StartseitePolitik

DruckenTeilen

Russland baut seine militärische Präsenz in der Arktis aus. Die entlegene Region rückt in den Fokus globaler Sicherheit – und Island drängt die Nato zur Wachsamkeit.

Reykjavík – Schmelzendes Eis sorgt für neue Möglichkeiten in der Arktis. Die Rivalen sind die alten: Die Weltmächte Russland, China, die USA ringen dort um die Erschließung von Handelsrouten, Bodenschätzen und die Kontrolle von Seewegen. Die isländische Außenministerin Thorgerdur Katrin Gunnarsdottir macht sich „große Sorgen“ wegen Russlands militärischem Engagement in der Arktis, wie sie dem US-Magazin Newsweek mitteilte. „Die Arktis bleibt ein zentraler Bestandteil der russischen Strategie, und Russlands Aktivitäten in der Region gehen weit über Verteidigungsmaßnahmen hinaus.“

Die isländische Außenministerin Thorgerdur Katrin Gunnarsdottir (Originalschreibweise: Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir) macht sich „große Sorgen“ über Russlands Ambitionen in der Arktis (Symbolbild).

Die isländische Außenministerin Thorgerdur Katrin Gunnarsdottir (Originalschreibweise: Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir) macht sich „große Sorgen“ über Russlands Ambitionen in der Arktis (Symbolbild). © Montage
/ IMAGO / CHROMORANGE / ZUMA Press Wire

Der Klimawandel schreitet in der Arktis viermal schneller voran als im Rest der Welt und gibt nach und nach wertvolle Ressourcen und Seewege frei. Unter dem Eis werden Rohstoffe wie Diamanten, Gold oder Nickel vermutet, es geht aber auch um Öl- und Gasvorkommen sowie Bodenressourcen wie Seltene Erden, Edelmetalle oder Eisen. Russland baut nicht erst seit Beginn des Ukraine-Kriegs seine militärische Präsenz in der Region aus. Die russische Stadt Murmansk in der Arktis und ist Sitz der mächtigen russischen Nordflotte. Als große Stärke gelten die U-Boote der Borei-Klasse, als Hauptstütze der nuklearen Abschreckung Moskaus.

Diese Atom-U-Boote „sind leiser als alle Vorgängerklassen – und damit im Ernstfall deutlich schwieriger zu finden“, hieß es dazu von der Bundeswehr im Jahr 2020. In militärischer Hinsicht gibt es aus Sicht des Verteidigungsbündnisses Nato in der Arktis zudem ein Problem: Dort ist die Allianz nicht so stark aufgestellt wie an anderen Stellen im Bündnis, sagen Experten. Schon jetzt kontrolliert Moskau mehr als die Hälfte der arktischen Küste und sieht im Klimawandel eine Chance für Rohstoffe, aber eine Bedrohung der eigenen Sicherheit, heißt es von Analysten und Vertretern der Nato-Staaten gegenüber Newsweek.

Putins Verbündete: Diese Länder stehen im Ukraine-Krieg an der Seite Russlands

Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen der Gemeinschaft unabhängiger Staaten

Fotostrecke ansehenNato reagiert entschlossen auf Moskaus Machtspiele in der Arktis

Der Geopolitik-Experte Tim Marshall sieht eine „Fortsetzung oder zumindest ein Wiederaufleben der russischen Arktispolitik während des Kalten Krieges“, wie er in seinem Buch „Macht der Geografie“ schreibt. Welche Bedeutung die USA und Russland zuletzt der Region beimaßen, zeigt sich auch an der Zahl der Eisbrecher: Während Moskau 40 besitzt, hat Washington nur ein einziges schweres Eisbrecherschiff, wie US-Luftwaffengeneral Gregory M. Guillot unlängst gegenüber Business Insider bestätigte.

Offenbar gibt es ein Umdenken im Westen: „Als arktische Nation müssen wir diese neue Realität angemessen berücksichtigen und angehen“, sagte Gunnarsdóttir. „Die Nato hat entschlossen auf diese Entwicklungen reagiert“, so die Außenministerin weiter. Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs stellten die USA 2022 eine neue Arktis-Strategie vor. Dazu gehört auch die nötige Präsenz, um das Land zu schützen, hieß es.

Rund drei Jahre später äußerte Russland Interesse an der Erschließung von Bodenschätzen in Alaska. Deshalb hatte es Spekulationen gegeben, dass die USA Moskau beim Alaska-Gipfel wirtschaftliche Angebote machen könnten, um einen Friedensschluss im Ukraine-Krieg zu erreichen. Passiert ist das nicht, beweist aber das wirtschaftliche Interesse des Kreml an der Region.

Ukraine-Krieg lähmt Arktis-Zusammenarbeit: Auch China drängt in die Polarregion

Der Ukraine-Krieg hat offenbar auch die Zusammenarbeit des Arktischen Rats in der Arktis verändert. „Wir können die Tatsache nicht verbergen, dass wir keinen normalen Modus Operandi haben“, sagte Torsten Kjølby Nielsen, ein hochrangiger Arktisbeamter Dänemarks, zu Newsweek. „Nach der groß angelegten Invasion der Ukraine gibt es keine vollwertige Zusammenarbeit mehr, und das hat natürlich Konsequenzen.“ Zu den arktischen Anrainerstaaten zählen neben Russland auch die Nato-Staaten Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Schweden und die USA. Zwar gebe es noch Kontakt zu Moskau, Nielsen wollte aber die genaue Natur der Gespräche nicht nennen.

Laut Kenneth Høegh, dem Vorsitzenden der Senior Arctic Officials, ist der wissenschaftliche Austausch zwischen den arktischen Staaten jedoch stark eingeschränkt. Das erschwert die Arbeit von Tausenden Forschenden, die sich mit der Region befassen. Enger wurde hingegen zuletzt die Zusammenarbeit zwischen China und Russland. „Obwohl China kein arktischer Staat ist, baut es seine Präsenz durch wissenschaftliche, wirtschaftliche und strategische Initiativen aus“, betont Islands Außenministerin Gunnarsdottir. Peking hat mittlerweile die größte Marine der Welt. „All dies gibt Anlass zur Sorge und unterstreicht die Notwendigkeit von Wachsamkeit und Einigkeit unter den Nato-Verbündeten.“

Zwischen Grönland, Island und Großbritannien liegt zudem die sogenannte GIUK-Lücke – eine Meerespassage, die als Verbindung zwischen Atlanik, Nordmeer und Arktis dient. Ihre geografische Lage macht sie strategisch bedeutsam, besonders für russische U-Boote, die darüber in den Atlantik gelangen. An dieser Passage wird die russische Stärke in der Arktis besonders deutlich: Russland wäre derzeit fähig, „im Krisenfall die See- und Luftverbindungen zwischen Nordamerika und Europa zumindest teilweise erheblich zu stören“, heißt es in einer Analyse des Metis Instituts.