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Mit Regierungspolitikern und Nato-Generalsekretär: In Unterlüß nimmt Rheinmetall eine neue Großfabrik für Artilleriemunition in Betrieb. Kritiker kündigen Proteste an.
Das ist offensichtlich keine nebensächliche Begebenheit. Wenn heute Nachmittag um 15 Uhr im niedersächsischen Unterlüß feierlich eine neue Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall eröffnet wird, ist hochrangiger Besuch angekündigt.
Neben Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wird auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte erwartet. Der NDR will live berichten.
Das Werk soll laut Tagesschau bei voller Auslastung bis zu 350.000 Artilleriegranaten des Nato-Standardkalibers 155 Millimeter pro Jahr produzieren. Es wäre dann die größte Munitionsfabrik Europas. Schon in diesem Jahr sollen 25.000 Geschosse die Werkshallen verlassen.
Vor einem Monat stattete der niedersächsische Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) einen Besuch bei dem Werk ab, das laut Rheinmetall-Vorstand Matthias Koll “ein Beispiel” dafür sei, “was möglich ist, in diesem Land”.
Das Politikjournal Rundblick berichtete vom Werksbesuch:
Gemeinsam mit dem geplanten Raketenmotorenwerk, das 2026 eröffnet werden soll, und anderen Maßnahmen investierte der Konzern mehr als 400 Millionen Euro in den Standort. “Wir sind dann in der Lage, an diesem Standort bis zu 300.000 Artilleriegranaten pro Jahr zu schmieden und zu versenden”, erklärte Koll, Finanzchef von Rheinmetall Waffe und Munition.
Die olivgrünen 155-Millimeter-Geschosse sind für die Bundeswehr bestimmt, mit der ein Rahmenvertrag über 8,5 Milliarden Euro besteht. Um darüber hinaus auch Nato-Partner und Verbündete zu beliefern, will Rheinmetall seine konzernweite Produktionskapazität auf 1,7 Millionen Granaten pro Jahr erhöhen – vor Beginn des Ukraine-Kriegs waren es 70.000.
Unterlüß als Schlüsselstandort
Rheinmetall sieht das Werk als Baustein “für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und die künftige militärische Stärke Europas”, wie die Tagesschau zitiert. Tatsächlich ist Unterlüß schon lange ein Schlüsselstandort des Düsseldorfer Konzerns.
Auf dem 50 Quadratkilometer großen Werksgelände werden unter anderem Panzer wie der Leopard 2 oder der Schützenpanzer Puma gefertigt, gewartet und modernisiert. Auch Komponenten für die Panzerhaubitze 2000 entstehen hier.
Dass der Standort nun massiv ausgebaut wird, hat mit dem Ukraine-Krieg zu tun. Die Nachfrage nach Artilleriemunition ist massiv gestiegen, die Produktionskapazitäten sollen daher europaweit hochgefahren werden. Rheinmetall gehört zu den wichtigsten Lieferanten der Ukraine.
Neben der Fabrik in Unterlüß plant der Konzern ein weiteres Munitionswerk in Bulgarien, in das rund eine Milliarde Euro fließen sollen.
Wichtiger Arbeitgeber in der Region
Für die Region ist Rheinmetall mit 3.200 Beschäftigten der wichtigste Arbeitgeber. Durch den Ausbau sollen in den nächsten Jahren 500 weitere Arbeitsplätze entstehen.
Die Gemeinde Südheide erhofft sich durch den Rüstungsboom steigende Gewerbesteuereinnahmen, wie Bürgermeisterin Katharina Ebeling (CDU) mitteilte. Mit dem Geld sollen unter anderem das Schwimmbad saniert und das Bürgerhaus neu ausgestattet werden.
Proteste
Doch es regt sich auch Widerstand. Der “Friedensratschlag Lüneburger Heide” hat anlässlich der Werkseröffnung zu Protesten aufgerufen. “Aus dieser Fabrik kommt nichts Gutes”, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Gruppe kritisiert die Produktion von Waffen und Munition “in der lieblichen Heide” scharf.
Auch in Köln blockierten rund 70 Aktivisten des Bündnisses “Rheinmetall entwaffnen” einen zentralen Zugang zu einem Bundeswehr-Gebäude. Es seien weitere Aktionen geplant, teilte das Bündnis mit.
Unter anderem wurde eine Demonstration vor dem Privathaus von Rheinmetall-Chef Armin Papperger im nordrhein-westfälischen Meerbusch genehmigt.
Gewinnsprung dank Zeitenwende
Für Rheinmetall bedeutet die sogenannte Zeitenwende nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ein Rekordgeschäft. Der Gewinn vor Steuern stieg 2024 um 61 Prozent auf knapp 1,5 Milliarden Euro.
Seit Kriegsbeginn hat sich der Aktienkurs des Unternehmens mehr als verfünfzehnfacht. Neben Joint Ventures in mehreren europäischen Ländern ist Rheinmetall auch Allianzen mit Rüstungsherstellern wie Leonardo in Italien oder Lockheed Martin in den USA eingegangen.
Kritiker sehen die enge Verflechtung von Politik und Rüstungsindustrie skeptisch. Sie befürchten, dass Konzerne wie Rheinmetall massiv von der Aufrüstung profitieren, während an anderer Stelle gespart werden muss.
Zudem bestehe die Gefahr, dass immer mehr Waffen in Krisengebiete geliefert werden und so Konflikte weiter angeheizt werden. Die Eröffnung des Werks in Unterlüß dürfte diese Debatte weiter befeuern.