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Russland und Weißrussland planen eine gemeinsame Militärübung mit tausenden Soldaten. Die letzte Übung dieser Art hatte einen Krieg zur Folge.
Moskau/Minsk – Mit erhöhter Wachsamkeit richtet sich der Blick der EU und Nato derzeit auf Weißrussland. In wenigen Wochen werden dort gemeinsame Militärübungen mit Russland stattfinden, bekannt unter dem Namen Sapad-2025. Es ist das erste Mal seit dem Einmarsch in die Ukraine, dass die beiden verbündeten Länder ein solch groß angelegtes Manöver durchführen.
Die Übungen gehen eigentlich bis 2009 zurück und gehören zu einer Routine der Verbündeten, die bis zum Ukraine-Krieg regelmäßig stattfand. Angesichts der angespannten Lage mit Moskau steht aber die Frage im Raum, ob es sich bei Sapad-2025 wirklich nur um eine Übung handelt – oder um eine Vorbereitung auf eine neue Eskalation. Diese Befürchtung hat zumindest der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Bereits im April warnte er, dass Russland in Belarus „etwas vorbereitet“ und Militärübungen als Deckung nutze.
Die Befürchtungen hinter Russlands Manöver Sapad-2025
Selenskyjs Sorge ist nicht unbegründet. Bei der letzten großen gemeinsamen Militärübung unter dem Namen Sapad im Jahr 2021 waren laut damaligen russischen Angaben eine Rekordzahl mit bis zu 200.000 Soldaten und Hunderten Einheiten Kampftechnik beteiligt. Offiziell hatte die „Verteidigungsübung“ auf einem Szenario basiert, in dem eine fiktive Republik die russische Föderation angreift. In Wahrheit diente das Manöver aber als Kriegsvorbereitung gegen die Ukraine, 2022 folgte der Angriff.

Russische Soldaten während einer Übung. (Symbolfoto) © Alexander Reka/IMAGO
Aktuelle Befürchtungen beziehen sich vor allem auf Eskalationen mit EU-Nachbarn von Russland und Belarus. Verbale Drohungen des Kremls gegen Europa lassen nicht nach, die Nato zittert vor einem möglichen Austritt der USA und Experten warnen vor einer Aufrüstung Russlands. Es wird zum Beispiel angezweifelt, dass die erhöhte Präsenz an der Grenze zu Finnland eine rein defensive Maßnahme ist. Bevor Russland Finnland angreift, dürfte Putin aber erst einmal andere EU-Länder im Visier haben.
Moskau streitet jegliche Vorwürfe über aggressive Absichten ab. „Die Übung hat ausschließlich defensiven Charakter und richtet sich nicht gegen Drittländer“, betonte die Leiterin der russischen Delegation, Julia Zhdanova, bei Verhandlungen in Wien über militärische Sicherheit und Rüstungskontrolle im Juni. Die Übung werde sogar gegenüber den ursprünglich geplanten 13.000 Soldaten um fast die Hälfte reduziert und tiefer ins Landesinnere verlegt, um Abstand von den westlichen Grenzen zu nehmen. „Diese Entscheidung zeugt von der Bereitschaft unserer Länder zum Dialog und zum Abbau der Spannungen in der Region“, hieß es in der offiziellen Erklärung.
Russische Militärübungen in Belarus werden zunehmend zum Druckmittel gegen den Westen
Ein Blick in die vergangenen Jahre lässt jedoch an der Glaubwürdigkeit des Kremls zweifeln. Eine Analyse von European Pravda zeigt, dass Sapad-21 kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine nicht die einzige Übung war, die sich später als Deckmantel entpuppte. Große Manöver wurden in den vergangenen Jahren angesichts des Krieges zwar abgesagt. Dafür fanden laut dem Bericht seit Februar 2022 kleinere Manöver statt, die sich vor allem auf die Luftstreitkräfte konzentrieren. „Der Fokus der Übungen verlagerte sich von defensiven zu offensiven Operationen“, schreibt das Portal.
Anfang 2023 habe Russland zum Beispiel Raketensysteme nach Belarus verlegt und dort lufttaktische Übungen durchgeführt. Ein Pentagon-Leck habe später enthüllt, dass die Aktivitäten in Wahrheit den ukrainischen Geheimdienst abschrecken sollten. Weißrussland sollte demnach vor allem als eine reale Gefahr für eine erneute Invasion dargestellt werden. Ein weiteres Beispiel sei die Ankündigung Russlands gewesen, taktische Nuklearwaffen in Weißrussland zu stationieren. „Seit 2022 werden Militärübungen in Weißrussland somit vor allem als Druckmittel gegenüber dem Westen genutzt“, heißt es.
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Fotostrecke ansehenRussland und Belarus planen mit Sapad-2025 wohl keinen unmittelbaren Angriff auf die EU oder Nato
Sollte Sapad-2025 also als Bedrohung für die Nato und EU angesehen werden? Die kurze Antwort lautet: grundsätzlich ja, aber die Gefahr ist nicht unmittelbar. Russland befindet sich nach wie vor in der Aufrüstungsphase. Zudem gilt die Nato – zumindest solange die USA das Bündnis nicht verlässt – als starker Gegner.
Ähnlich sieht das auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Auf Nachfrage eines Reporters sagte er auf einer Pressekonferenz im Juni: „Unser Bündnis ist heute so stark, dass Russland, wenn es heute etwas versuchen würde, weiß, dass unsere Reaktion verheerend sein wird. Es wäre also sehr, sehr unklug von (…) Putin oder seinem Kumpanen in Belarus (…) irgendetwas gegen uns zu unternehmen. Aber natürlich müssen wir sicher sein, dass wir in drei, fünf, sieben Jahren noch genauso stark sind wie heute.“
Warum Russlands Manöver Sapad-2025 trotzdem „Anlass zu ernsten Bedenken“ gibt
Ein Risiko stellt das Manöver trotzdem dar, wenn auch auf anderen Ebenen. Darüber informierte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Kaja Kallas, Ende Juli. Auf eine Anfrage aus dem Europäischen Parlament, wie die EU zu dem Manöver in Belarus steht, antwortete Kallas: „Die Übung Sapad-2025 gibt Anlass zu ernsten Bedenken in Bezug auf die Cybersicherheit und den Informationsbereich.“
Die Vizepräsidentin kündigte Maßnahmen an, die die Widerstandsfähigkeit der EU in diesem Bereich stärken sollen. Diese seien vor allem in den Mitgliedstaaten wichtig, „die in der Vergangenheit stärker von Einflussnahme durch den Kreml betroffen waren“, ergänzte sie. „Die EU bereitet sich aktiv auf hybride Bedrohungen vor, einschließlich potenzieller Sicherheits-, Cyber- und hybrider Bedrohungen aus dem Ausland.“
Die EU habe Russland und Belarus zudem aufgefordert das Wiener Dokument der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aus dem Jahr 2011 vollständig einzuhalten. Militärische Aktivitäten, an denen mehr als 9.000 Soldaten beteiligt sind, müssen demnach im Voraus angekündigt werden. Aktivitäten mit mehr als 13.000 Soldaten müssen zwingend beobachtet werden. Laut Kallas habe Belarus seine Absicht angekündigt, die OSZE-Mitgliedstaaten zu benachrichtigen und internationale Beobachter vor Ort einzuladen. (no/dpa)