Mit den USA weiter zu verhandeln, ist wichtig. Noch wichtiger ist, dass sich die Schweiz auf ihre Stärken besinnt. Sicher nicht hilfreich ist die Selbstzerfleischung, zu der einzelne bereits übergehen.

Peter Klaunzer / Keystone
Es hat etwas Demütigendes. Während Donald Trump am TV abschätzig über die Schweizer Bundespräsidentin herzog, sass diese im Flugzeug. Eilends reiste Karin Keller-Sutter am Dienstag nach Washington, in der Hoffnung, die haarsträubenden Zölle des US-Präsidenten doch noch irgendwie abwenden zu können. Man braucht eine sehr flexible Eitelkeit, um das Amt als Bundesrätin auszuüben.
Im Flugzeug sassen nebst Keller-Sutter auch der Wirtschaftsminister Guy Parmelin sowie zwei Staatssekretärinnen. Der improvisierte Bittgang auf höchstem Level ist erniedrigend, aber auch unerlässlich. Trump hätte es verdient, ignoriert zu werden. Aber die USA sind als Markt zu bedeutend, um es tatsächlich zu tun.
So wichtig es ist, dass der Bundesrat allen Rückschlägen zum Trotz unbeirrt weiter verhandelt, so naiv wäre es, eine dauerhafte Lösung zu erwarten. Nach allem, was Trump in seiner noch jungen zweiten Amtszeit bereits gemacht hat, sollte die Schweiz nicht davon ausgehen, dass sich bis Anfang 2029 so etwas wie Vertrauen, Planbarkeit oder Zuverlässigkeit einstellt. Unter diesem Präsidenten bleiben die USA die unberechenbaren Staaten von Amerika. Seien es Zölle, seien es Medikamentenpreise, seien es Firmensteuern: Trump hat viele Hebel – und wenig Skrupel.
Perfides Schwarzpeterspiel
Wie soll die Schweiz damit umgehen? Das Dümmste wäre, sich spalten zu lassen. Selbstzerfleischung ist das Letzte, was die Schweiz jetzt brauchen kann. Doch erste Anzeichen sind bereits zu erkennen. Der Chef des Uhrenherstellers Breitling stellte die Pharmabranche an den Pranger und verlangte, der Bundesrat solle sie zu Preissenkungen in den USA bewegen.
Auch das politisch-mediale Schwarzpeterspiel hat bereits begonnen. Notorische EU-Gegner werfen den Bundesräten Ignazio Cassis und Beat Jans vor, den USA-Deal mittels Mitberichten hintertrieben zu haben, damit die neuen EU-Verträge bessere Chancen hätten. Wenn das wahr wäre, wäre es ein ausgemachter Skandal.
Doch die Realität sieht laut zuverlässigen Quellen in Bern anders aus: Jans’ Eingaben bewirkten keine Verzögerungen. Und Cassis hat in der fraglichen Zeit gar keinen Mitbericht gemacht. Von ihm soll es einen einzigen Mitbericht zum USA-Deal geben, der stammt aber bereits von Mitte April – und darin hat Cassis entgegen den Vorwürfen Ideen formuliert, die eine Einigung mit den USA erleichtern sollten. Konkret regte er an, Trump eine Rüstungsbeschaffung anzubieten: Die Schweiz könnte in den USA ein militärisches Transportflugzeug für Evakuierungen und dergleichen kaufen – ein altes Thema in der Schweiz.
Was daraus wurde, ist unklar. Klar ist, dass der Bundesrat nur Erfolg hat, wenn er kollegial agiert. Bisher scheint ihm dies weitgehend zu gelingen.
Ohne Kurzarbeit geht es nicht
Entscheidend ist, dass die Schweiz jetzt nicht nur die Gespräche mit den USA fortsetzt, sondern auch Fragen angeht, die sie direkt beeinflussen kann. Es ist eine alte Wahrheit, dass das Land keine Aussenpolitik betreibt, die diesen Namen tatsächlich verdient. Von ihren Wurzeln her, in ihrem ganzen Staatsaufbau ist sie so stark mit sich selbst beschäftigt, dass alles, was ringsum passiert, in erster Linie stört.
Man beklagt gern (und oft zu Recht) die aussenpolitische Führungslosigkeit oder die fahrige Krisenbewältigung der Schweiz – aber wehe dem Bundesrat, der ernsthaft versuchen würde, diese Führungsrolle zu übernehmen. Es wird nicht geschehen, dafür ist gesorgt, solange das Gremium aus Vertretern aller grossen Parteien besteht. Abgesehen davon würde vielleicht auch der beste Krisenstab an Trump scheitern.
Was die Schweiz hingegen vergleichsweise gut beherrscht, ist die Innenpolitik. Hier sollte die Politik nun auch ansetzen, um die Schäden zu lindern, die Trumps Zölle anrichten. Unmittelbar drängt sich eine Verlängerung der Kurzarbeit auf zwei Jahre auf, um unnötige Konkurse zu vermeiden. Das ist unschön, weil damit auch Firmen durchgefüttert werden, die nicht mehr überlebensfähig sind. Aber angesichts der drohenden Zölle ist dieses Risiko in Kauf zu nehmen.
Mit der EU ins Reine kommen
Die Politik sollte alles unternehmen, damit die Schweiz bleibt, was die USA nicht mehr sind: stabil und berechenbar. Das beginnt bei den Finanzen. Die drohenden Defizite beim Bund zu verhindern, ist mit den drohenden Verwerfungen nicht nur schwieriger, sondern auch wichtiger. Ohne gesunde Finanzen gerät alles ins Rutschen. Die Schweiz muss wieder Prioritäten setzen.
Grotesk wäre, die Wirtschaft mit höheren Abgaben zusätzlich zu belasten, wie dies nicht nur die linken Parteien planen, sondern auch die Mitte. Der erneute Ausbau der AHV, den sie gemeinsam anstreben, war schon vor Trump falsch. Ebenso klar sollte sein, dass die Schweiz den Handel mit möglichst vielen anderen Partnern absichern muss, wenn es mit den USA harzt. Das gilt für die Freihandelsabkommen mit Indien und den südamerikanischen Mercosur-Staaten, und das gilt erst recht für die neuen Abkommen mit der wichtigsten Partnerin überhaupt, der EU.
Kurzum: Dass die Schweiz mit Trump einen Deal findet, ist wichtig. Dass sie sich auf ihre Stärken besinnt, ist noch wichtiger.