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Deutschlands Wirtschaft ächzt unter hohen Arbeitskosten. Diese sind 22 Prozent höher als in Vergleichsländern. Das IW warnt vor einer „Deindustrialisierung“.
Köln – Die deutsche Industrie steckt in einer schweren Krise. Häufig wird über hohe Stromkosten und die allgemeine Krisenstimmung berichtet, die den Unternehmen stark zusetzen. Nun lässt eine aktuelle Studie aufhorchen, denn die Arbeitskosten in der deutschen Industrie lagen 2024 deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Sie waren 22 Prozent höher als in den 27 Vergleichsländern und 15 Prozent höher als im Euro-Ausland. Die hierzulande hohe Produktivität kann die Mehrkosten nicht ausgleichen. „Ohne eine Reform der Sozialsysteme rutscht der Standort Schritt für Schritt in die Deindustrialisierung“, warnt IW-Ökonom Christoph Schröder.
Deutsche Wirtschaft unter Druck wegen hoher Arbeitskosten
Die deutsche Industrie befindet sich seit Mitte 2018 in einer Rezession, ein wesentlicher Grund dafür sind die hohen Arbeitskosten. Ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit zeigen die Lohnstückkosten, wie eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aufschlüsselt: 2024 lagen sie in Deutschland 22 Prozent über dem Durchschnitt von 27 Industriestaaten. Das bedeutet konkret, dass für die Produktion einer Einheit deutsche Unternehmen rund ein Fünftel mehr für Löhne und Gehälter als im internationalen Vergleich zahlen mussten. Höher waren die Kosten nur in Lettland, Estland und Kroatien.

Kann die Deindustrialisierung aufgehalten werden? © IMAGO/Joe Sohm
Die deutsche Industrie gehört zwar zu den produktivsten weltweit und liegt unter den 27 untersuchten Ländern auf Platz sieben, doch die hohen Arbeitskosten schmälern den Vorteil. In den USA etwa sind die Arbeitskosten niedriger, die Produktivität gleichzeitig deutlich höher. Zwar sind die Lohnstückkosten in Deutschland seit 2018 mit 18 Prozent weniger stark gestiegen als im Ausland, gleichzeitig wuchs die Bruttowertschöpfung nur um drei Prozent, während sie anderswo sechs Prozent zunahm. Deutsche Unternehmen konnten also trotz ihres technologischen Vorsprungs weniger Produkte absetzen – und die hohen Kosten wirken sich zunehmend negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.
Chinesische Konkurrenz setzt deutscher Industrie stark zu
„Der Fachkräftemangel treibt die Löhne weiter nach oben, die Kosten am Standort Deutschland dürften in den kommenden Jahren weiter steigen“, meint IW-Ökonom Christoph Schröder. Gefragt sei an dieser Stelle die Bundesregierung. Sie soll den Anstieg der Lohnnebenkosten bremsen und zudem auf demografische Herausforderungen reagieren.
„Ohne eine Reform der Sozialsysteme rutscht der Standort Schritt für Schritt in die Deindustrialisierung“.
Während Deutschland eigentlich auf seinen Technologievorsprung bauen konnte, gerät dieser zunehmend ins Hintertreffen. Laut dem IW haben viele Unternehmen ihn gegenüber der chinesischen Konkurrenz sogar teilweise verloren – daher „können sie seltener die Preise diktieren – die hohen Standortkosten werden deshalb zum Nachteil“, heißt es vom IW.
Die deutsche Industrie steht angesichts der drohenden Kosten der Energiewende unter erheblichem Druck. Hohe Stromkosten sind eine enorme Belastung für Unternehmen, vor allem in energieintensiven Sparten. DIHK-Präsident Peter Adrian warnt daher die Politik vor einer Abwanderung der Wirtschaft ins Ausland, um die Kosten zu senken. „Energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion und damit Arbeitsplätze schon jetzt verstärkt ins Ausland“, so Adrian.