Die NATO-Staaten sollen kein russisches Öl mehr kaufen. Das ist die jüngste Forderung von US-Präsident Donald Trump. Er finde es „schockierend“, dass es solche Käufe „von einigen“ überhaupt noch gebe, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Außerdem sollen die Staaten für China Strafzölle von „50 bis 100 Prozent“ verhängen. Andernfalls wolle Trump selbst keine weiteren Strafmaßnahmen gegen Russland oder Dritte verhängen, die von Russland Öl kaufen. Obwohl Trump die NATO ansprach, richtet sich seine Forderung hauptsächlich an die Europäische Union. Nur sie kann Sanktionen, Einfuhrbeschränkungen und Zölle verhängen. Das bindet nicht andere Staaten wie die Türkei, das Vereinigte Königreich und Kanada.
Die EU-Kommission reagierte am Montag verhalten auf Trumps Forderungen. Eine Sprecherin verwies darauf, dass man seit Kriegsbeginn die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas schon deutlich vermindert habe, es einen Plan für eine vollständige Beendigung der Lieferungen gebe und man außerdem in Kürze weitere Vorschläge als Teil des 19. Sanktionspakets vorlegen werde. Das wird für Mitte der Woche erwartet. Der EU-Sonderbeauftragte für Sanktionen, David O’Sullivan, habe sich dazu in der vergangenen Woche mit der amerikanischen Regierung abgestimmt, hieß es weiter. Die USA seien ein „äußerst wichtiger Partner“, man wolle aber nicht Beiträge des Präsidenten in sozialen Medien kommentieren.
EU hält Trumps Kritik für berechtigt
Intern fällt das Urteil der EU-Kommission klarer aus. Im Grundsatz hält man die Kritik Trumps an den Ölkäufen für völlig berechtigt. Mit dem 18. Sanktionspaket, das Mitte Juli in Kraft trat, haben die Mitgliedstaaten schon Einfuhren von Energieerzeugnissen verboten, die in Drittstaaten aus russischem Rohöl gewonnen werden. Das betrifft vor allem Indien sowie die Türkei und tritt am 21. Januar 2026 in Kraft. Bisher hat der Kreml aus diesen Reexporten in die EU mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr verdient.

Auch danach bleibt noch jenes Öl, das über den südlichen Zweig der Druschba-Leitung nach Ungarn und in die Slowakei fließt. Während alle anderen Mitgliedstaaten ihre Lieferungen aus Russland gestoppt haben, inzwischen auch die Tschechische Republik, beziehen beide Länder weiter mehr als 80 Prozent ihres Ölbedarfs auf diesem Weg. Das dürfte Russland 2024 Erlöse von rund 3,3 Milliarden Euro eingebracht haben. Die längerfristigen Lieferverträge bieten beiden Staaten einen Nachlass von drei bis fünf Dollar je Fass Rohöl auf den üblichen Marktpreis. Für die Slowakei läuft ein solcher Vertrag Ende 2029 aus, für Ungarn ist die Vertragsgestaltung nicht genau bekannt.
Weil die EU ein sanktionsbewehrtes Lieferverbot nur einstimmig durchsetzen kann und beide Länder sich dagegen sperren, hat die Kommission inzwischen einen anderen Weg eingeschlagen. Sie will die Lieferungen mit einer handelspolitischen Maßnahme stoppen; dafür reicht die qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten. So soll bis Ende 2027 die gesamte Versorgung mit Öl und Gas, auch Flüssiggas, aus Russland auslaufen. Während für Gas ein Verbot greifen soll, müssen die Staaten für Öl nur nationale Pläne für eine alternative Versorgung vorlegen. Ob Ungarn und die Slowakei sich daran halten, ist fraglich. Da sie bei dieser Entscheidung kein Veto haben, blockierten sie wochenlang das 18. Sanktionspaket. Dass sie dann aufgaben, könnte auch an Druck aus den USA gelegen haben.
Trump sendet gegensätzliche Signale
Aus dem Weißen Haus kamen indes widersprüchliche Signale. Als die Ukraine Mitte August die Druschba-Leitung in Russland mit Drohnen angriff und die Lieferungen für ein paar Tage unterbrochen waren, beklagte sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei Trump darüber. Der antwortete sogleich mit einer Solidaritätsnachricht an seinen „großartigen Freund“. Darin hieß es: „Ich bin sehr wütend darüber.“ Der US-Präsident müsse sich mal entscheiden, was er wirklich wolle, ist in Brüssel zu hören. In der Kommission hofft man jedenfalls, dass Trump nun Klartext mit Orbán und Robert Fico, dem slowakischen Regierungschef, spricht. Auch damit beide nicht abermals versuchen, das 19. Sanktionspaket aufzuhalten.
In Brüssel gibt es jedoch kein Verständnis für Trumps zweite Forderung nach hohen Strafzöllen gegen China. Die EU hat aufmerksam verfolgt, wie der US-Präsident im Frühjahr den Zollkonflikt mit Peking eskalierte und Zölle von 145 Prozent verhängte – nur um dann unter dem Druck der Märkte wieder einzuknicken. Niemand in den Mitgliedstaaten hat vor, dieses Experiment zu wiederholen und einen Handelskrieg mit China zu beginnen. Das Mittel der Wahl bleiben gezielte Sanktionen gegen chinesische Unternehmen, die EU-Sanktionen unterlaufen. So wurden bisher 34 Firmen vom Festland und aus Hongkong auf eine schwarze Liste gesetzt, weil sie kriegsrelevante Güter aus der EU eingeführt und an Russland weiterverkauft haben. Sie dürfen nicht mehr mit solchen Waren beliefert werden. Außerdem wurden Geschäfte mit zwei chinesischen Banken verboten, die Dienstleistungen mit Kryptowerten erbringen und damit den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.
Deutschland und Frankreich haben in einem internen Papier vorgeschlagen, künftig Strafmaßnahmen gegen Banken in Drittstaaten zu verhängen, die am russischen Zahlungsdienst SPFS teilnehmen, der die Sperre von Transaktionen über das europäische SWIFT-System umgeht. Dazu gehören auch chinesische Institute. Außerdem wollen sie Sanktionen gegen „eine große Zahl von Einzelpersonen und Entitäten in Drittstaaten“ verhängen, die Handelssperren umgehen, etwa indem sie Russland verbotene Flugzeugteile aus Europa liefern. Auch das dürfte chinesische Lieferanten treffen.
Allerdings gibt es bisher keine ausreichende Unterstützung dafür, die Lieferung bestimmter Waren nach China insgesamt auszusetzen. Diese Option hatte die dänische Ratspräsidentschaft ins Gespräch gebracht. Wenn, dann dürfte sie zuerst gegen Staaten in Zentralasien umgesetzt werden, nicht gegen das große und wirtschaftlich starke China – aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen. Aus „guten Gründen“, sagte die Sprecherin der EU-Kommission am Montag, habe man bisher nicht zu diesem Instrument gegriffen.
Berlin setzt auf Sanktionen gegen Russland
Zurückhaltend fiel die Reaktion in Berlin auf die Äußerungen Trumps aus: Dort dürfte man sich auch mit Blick auf die geforderten Sanktionen gegen China angesprochen fühlen. In Brüssel wie in Berlin setzte man bisher auf amerikanische Sanktionen gegen Russland. Immer wieder war in den vergangenen Monaten auf die Fortschritte des Sanktionspaketes im Kongress verwiesen worden – wissend, dass am Ende nur Trump darüber entscheidet, ob es Sanktionen geben wird.
Außenminister Johann Wadephul sagte am Sonntag im ZDF, die EU habe mit ihren Sanktionen die russische Wirtschaft getroffen, die mit einer Rekordinflation und einem sehr hohen Zinssatz unter Druck sei. Das werde man fortsetzen, und das werde auch den Öl- und Gasmarkt betreffen. Er verwies auch, ohne Ungarn zu nennen, auf den nötigen Abstimmungsprozess in der EU. Mit Blick auf Indien, das ebenfalls viel russisches Öl kauft, sprach Wadephul sich gegen weitere Sanktionen aus.
Die Türkei reagierte zunächst nicht auf Trumps Äußerungen. Sie hängt in hohem Maß von Energieimporten aus Russland ab, weniger von Öl als von Gas. Zudem baut Russland das erste türkische Atomkraftwerk. Aus vier Gründen ist es kaum vorstellbar, dass Ankara die Energieimporte einstellt. Erstens bekommt die Türkei sie zum Vorzugspreis und kann sich höhere Kosten angesichts der prekären Wirtschaftslage nicht leisten.
Zweitens haben sich die Energieimporte bei der Wiederwahl von Präsident Recep Tayyip Erdoğan 2023 ausgezahlt: Russland stundete Zahlungen in Milliardenhöhe und erlaubte es Erdoğan so, Wahlgeschenke in Form von kostenlosen Gaslieferungen zu verteilen. Drittens ist der Import von günstigem russischen Gas Teil der türkischen Strategie, sich als „Energiehub“ zwischen Europa und Zentralasien zu positionieren. Viertens versucht die Türkei, mit den Importen aus Russland ihre Mittlerposition zwischen Moskau und Kiew aufrechtzuerhalten.
Türkei importiert deutlich mehr Öl als Ungarn
In der Vergangenheit haben die Vereinigten Staaten und die EU der Türkei immer wieder vorgeworfen, zu dulden, dass ihr Territorium für die Umgehung von EU-Sanktionen genutzt wurde. Ankara bewegte sich erst nach massivem Druck. Im Vergleich dazu sind die Energieimporte aus Russland aber ungleich bedeutender für die Türkei. Sie importierte allein im August Öl, Ölprodukte und Gas im Wert von rund 2,8 Milliarden Euro aus dem Land.
Peking kritisierte Trumps Forderungen scharf. Das Vorgehen der USA seien „typische unilaterale Schikanen und wirtschaftlicher Zwang“, sagte ein Außenamtssprecher am Montag. Chinas Energie- und Handelsbeziehungen zu anderen Staaten nannte er „rechtmäßig, gesetzeskonform und über jeden Zweifel erhaben“, einschließlich denen zu Russland. Die amerikanischen Forderungen „verletzen internationale Wirtschafts- und Handelsregeln“ und würden die internationalen Lieferketten und die Stabilität unterlaufen. Sollten Chinas Interessen verletzt werden, werde man „entschlossen Gegenmaßnahmen“ einleiten. In der „Ukraine-Krise“ habe Peking stets eine „unparteiische Haltung eingenommen“, bekräftige der Sprecher.
Seit Monaten verfolgt die Volksrepublik eine harte und weitgehend unnachgiebige Haltung in ihren Gesprächen mit westlichen Vertretern. Derzeit läuft eine weitere Handelsgesprächsrunde zwischen dem amerikanischen Finanzminister Scott Bessent und dem für Wirtschaft zuständigen Vizeministerpräsidenten He Lifeng in Madrid. Grundsätzlich wird auch über ein mögliches Treffen Trumps mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gesprochen. Passend dazu kommentierte die Parteizeitung „Global Times“ zuletzt, das jüngste Telefonat zwischen den Verteidigungsministern Dong Jun und Pete Hegseth sei „ein weiteres Zeichen für die anhaltende Verbesserung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen in diesem Jahr“. Das kam jedoch kurz vor Trumps neuer Zollforderung. Ende Oktober wird Trump auf einem Gipfel der Pazifik-Anrainerstaaten (APEC) in Südkorea erwartet. Ob Xi auch nach Korea kommt, ist unbestätigt.