Die Trauerfeier für den erschossenen US-Aktivisten Charlie Kirk wurde zum Tag starker Worte und großer Emotionen. Ausgerechnet die Witwe Erika Kirk rief zur Versöhnung auf und vergab dem Attentäter.
Mehr als 200.000 Menschen waren nach Phoenix gekommen, 63.000 von ihnen fanden Einlass in das Football-Stadion der Arizona Cardinals zur Gedenkfeier für den US-Aktivisten Charlie Kirk, der von dem 22-jährigen Tyler Robinson erschossen wurde. Es war ein Tag großer Reden, großer Emotionen und großer Strategien.
Mehr als ein Dutzend der republikanischen Spitzenpolitiker würdigten Kirk als religiösen Führer von geradezu biblischem Format. Er habe die Partei verändert und entscheidend dazu beigetragen, Donald Trump zur Präsidentschaft zu verhelfen. Kirks Ermordung werde ihre politische Bewegung für kommende Generationen stärken, war zu hören.
„Er ist jetzt ein Märtyrer für die amerikanische Freiheit“, sagte US-Präsident Donald Trump, nachdem das Feuerwerk verstummt war, das ihn auf die Bühne begleitet hatte. Countrysänger Lee Greenwood sang dazu „God Bless the USA“, und Trump fand, niemand anderes hätte das besser singen können. Dann sagte er: „Ich weiß, ich spreche heute für alle hier Anwesenden, wenn ich sage, dass keiner von uns Charlie Kirk jemals vergessen wird, und die Geschichte wird es auch nicht.“
Poster von Kirk und seiner Familie schmückten den Innenraum. Plakate seiner Organisation „Turning Point“ lagen auf den Sitzen. Gospelmusik erklang, während die Menschen „Never Surrender“-Schilder schwenkten – einen von Trumps Wahlkampfslogans, der 2024 nach seinem überlebten Attentat populär wurde.
Vizepräsident JD Vance, fünf Mitglieder des Trump-Kabinetts, Charlie Kirks Witwe Erika Kirk und weitere Redner würdigten Kirk hinter Panzerglas mitunter emotional – eine traurige Erinnerung an die Schießerei vom 10. September, die sie hierhergeführt hatte. Viele Redner riefen angesichts des viel beachteten Mordes während eines Auftritts auf einem Universitätscampus in Utah einen Religionskrieg aus. Dann erhob sich die Menge unter großem Applaus für Erika Kirk. Die Witwe wischte sich Tränen aus den Augen und sagte, sie verzeihe dem Attentäter.
Erika Kirk erzählte, dass ihr Mann ständig bereit gewesen sei, für seine Sache zu sterben. Nachdem die Schüsse fielen, habe er sie angesehen. „Er blinzelte und sah seinen Erlöser im Paradies“, sagte Erika Kirk mit leiser Stimme. Dann fand sie große Worte der Vergebung in Richtung Tyler Robinson: „Mein Mann wollte junge Menschen beschützen. Solche, wie den jungen Mann, der ihm das Leben nahm. Der junge Mann, der nun an unserem Kreuz hängt – ich vergebe ihm.“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, im Stadion war es nur noch still. Dann hauchte sie: „Denn das ist es, was Christus tat, und das hätte auch Charlie getan.”
Auf den Rängen saßen weitere Regierungsvertreter sowie Trumps ältester Sohn Don Jr. Platz, der Kirk persönlich sehr nahestand. Es sind zudem Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio, Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. und die Chefaufseherin der US-Geheimdienste, Tulsi Gabbard, dabei.
Trotz seines Bruchs mit US-Präsident Donald Trump ist auch Tech-Milliardär Elon Musk bei der Trauerfeier zu sehen. Er teilte zu Beginn der Veranstaltung ein Video von den Zuschauerrängen der Arena auf X. In der Liveübertragung war zu sehen, wie er mit Politikern der Republikanischen Partei sprach und der Menge zuwinkte.
Später waren er und Trump nebeneinander zu erkennen, wie sie in ein Gespräch vertieft waren. Der Account von „Turning Point USA“, der von Kirk gegründeten Organisation, teilte einen Screenshot der Szene. Etwas später gaben sie sich die Hand und Musk ging.
Wie eng sich Trauer, Wut, religiöse Botschaften und politische Deutung bei der Feier verbanden, zeigte sich in den Reden auf der Bühne. Manche riefen zu Liebe und Einheit auf, erzählten von persönlichen Erinnerungen an Kirk. Andere schlugen deutlich härtere Töne an.
„Wir werden über die Mächte des Unrechts und des Bösen siegen“, sagte etwa Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller und erklärte, die Tränen über Kirks Tod hätten sich in ein „Feuer“ verwandelt, das die „Feinde“ nicht verstehen könnten. „Ihr dachtet, ihr könntet Charlie Kirk töten. Ihr habt ihn unsterblich gemacht“, sagte er, ohne konkret zu werden, wen er damit genau adressierte.
Der rechte Kommentator Benny Johnson rief die Menge auf, zu heiraten und Kinder zu bekommen, „damit Millionen neuer Charlie Kirks entstehen und wir unser Land retten können“.
Der rechtskonservative Aktivist Jack Posobiec erklärte, man werde die Linke, die Medien und die Demokraten den Namen Kirk niemals vergessen lassen. In den Geschichtsbüchern werde sein „Opfer“ als Wendepunkt erscheinen – als einer der entscheidenden Momente zur „Rettung der westlichen Zivilisation“.
Das Stadion, in dem normalerweise die Arizona Cardinals ihre Football-Spiele austragen, fasst normalerweise 73.000 Zuschauer, jetzt waren es 63.000. Um 09.30 Uhr Ortszeit waren laut CNN-Reportern bereits fast alle Plätze gefüllt. Mehrere christliche Bands sorgten für das musikalische Vorprogramm. Eine Dudelsackgruppe spielte „Amazing Grace“.
Der ermordete US-Aktivist Kirk begeisterte Millionen Konservative im Land, vor allem junge Menschen. Seit dem Attentat legten viele von ihnen Blumen vor der Zentrale von Turning Point USA nieder. Diese liegt nur rund 40 Kilometer von dem Stadion entfernt, in dem nun die Trauerfeier stattfindet.
Dresscode „Sunday Best – Red, White, or Blue“
Turning Point USA bat darum, keine Blumen mit zu der Veranstaltung zu bringen. Stattdessen sollen Spenden an die Organisation gehen. Den Gästen wurde der Dresscode „Sunday Best – Red, White, or Blue“ empfohlen – also festliche Sonntagskleidung in den Farben der US-Nationalflagge.
Laut US-Medien behandelt das Heimatschutzministerium die Trauerfeier mit einer ähnlichen Sicherheitsstufe wie den Super Bowl oder den New-York-Marathon. Einige Redner sprachen auf der Bühne hinter schusssicherem Glas.
Zwar gab es schon vor dem Attentat Sorge vor politisch motivierter Gewalt, doch seit Kirks Tod ist die Anspannung noch einmal deutlich gewachsen. Er war am 10. September bei einer Veranstaltung an einer Universität im Bundesstaat Utah erschossen worden. Der 22 Jahre alte mutmaßliche Täter Tyler Robinson wurde wegen Mordes angeklagt. Ihm droht die Todesstrafe.
Über das Motiv herrscht bislang keine abschließende Klarheit. Ermittler erklärten jedoch unter Berufung auf Angehörige und sichergestellte Textnachrichten, Robinson – der aus einem konservativen Elternhaus stammen soll – habe zuletzt eine linke politische Haltung eingenommen. Wie genau dies sein Handeln beeinflusste, ist offen. In einer Nachricht soll er vor der Tat geschrieben haben, er habe genug von Kirks „Hass“.
Mit 18 gründete Kirk „Turning Point USA“
Kirk selbst machte sich als ausgesprochener Verfechter der Meinungsfreiheit einen Namen. Mit Turning Point USA, das er 2012 im Alter von 18 Jahren gegründet hatte, besuchte er Hochschulen und forderte Studierende – vor allem solche mit anderer politischer Haltung – zur Debatte auf. Kritiker hielten ihm dabei immer wieder vor, rassistische, homophobe und sexistische Ansichten zu verbreiten.
Im Laufe der vergangenen Jahre wurde Kirk zu einem der prominentesten Gesichter der amerikanischen Rechten. Über seine Plattformen, darunter auch ein erfolgreicher Podcast, erreichte er ein Millionenpublikum. Im Wahlkampf machte er Trump bei jungen Wählern populärer. Er galt als enger Vertrauter von Vizepräsident Vance. Trumps Sohn Don Jr. erklärte nach dem Attentat, Kirk sei für ihn wie ein Bruder gewesen.
Kirks Weggefährten nutzen nun unter dem Motto „Kämpft für Charlie“ seine Reichweite, um dessen Anhänger mit religiös stark aufgeladener Sprache weiter anzusprechen. Nur wenige Tage nach dem Attentat moderierte Vance die „Charlie Kirk Show“ aus dem Weißen Haus.
Die Leitung von Turning Point USA übernahm Erika Kirk, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat. Die Organisation ruft seine Anhänger dazu auf, seinen Tod als Ansporn für noch stärkeres politisches Engagement zu sehen. Kirk sei gestorben, während er für das gekämpft habe, was ihm am meisten bedeutete: „Wahrheit, Glaube, Familie und Amerika“.
dpa/fro/lay/AFP/AP