimmen.
Das Letzte zum Schluss
Kohldampf gehabt? Im nordrhein-westfälischen Werl-Westönnen bemerkte die Polizei vergangene Woche einen 61-Jährigen am Rande eines Kohlackers, der zunächst bestritt, Kohl stehlen zu wollen. Nachdem die Polizei im Kofferraum seines Wagens einen bereits geernteten Kohlkopf fand, gab er zu, “nur mal probieren” zu wollen. Wie bild.de schreibt, wird nun wegen Diebstahls gegen ihn ermittelt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/lh/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Zitiervorschlag
Die juristische Presseschau vom 5. August 2025:
. In: Legal Tribune Online,
05.08.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57832 (abgerufen am:
05.08.2025
)
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