Als erster ehemaliger Staatschef in der Geschichte Brasiliens ist Jair Bolsonaro wegen eines Angriffs auf die Demokratie für schuldig befunden worden – in allen Anklagepunkten. Die USA sehen ihn als Opfer politischer Verfolgung.
Das Oberste Gericht Brasiliens hat Ex-Präsident Jair Bolsonaro wegen eines Putschversuchs zu 27 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Richter verkündeten das Strafmaß am Donnerstag, kurz nach dem sie den 70-Jährigen mehrheitlich für schuldig befunden hatten.
Bolsonaro wurde verurteilt, eine „kriminelle Organisation“ mit dem Ziel angeführt zu haben, durch einen Putsch das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2022 zu kippen, die er gegen den linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva verloren hatte. Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 Staatschef Brasiliens war, weist alle Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer politischer Verfolgung. Der Ex-Präsident selbst war nicht persönlich auf der Anklagebank erschienen. Seit Anfang August befindet er sich wegen Verstößen gegen Auflagen im Hausarrest. Das Urteil war ursprünglich für Freitag angesetzt gewesen.
Die Richter hatten seit Dienstag nacheinander ihre Positionen dargelegt. Nur einer von ihnen stimmte für einen Freispruch. Richter Luiz Fux argumentierte am Mittwoch, das Gericht sei nicht dafür zuständig, ein „politisches Urteil“ zu fällen. Seine vier Kollegen sahen es hingegen als erwiesen an, dass Bolsonaro eine „kriminelle Organisation“ anführte, um sich nach seiner Wahlniederlage an der Macht zu halten. „Brasilien ist fast zur Diktatur zurückgekehrt“, hatte Richter Alexandre de Moraes am Dienstag gesagt.
Bolsonaros Anwälte kündigten an, in Berufung gehen zu wollen. Die verhängte Haftstrafe von mehr als 27 Jahren sei „absurd überhöht und unverhältnismäßig“, hieß es einer Erklärung der Anwälte, die Bolsonaro-Berater Fabio Wajngarten am Donnerstag (Ortszeit) auf X veröffentlichte. Die Verteidigung werde die Urteilsbegründung prüfen und „entsprechende Rechtsmittel einlegen, auch auf internationaler Ebene“, hieß es weiter.
US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Verurteilung als „sehr überraschend“. Bolsonaro sei ein „guter Präsident Brasiliens“ gewesen, sagte Trump am Donnerstag zu Journalisten. „Es ist sehr überraschend, dass das passieren konnte“, fügte er mit Blick auf den kurz zuvor verkündeten Schuldspruch hinzu. Bolsonaro gilt als Verbündeter des US-Präsidenten. Trump zog Parallelen zu den Gerichtsverfahren, die in den vergangenen Jahren gegen ihn geführt wurden. „Das ist so ähnlich, wie sie es mit mir versucht haben, aber sie sind nicht damit durchgekommen“, sagte er.
US-Außenminister Marco Rubio drohte mit Konsequenzen. „Die Vereinigten Staaten werden auf diese Hexenjagd entsprechend reagieren“, schrieb Rubio auf der Plattform X. Trump hatte das Verfahren gegen seinen Verbündeten schon zuvor mehrmals als „Hexenjagd“ kritisiert und mit Strafzöllen und Sanktionen gegen den Vorsitzenden Richter auf den Prozess reagiert. Zudem entzog die US-Regierung den meisten Mitgliedern des brasilianischen Gerichts die Visa.
Rubio schrieb auf X weiter, die politische Verfolgung Bolsonaros durch den Richter Alexandre de Moraes gehe weiter. Richter Moraes hatte das Verfahren gegen den ehemaligen brasilianischen Präsidenten maßgeblich vorangetrieben. Sein hartes Vorgehen gegen Bolsonaro und dessen Verbündete wird von der Linken in Brasilien gefeiert und von der Rechten als politische Verfolgung angeprangert. Dass das Urteil nicht einstimmig ausfiel, könnte den Weg für Anfechtungen ebnen.
Der Prozess war das erste Gerichtsverfahren in Brasilien wegen Putschvorwürfen gegen einen früheren Staatschef. Neben Bolsonaro standen sieben weitere Angeklagte vor Gericht, darunter frühere Minister und Generäle. Sie wurden ebenfalls für schuldig befunden.
AFP/AP/dp