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Der türkische Präsident hat sich während seines China-Besuchs auch mit seinen russischen und chinesischen Amtskollegen getroffen. Was wurde besprochen?
Tianjin – Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nimmt an dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im chinesischen Tianjin teil. Am Rande der Konferenz ist Erdogan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin zu bilateralen Gesprächen zusammengekommen. Putin pries dabei die Vermittlungsbemühungen der Türkei im Ukraine-Krieg. Der russische Präsident sei „zuversichtlich, dass die besondere Rolle der Türkei in diesen Angelegenheiten weiterhin gefragt sein wird“. Bei den drei Runden direkter Gespräche mit der Ukraine in Istanbul habe es einige Fortschritte auf humanitärer Ebene gegeben.
Handelsvolumen zwischen Türkei und Russland wächst um 6,6 Prozent
Russland ist weiterhin ein wichtiger Wirtschaftspartner für die Türkei. Putin zeigte sich zufrieden mit der Entwicklung des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Das Handelsvolumen ist laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi (AA) im vergangenen Jahr um 6,6 Prozent gestiegen, und in der ersten Hälfte dieses Jahres noch einmal um rund 3 Prozent. „Es werden gegenseitig Großinvestitionen getätigt. Russische Unternehmen führen bedeutende Projekte in Bereichen wie Metallurgie und Automobilindustrie in der Türkei durch. Türkische Unternehmen sind in Russland breit in den Bereichen Maschinenbau, Metallurgie und Holzverarbeitung vertreten“, zitiert die AA den russischen Staatschef. Vor allem im Energiesektor ist die Zusammenarbeit groß.
Erdogan trifft Putin: Russland besonders im Energiesektor wichtig für Türkei
„Russland ist einer der wichtigsten Erdgaslieferanten der Türkei. Derzeit erfolgt die kontinuierliche Lieferung über die Pipelines Blue Stream und TurkStream durch das Schwarze Meer,“ zitiert AA den russischen Präsidenten. Dank Russland werde die Türkei mit dem Rosatom-Projekt in Akkuyu auch ein Atomkraftwerk haben. Laut Putin laufen die Bauarbeiten dazu weiter, und die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme des ersten Reaktorblocks seien im Gange. Auch im Bereich Tourismus ist Russland wichtig für die Türkei. Laut Branchenmagazin Turizm Aktüel war Russland die Nummer Zwei unter den Staaten, die die meisten Touristen in das Land geschickt hat.

Der türkische Präsident hat sich bei seinem China-Besuch auch mit seinen russischen und chinesischen Amtskollegen getroffen. © dpa/Sun FanyueSOZ-Gipfel – Erdogan trifft auch Xi in Tianjin
Erdogan hat sich auch mit dem chinesischen Machthaber Xi Jinping getroffen. Das türkische Präsidialamt für Kommunikation teilte mit, dass die beiden Staatschefs eine Reihe von Themen erörterten und die wirtschaftliche Zusammenarbeit bewerteten. Auch die Lage in Gaza und der Ukraine-Krieg sowie mögliche gemeinsame Schritte zum Wiederaufbau Syriens standen dabei auf Tagesordnung.
Erdogan unterstützt „Ein-China-Politik“ bei SOZ-Gipfel
Präsident Erdoğan bekräftigte bei dem Treffen seine Unterstützung für die sogenannte „Ein-China-Politik“. Die Lage der muslimischen Uiguren in Xinjiang (Ostturkestan) wurde offenbar nicht erwähnt. Dem muslimischen Turkvolk wird die Ausübung ihrer Religion sowie Kultur von der chinesischen Regierung weitgehend verwehrt. Viele der Uiguren werden zudem in chinesischen Umerziehungs- und Arbeitslagern interniert. Folter, Vergewaltigung und Folter gehören dort zur Tagesordnung, berichten Menschenrechtsorganisationen. „Bislang war die Türkei das einzige Land mit muslimischer Mehrheit, das die Unterdrückung der Uiguren durch Peking auf internationaler Ebene und in bilateralen Beziehungen offen zum Ausdruck brachte. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Chinas Soft-Power-Manöver müssen funktioniert haben, denn Präsident Erdogan erwähnte die Uiguren nicht“, schreibt Yalkun Uluyol, China-Forscher bei Human Rights Watch auf X.
Die Mitglieder der SOZ sind unter anderem China, Russland, Indien, Iran, Pakistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan. Die Türkei ist kein Mitglied und hat den Status eines „Dialogpartners“. Unter Erdogan hat die Türkei weiterhin das Ziel, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Das aber scheint derzeit ausgeschlossen zu sein.
Recep Tayyip Erdoğan: Der Weg zur Macht des türkischen Präsidenten

Fotostrecke ansehenNato-Land Türkei will in EU, aber Türen bleiben zu
Während Erdogan also – als einziger Vertreter eines Nato-Mitgliedsstaates – nach Tianjin reist, wird die Kluft zwischen der Türkei und den Werten sowie Interessen der EU größer. Das betont der Jahresbericht des Europäischen Parlaments, der am Mittwoch angenommen wurde. Der vom spanischen sozialistischen EU-Abgeordneten Nacho Sánchez Amor verfasste Bericht weist darauf hin, dass die Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU „seit 2018 ins Stocken geraten“ sind. Der Beitrittsprozess unter den gegenwärtigen Umständen müsse daher eingefroren bleiben, sagte der Türkei-Berichterstatter des Europäischen Parlaments, im Mai gegenüber Euronews. Zu groß sind die Defizite zwischen der EU und der Türkei, in der neben dem Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu mehr als ein Dutzend weitere Bürgermeister inhaftiert sind. Und ein Ende der Repressalien gegenüber der Opposition und Kritikern des türkischen Präsidenten ist nicht in Sicht. (erpe/dpa/AFP)