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Stand: 08.08.2025 16:59 Uhr

Deutschland schränkt ab sofort Waffenlieferungen an Israel ein. Wie erklärt Bundeskanzler Merz den Schritt? Und was ist über Art und Umfang von deutschen Rüstungsexporten nach Israel bekannt? Ein Überblick.

Wie hat Kanzler Merz die Entscheidung begründet?

Das israelische Sicherheitskabinett hat beschlossen, dass die Kontrolle über die gesamte Stadt Gaza übernommen werden soll. Das ist der Grund für die deutliche Änderung in der deutschen Nahostpolitik und für die deutlichen Worte von Bundeskanzler Friedrich Merz.

Merz betonte in einer Pressemitteilung das Recht Israels, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Der Kanzler sagt, es müsse darum gehen, dass die Geiseln freikommen, die immer noch in den Händen der Hamas sind. Und es müsse einen Waffenstillstand geben. Die Hamas dürfe in der Zukunft keine Rolle mehr in Gaza spielen.

Das ist die Einleitung. Und dann kommt der Kanzler zu dem Schluss, dass das vom israelischen Kabinett beschlossene, “noch härtere militärische Vorgehen” im Gazastreifen aus Sicht der Bundesregierung immer weniger erkennen lasse, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Deshalb werde die Bundesregierung “bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern” genehmigen, “die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können”.

Um welche Waffen geht es?

Da muss man jetzt schauen: Was liefert Deutschland an Israel? Panzerabwehrwaffen und Munition zum Beispiel – die können auch in Gaza eingesetzt werden. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linkspartei teilte sie Anfang Juni mit, Lieferungen nach Israel umfassten “unter anderem Feuerwaffen, Munition, Waffenteile, spezielle Ausrüstung für Heer und Marine, elektronische Ausrüstung sowie Spezialpanzer”. Die Aussage bezieht sich auf den Zeitraum vom 7. Oktober 2023 bis zum 13. Mai 2025.

Weiter spezifiziert werden die Rüstungsgüter nicht. Es werden diverse sogenannte Ausfuhrlistenpositionen genannt (A0001 bis A0022), die laut Außenwirtschaftsverordnung wiederum in Unterkategorien gegliedert sind.

In der Vergangenheit hatte Deutschland aber auch U-Boote geliefert, die in Gaza nicht zum Einsatz kommen. Und nicht betroffen wären auch Waffen, die zum Beispiel eingesetzt werden können, um sich gegen Angriffe aus dem Iran zu verteidigen.

Wie haben sich die Waffenlieferungen nach Israel entwickelt?

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Zahl der Waffenexporte nach dem Terrorüberfall der Hamas deutlich angestiegen war. Sie ging dann allerdings auch wieder stark zurück.

Im Zeitraum vom 7. Oktober 2023 bis zum 13. Mai 2025 wurden nach Angaben der Bundesregierung Rüstungsexporte nach Israel im Gesamtwert von mehr als 485 Millionen Euro genehmigt. Darunter waren Handfeuerwaffen, großkalibrige Waffen, Munition, Bomben, aber auch Schutzausrüstung, Software und Elektronik.

Im Jahr 2024 hat die Bundesregierung nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums Waffenlieferungen nach Israel im Wert von 161 Millionen Euro genehmigt. Von Januar bis März 2025 hat sie Rüstungsexporte nach Israel in Höhe von knapp 28 Millionen Euro genehmigt.

Woher bekommt Israel Waffenlieferungen?

Israel war laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI im Zeitraum von 2019 bis 2023 der 15. größte Waffenimporteur weltweit. In diesem Zeitraum wurde das Land vor allem von den USA, Deutschland und Italien mit Waffen beliefert.

Die USA waren demnach mit 69 Prozent der größte Waffenlieferant in dem Zeitraum. Deutschland hatte einen Anteil von 30 Prozent – hauptsächlich wurde die israelische Marine beliefert. Italien hatte einen Anteil von 0,9 Prozent an den Waffenlieferungen an Israel.

Wie schätzen Experten die Auswirkungen des Schrittes ein?

Ein Experte für Waffenlieferungen rechnet nach der angekündigten Aussetzung von Exporten Deutschlands nach Israel nur mit begrenzten Auswirkungen. Deutsche Unternehmen seien für 30 Prozent der israelischen Militärimporte zuständig, erklärte Zain Hussain vom Internationalen Institut für Friedensforschung von Stockholm. Der Großteil davon betreffe Ausrüstung für die Marine. “Deutschland hat sich dafür eingesetzt, Israel mit Waffen auszustatten, vor allem mit Schiffen.”

Hussain verwies auf die tiefe Unterstützung Deutschlands für Israel und die engen Beziehungen bei der Verteidigung. In Deutschland hergestellte kleine Kriegsschiffe mit fortschrittlicher Radar- und Kanonen-Ausstattung vom Typ Sa’ar hätten im derzeit laufenden Krieg zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas Ziele im Gazastreifen beschossen, sagte Hussain. Es sei “eine große Sache”, dass Deutschland – einer der engsten Verbündeten Israels -, zugebe, sich angesichts des israelischen Vorgehens im Gazastreifen unwohl zu fühlen. “Dennoch denke ich nicht, dass das allein Israels Einsätze in Gaza stoppen wird, und Israel hat noch immer die USA als engagierten Waffenlieferanten”, sagte Hussain.

Wie fallen die Reaktionen auf Merz’ Entscheidung aus?

Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) unterstützte den Kanzler und nannte den Stopp der Waffenlieferungen “eine richtige Entscheidung”. Das humanitäre Leid in Gaza, für das die israelische Regierung eine große Verantwortung trage, sei unerträglich. Der SPD-Chef betonte, dass keine weiteren Fakten geschaffen werden dürften, die einer Zwei-Staaten-Lösung entgegenstünden, weder in Gaza noch im Westjordanland. “Dem Staat Israel gilt unsere volle Solidarität, aber Falsches muss benannt werden”, sagte Klingbeil.

Kritik kam vom Zentralrat der Juden und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Zentralratspräsident Josef Schuster sprach von einer “enttäuschenden” Entscheidung, die allen Solidaritätsbekundungen des Kanzlers widerspreche. Die DIG bezeichnete den Schritt als “Punktgewinn der Hamas im globalen Propagandakrieg”.

Die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion, Lea Reisner, bezeichnete die Entscheidung hingegen als einen “überfälligen Schritt” und forderte weitere Maßnahmen, unter anderem die Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens und die Anerkennung Palästinas.

Den Grünen geht der Schritt nicht weit genug. Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte der Nachrichtenagentur dpa: “Kanzler Merz und sein Außenminister Wadephul müssen sich jetzt mit Nachdruck für einen politischen Prozess einsetzen. Es braucht jetzt ernsthaften Druck für ein Ende des Kriegs und der humanitären Katastrophe, die Freilassung der Geiseln sowie eine politische Perspektive.”

Mit Informationen von Gabor Halasz, ARD-Hauptstadtstudio