Der Termin war schon länger geplant, aber er eignete sich jetzt natürlich gut, um die Entschlossenheit der europäischen NATO-Staaten nach den russischen Drohnenflügen über polnischem Luftraum zu demonstrieren: Der Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr, Carsten Breuer, besuchte am Freitag (12. September) die schon seit einigen Tagen laufende Militärübung “Quadriga” in Litauen und sprach dabei Klartext: “Die jüngste Verletzung des polnischen Luftraums durch Russland hat wieder gezeigt, wie wichtig unser Engagement ist. Unser Beitrag zur Verteidigung der NATO-Ostflanke ist verlässlich – wir sind bereit, jeden Zentimeter des Bündnisgebiets zu schützen.”

Vier statt zwei deutsche Kampfjets für Polen

Die Bundesregierung in Berlin wollte es parallel dazu nicht nur bei starken Worten belassen: Bereits seit dem Donnerstagabend stellt Deutschland vier statt bisher zwei Eurofighter-Kampfflugzeuge zur Verfügung, um den NATO-Luftraum im östlichen Polen an der Grenze zur Ukraine zu überwachen und zu verteidigen.

Nachdem am Mittwoch die Meldung die NATO aufgeschreckt hatte, dass insgesamt 19 russische Drohnen den Luftraum Polens verletzt hatten, traten auch in  Berlin die Spitzen der Regierung vor Kameras und verurteilten den Vorfall mit harten Worten.

Waren erste Reaktionen noch eher zurückhaltend ausgefallen, weil unklar war, ob es sich um Irrflüge oder gezielte Provokationen handelte, klang Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Abend schon entschieden: “Russland hat in Polen Menschenleben enthaft gefährdet. In einem Land, das der NATO angehört und das der Europäischen Union angehört. Dieses vollkommen rücksichtslose Vorgehen der russischen Regierung reiht sich ein in eine ganz lange Kette von Provokationen, die wir seit Monaten im Ostseeraum und an der Ostflanke der NATO sehen.”

Bundeskanzler Friedrich Merz blickt bei der Kabinettssitzung von links nach rechts an der Kamera vorbeiKanzler Merz am Mittwoch in Berlin: “Russland gefährdet Menschenleben in Polen”Bild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

Sprecher: “Keine zufällige Verirrung von Flugkörpern” 

Das änderte sich auch nicht, nachdem US-Präsident Donald Trump jetzt öffentlich darüber nachdachte, ob es sich nicht doch um ein russisches Versehen handeln könnte. Am Freitag sagte der Sprecher des Bundeskanzlers, Stefan Kornelius, in Berlin: “Die Bundesregierung und die NATO haben momentan keine Zweifel an der Herkunft der Drohnen. Nämlich aus Russland. Ich glaube auch, dass auch die Zahl der Drohnen darüber Auskunft gibt, dass es sich nicht um eine zufällige Verirrung einzelner Flugkörper handelt.”

Dennoch ist im politischen Berlin spürbar, dass die Bundesregierung zusammen mit anderen NATO-Staaten bemüht ist, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Die “Quadriga”-Übung etwa, beeilte sich das Verteidigungsministerium zu versichern, sei nie als Antwort auf das parallel seit dem Freitag laufende Großmanöver in Russland und Belarus zu sehen. Und es habe ausschließlich defensiven Charakter.

Ohne Kommentar nahm Merz-Sprecher Kornelius etwa den Vorschlag des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp, zur Kenntnis. Der Abgeordnete, immerhin ein CDU-Parteifreund des Kanzlers, hatte angeregt, nach dem Drohnen-Vorfall darüber nachzudenken, solche Waffen auch außerhalb des NATO-Gebietes zu bekämpfen. Röwekamp sagte dem Magazin “Spiegel”: “Es muss möglich sein, mit der Zustimmung des betroffenen Landes wie der Ukraine auch schon in deren Luftraum Drohnen unschädlich zu machen, die NATO-Gebiet gefährden.”

Ein Militärmitarbeiter im weißen Overall birgt Trümmerteile einer russischen Drohne im Osten Polens“Keine zufällige Verirrung”: Rettungskräfte bergen eine russische Drohne, die über Polen abgeschossen wurde Bild: Anita Walczewska/Eastnews/IMAGO

Keine Schengen-Visa mehr für Russen?

Zurückhaltend reagierte der Regierungssprecher auch auf Berichte, wonach Deutschland jetzt mit seinen EU-Partnern prüft, härtere Bedingungen bei der Vergabe von Schengen-Visa für die EU an russische Staatsbürger zu stellen. Bekommen Russen bald gar keine Visa mehr für den Schengen-Raum? Kornelius: “Über das 19. Sanktionspaket wird derzeit noch verhandelt.  Es ist in der Vorbereitung. Da kursieren sehr viele Ideen. Manche sind richtig und manche sind falsch. Ich will den Prozess abwarten, bevor ich das bestätigen oder dementieren kann.”

Kritik von der Grünen-Opposition  

Für die Opposition der Grünen könnte Deutschland noch energischer auftreten, etwa bei Waffen-Lieferungen an die bedrängte Ukraine. Der russische Präsident Wladimir Putin, sagte der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Anton Hofreiter, der DW, fühle sich offenbar sicher genug, die NATO offen zu provozieren: “Das ist halt die Folge davon, dass die Europäer regelmäßig Schwäche zeigen. Auch mit Sanktionen, die Merz immer wieder ankündigt und die dann nicht kommen, mit Waffenlieferungen an die Ukraine, die dann nicht umgesetzt werden. Das führt dazu, dass Russland glaubt, sich immer mehr herausnehmen zu können.”

Am Freitag dann folgte Deutschland dem Beispiel Frankreichs und bestellte wegen des Drohnen-Vorfalls den russischen Botschafter in Berlin ins Auswärtige Amt ein. Das Agieren des russischen Präsidenten sei “gefährlich und inakzeptabel”, hieß es in der Begründung.