Stand: 07.08.2025 22:15 Uhr

Sulaiman Tadmory floh 2015 vor dem Krieg in Syrien. Nun ist Diktator Assad weg, der Krieg vorbei – und Panorama-Reporter Tadmory steht wie Tausende Syrer vor der Frage: zurückgehen – oder in Deutschland bleiben? 

von Robert Bongen, Katharina Schiele, Jonas Schreijäg, Sulaiman Tadmory

Ist es Zeit zu gehen? Für den deutsch-syrischen Journalisten Sulaiman Tadmory eine hochaktuelle Frage – in doppelter Beziehung. Einerseits, weil sie für viele aus Syrien Geflüchtete bis zum Sturz des syrischen Diktators Assad undenkbar war. Aber andererseits auch, weil die Kritik an Migration und Asyl in Deutschland massiv zugenommen hat. 

Zehn Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland begibt sich Tadmory – inzwischen deutscher Staatsbürger, wie viele ehemalige syrische Geflüchtete – auf eine persönliche Reise, um herauszufinden, ob er in Deutschland noch eine Zukunft hat und ob es sie in Syrien geben könnte. Gibt es für ihn hier zwischen wachsendem Rassismus und radikalen Rufen nach “Remigration” noch einen Platz? Existiert “sein” Syrien nach mehr als 13 Jahren Krieg überhaupt noch?

Rund 4.000 syrische Staatsangehörige haben im ersten Halbjahr 2025 Deutschland verlassen, um in ihr Heimatland zurückzukehren.

Davon haben 995 Personen die Möglichkeit genutzt, ihre Ausreise im Rahmen des Rückkehrprogramms “REAG/GARP 2.0” von Bund und Ländern bezuschussen zu lassen. Gezahlt werden eine Starthilfe (1.000 Euro pro Person, maximal 4.000 Euro pro Familie) sowie eine Reisebeihilfe (200 Euro für Erwachsene, 100 Euro für Minderjährige). Außerdem werden die Reisekosten und gegebenenfalls medizinische Kosten übernommen.

Darüber hinaus sind nach Panorama-Recherchen 193 Ausreisen mit Förderungen durch landeseigene Programme einzelner Bundesländer erfolgt. Die Zahl dürfte noch etwas höher liegen, da Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Anfrage nicht beziffern konnten, wieviele der Antragsteller tatsächlich bereits ausgereist sind.

2.727 syrische Staatsangehörige haben Deutschland bis Ende Juni ohne Förderung verlassen. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums wird dabei allerdings nicht erfasst, ob ihr Zielland wirklich Syrien oder ein anderer Staat war.

Derzeit leben rund eine Million syrische Staatsangehörige in Deutschland, die meisten sind 2014 und 2015 vor dem syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland geflüchtet.

“Plan B” für den Fall einer AfD-Regierung

Sulaiman Tadmory und seine Mutter Samira im Hamburger Hafen

Sulaiman Tadmory mit seiner Mutter Samira im Hamburger Hafen.

Tadmory, heute Reporter bei Panorama und STRG_F, reist nicht nur zurück in seine alte Heimatstadt Homs, sondern trifft sich mit verschiedenen Syrerinnen und Syrern in Deutschland, die unterschiedliche Perspektiven und Antworten auf diese Frage haben.

Mohammed, Metallbauer aus Dortmund, hat beschlossen, im Rahmen des freiwilligen Rückkehrprogramms der Bundesregierung endgültig wieder nach Syrien zu gehen. Seine Entscheidung ist getrieben von dem Wunsch, wieder bei seiner Familie sein zu können und das kriegsgeplagte Land mit seinen neu erworbenen Kenntnissen wieder aufzubauen.  

Leen, eine Studentin, die zusammen mit ihrer Mutter, einer Alawitin, in Berlin lebt, ist dagegen der Überzeugung, dass Deutschland trotz aller politischen Spannungen und Herausforderungen der sicherere Ort für sie beide ist. Sie sehen hier ihre Zukunft, da sie glauben, dass das Land eine größere Freiheit und Sicherheit bietet als Syrien unter einer islamistischen Regierung.

Maher, ein Zahnmediziner im Münsterland, entwickelt gemeinsam mit seiner deutschen Verlobten einen “Plan B” – einen Notfallplan für den Moment, falls die AfD in Deutschland an die Macht kommen sollte. Die Auseinandersetzung mit diesem Szenario zeigt die Unsicherheit und die Ängste, die viele Angehörige der syrischen Gemeinschaft in Deutschland zunehmend umtreiben.

Video:
Sulaiman Tadmory, Journalist und Autor, zur Panorama-Reportage „Zeit zu Gehen?“ (6 Min)

Wieviel Heimat ist in Deutschland möglich?

Ist Heimat in Deutschland möglich? Und falls ja: Unter welchen Bedingungen? Fragen, die außer Tadmory alle Menschen betreffen, nicht nur mit syrischer Migrationsgeschichte. Fragen, die er in Interviews den Politikerinnen und Politikern stellt, die derzeit die Debatte bestimmen und die Entscheidungen treffen. 

Wie die Deutschen über die Rückkehr syrischer Geflüchteter nach dem Sturz von Baschar Al-Assad denken, zeigt eine repräsentative Umfrage des Instituts infratest dimap im Auftrag von Panorama.

Demnach befürworten 52 Prozent der Befragten, dass diejenigen, die nicht gut integriert sind, nun zügig zurück in ihre Heimat gehen sollten. 25 Prozent plädieren für eine generelle zügige Rückkehr aller syrischen Geflüchteten, also unabhängig vom Grad der Integration. 13 Prozent sind gegen eine Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt, weitere vier Prozent generell gegen eine Rückkehr.

Die repräsentative Befragung von infratest dimap fand vom 30. Juni bis 02. Juli 2025 unter 1.312 Wahlberechtigten in Deutschland statt. Die detaillierten Charts zur Umfrage finden Sie hier.

“Zeit zu gehen? Deutschland, Syrien und ich” ist ein Film, der weit über die individuellen Schicksale hinausgeht: Wieviel Heimat ist in einem Deutschland noch möglich, das offenbar mehr Abschiebungen und eine härtere Asylpolitik zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt?

Die detaillierten Ergebnisse der repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag von Panorama/NDR.

Collage mit den Porträts von sechs Deutschen mit Migrationsgeschichte, die im Panorama-Beitrag zu Wort kommen.

51 Prozent aller Deutschen mit Migrationshintergrund bereiten Pläne zu Massenabschiebungen große oder sehr große Angst. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des ARD-Magazins Panorama ergeben.