Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat eine “faktische” Anerkennung der russischen Kontrolle über besetzte ukrainische Gebiete als Möglichkeit bezeichnet. Es könne “beispielsweise in einem künftigen Abkommen” anerkannt werden, dass Russland “de facto einen Teil des Territoriums der Ukraine kontrolliert”, sagte Rutte dem US-Fernsehsender ABC News in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview. Es müsse sich aber um eine “faktische” Anerkennung handeln und keine juristische, fügte Rutte an.
Rutte äußerte sich im Vorfeld des Treffens von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin am Freitag im US-Bundesstaat Alaska. Am Sonntag sagte der US-Botschafter bei der Nato, Matthew Whittaker, auch eine Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei “sicherlich möglich”.
Dreier-Gipfel möglich?
Nach Angaben von Vizepräsident JD Vance arbeitet die US-Regierung bereits an der Terminierung eines Dreiertreffens von Trump, Putin und Selenskyj. Washington versuche derzeit, “den Zeitplan und solche Dinge zu klären, damit diese drei Staatschefs sich zusammensetzen und über ein Ende dieses Konflikts diskutieren können”, sagte Vance am Sonntag dem US-Sender Fox News.
Für Gespräche über eine Beendigung der Kämpfe in der Ukraine sei einer der “größten Knackpunkte” bislang Putins Weigerung, sich mit Selenskyj zu treffen, sagte Vance. Mit Bezug auf Trump fügte er jedoch hinzu: “Der Präsident hat nun erreicht, dass sich das geändert hat.”
Gespräche über Gebiete
Als mögliches Ergebnis ukrainisch-russischer Verhandlungen hatte Trump einen “Gebietstausch” zwischen beiden Staaten ins Spiel gebracht. Nato-Generalsekretär Rutte sagte auf ABC News, bei dem Gipfel in Alaska gehe es darum, Putin daraufhin zu “testen”, wie ernst er es damit meine, “diesen schrecklichen Krieg zu beenden”. Es werde über “Territorium” gesprochen werden, aber “selbstverständlich” auch über “Sicherheitsgarantien”.
Dabei werde es auch um die “unbedingte Notwendigkeit” gehen, dass “die Ukraine über ihre eigene Zukunft entscheidet, dass die Ukraine eine souveräne Nation sein muss, die über ihre eigene geopolitische Zukunft entscheidet”, betonte Rutte. Für Kiew dürfe es künftig “keine Begrenzungen für ihre Truppenstärke” geben und für die Nato “keine Begrenzung für unsere Präsenz an der Ostflanke”.
Russland fordert bislang als Voraussetzungen für eine Friedensvereinbarung, dass Kiew seine Truppen aus umkämpften Gebieten zurückzieht und sich zur Neutralität verpflichtet.
Selenskyj besorgt
Unterdessen hat sich der ukrainische Präsident im Hinblick auf das Treffen zwischen Putin und Trump in Alaska alarmiert gezeigt. Selenskyj ortet einen Täuschungsversuch des Kremls. “Wir verstehen die Absicht der Russen, die USA zu täuschen – das werden wir nicht zulassen”, so der ukrainische Präsident in einer Videobotschaft am Sonntagabend.
Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen “und alle zu manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt”.
Ukraine nicht zu Gebietsaustausch bereit
Selenskyj unterstrich indirekt, dass er einen von Trump angestrebten Deal zum Gebietstausch nicht akzeptieren werde. “Wir werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall verteidigen”, betonte er. Und alles, was die Ukraine betreffe, müsse unter Beteiligung der Ukraine entschieden werden.
Dennoch seien sich die Ukraine und ihre Partner der Gefahren bewusst. “Alle sehen, dass Russland keinen einzigen konkreten Schritt in Richtung Frieden unternimmt, keinen einzigen Schritt zu Lande oder in der Luft, der Leben retten könnte.” Deshalb seien weitere Sanktionen und Druck erforderlich. “Es braucht Stärke – vor allem die Stärke der Vereinigten Staaten, die Stärke Europas, die Stärke aller Nationen der Welt, die Frieden und Ruhe in den internationalen Beziehungen wollen.”