
Der norwegische Premierminister Jonas Gahr Støre und seine Regierung stehen vor entscheidenden Tagen.Bild: keystone
Die Norwegerinnen und Norweger sind an diesem Montag zur Parlamentswahl aufgerufen. Die Wahllokale öffnen um 9 Uhr, rund vier Millionen Menschen sind stimmberechtigt.
08.09.2025, 05:0608.09.2025, 05:06
Die Ausgangslage
Aktuellen Umfragen zufolge könnte die sozialdemokratische Arbeiterpartei (Ap) des amtierenden Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen. Der Urnengang hat für ganze Europa Bedeutung – unter anderem, weil Norwegen seit dem Ukraine-Krieg zu den wichtigsten Energielieferanten gehört.
Im Fall eines Wahlsieges würde Ministerpräsident Støre möglicherweise – wie auch bislang – eine Minderheitsregierung anführen. Dann wäre er im Parlament jedoch auf die Unterstützung anderer Parteien aus dem rot-grünen Spektrum angewiesen. Jüngste Umfragen sagen dem rot-grünen Block eine Mehrheit im norwegischen Stortinget voraus.
Die Umfragen zeigen auch, dass die rechtsliberale bis rechtspopulistische Fortschrittspartei (FrP) mit Sylvi Listhaug an der Spitze die zweitstärkste Kraft werden könnte, während den Konservativen (Høyre) der ehemaligen Ministerpräsidentin Erna Solberg eines ihrer schlechtesten Ergebnisse vorhergesagt wird.
Die wichtigsten Themen
Die Themen Klima und Umwelt haben eine grosse Rolle im norwegischen Wahlkampf gespielt. Die Erdöl- und Erdgasproduktion sind die wichtigsten Einnahmequellen des wohlhabenden Landes im Norden – und gleichzeitig seine grössten Klimasünden. Die grüne Partei MDG, die bei Meinungsumfragen auf gut sieben Prozent der Stimmen kommt und für eine mögliche Støre-Regierung eine wichtige Stütze im Parlament werden könnte, möchte neue Öl- und Gasbohrungen anders als Støres Ap nicht mehr zulassen.
Auch die Energiepreise waren ein wichtiges Wahlkampfthema. Obwohl es der norwegischen Wirtschaft im Vergleich zu den meisten EU-Ländern relativ gut geht, hatte auch sie mit Inflation und sinkender Kaufkraft zu kämpfen. Vor einigen Monaten beschloss das Parlament eine Strompreis-Deckelung – ähnlich den deutschen Energiepreisbremsen. Diese angekündigte Entlastung der norwegischen Haushalte bei den Energiekosten könnte der regierenden sozialdemokratischen Ap bei der Wahl zu Stimmen verhelfen.
Vorteile für Sozialdemokraten wegen Stoltenberg
Die guten Umfragewerte der Sozialdemokraten werden aber auch dem sogenannten «Stoltenberg-Effekt» zugeschrieben. Ministerpräsident Støre hatte seinen berühmten Parteikollegen, den ehemaligen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, im Februar als Finanzminister in sein Kabinett geholt. Stoltenberg war von 2000 bis 2001 sowie von 2005 bis 2013 selbst norwegischer Ministerpräsident und ist bei den Wählerinnen und Wählern sehr beliebt.

Beliebt: Jens Stoltenberg übernahm Anfang Jahr den Posten als Finanzminister.Bild: keystone
Stoltenbergs Comeback in der norwegischen Politik kam, nachdem die Regierungskoalition der Sozialdemokraten und der Zentrumspartei (Sp) Anfang des Jahres zerbrochen war. Die EU-skeptische Agrarpartei Sp war im Streit über die Umsetzung von EU-Verordnungen für den Energiemarkt aus der Regierung ausgetreten und Støre musste acht Ministerposten neu besetzen.
Verhältnis zur EU
Das Nato-Land Norwegen ist wie die Schweiz zwar kein Mitglied der EU, mit ihr aber als Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) eng verbunden. Zudem ist es seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ihr wichtigster Gaslieferant. Wie die kommende norwegische Regierung zur Gasförderung steht, könnte also Auswirkungen auf ganz Europa haben.
Das Verhältnis zur EU ist auch in Norwegen ein wichtiges Thema. Ministerpräsident Støre sieht die Zusammenarbeit mit der EU auch aufgrund der sicherheitspolitischen Situation als wichtig an. Eine neue Volksabstimmung über einen EU-Beitritt Norwegens hält Støre – im Gegensatz beispielsweise zu den Grünen und den Konservativen – derzeit jedoch für keine gute Idee.
Montag ist der offizielle Wahltag in dem skandinavischen Land. Doch auch davor konnten die Norwegerinnen und Norweger bereits wählen – gut 1,9 Millionen machten von der Möglichkeit zur vorzeitigen Stimmabgabe Gebrauch. Das entspricht etwa 47 Prozent aller Wahlberechtigten. Mit ersten Hochrechnungen wird kurz nach Schliessung der Wahllokale um 21.00 Uhr (MESZ) gerechnet. (sda/dpa/con)
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