In einer Woche ist es so weit. Beim Thronwechsel tritt Erbgroßherzog Guillaume in die Fußstapfen seines Vaters. Nach 25 Jahren bekommt Luxemburg einen neuen Staatschef. Großherzog Henri ist glücklich. Der 70-Jährige kann die neue Lebensphase kaum erwarten. Der Sport ist daran nicht ganz unschuldig.

„Die Großherzogin und ich freuen uns darauf, eine gewisse Freiheit wiederzuerlangen. Wir werden von der Rente profitieren, um zu reisen und um bei unseren Kindern und Enkelkindern zu sein“, erzählte er vor rund einem Jahr im gemeinsamen Interview mit 100,7 und RTL. Und der fünfmalige Familienvater verriet zudem: „Wir werden mehr Zeit haben, um die Qualitätsdinge zu machen, die wir wirklich machen wollen. Ich freue mich auf ein Leben, das normaler ist.“

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Sport wird für Großherzog Henri dabei eine wesentliche Rolle spielen. Man muss keine unbändige Fantasie besitzen, um sich den leidenschaftlichen Fan vor dem Fernseher vorzustellen, wenn die Tennis-Grand-Slams laufen, die besten Rugbyspieler der Welt brillieren oder Luxemburgs Top-Leichtathleten nach Rekorden und Bestzeiten jagen. Ob das im Schloss in Fischbach, in Biarritz oder an der Mittelmeerküste in Cabasson passiert, ist nebensächlich. Großherzog Henri wird über mehr Zeit verfügen, die er nur allzu gerne mit Sport – egal ob als Zuschauer oder als Aktiver – ausfüllen möchte.

Karikatur: Florin Balaban 

In frühester Kindheit wurde er mit dem Virus infiziert. „Ich war immer aktiv. Meine Eltern haben stets viel Wert darauf gelegt. Bei mir hat es sehr früh mit Turnen angefangen. Mithilfe des Sports konnte ich meine Energie kanalisieren. Das war essenziell. Sporttreiben hat mit immer gut gefallen. Es hat mir aber vor allem auch gutgetan. Beim Sport kann ich wunderbar abschalten. Ich bekomme den Kopf frei. Wenn man viel unter Stress steht, ist es der perfekte Ausgleich“, erzählte er dem „Luxemburger Wort“ vor anderthalb Jahren beim exklusiven Interviewtermin.

Es wäre traumhaft gewesen, als Sportler an Olympischen Spielen teilzunehmen.

Großherzog Henri

Seine Augen leuchteten, als er sich erinnerte: „In Frankreich gehörte ich dem Fechtteam der Schule an. Ich war Leichtathlet, insbesondere im Hochsprung war ich nicht unbegabt.“ Über 1,85 m schaffe es der Monarch damals. Mit der Leistung wäre er in diesem Jahr bei den Luxemburger Landesmeisterschaften Dritter geworden.

„Es kamen weitere Sportarten hinzu: Schwimmen, Tennis, Segeln, Windsurfen, Kitesurfen. Ich habe vieles ausprobiert. Manches beherrschte ich besser, manches weniger gut“, verriet er.

Skifahren gehört zur Familie

Besonders auf Skiern macht der Großherzog auch heute noch eine gute Figur. „Wir sind immer schon in der Familie Ski gefahren. Zu dieser Sportart habe ich eine ganz besondere Beziehung. Ich war durchaus ambitioniert und ehrgeizig.“ Und er gab zu: „Skifahren ist wohl die Sportart, in der ich am talentiertesten bin.“

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Den Wunsch der meisten Sportler konnte er sich dennoch nicht erfüllen: „Ich war stets wegen zahlreicher Aktivitäten in Luxemburg und schulischer Verpflichtungen im Ausland eingebunden. Sport stand nie 100 Prozent in meinem Fokus. Dennoch habe ich immer versucht, ein gewisses Niveau zu erreichen. Es wäre traumhaft gewesen, als Sportler an Olympischen Spielen teilzunehmen. Fürst Albert von Monaco hat das im Bobsport geschafft. Ich finde das bemerkenswert. Für mich war diese Chance aber nie greifbar.“

Die Luxemburger Öffentlichkeit kennt Großherzog Henri nicht als den kickenden Opa im Garten oder den gegen Prinz Félix antretenden Tennisspieler. Viel eher schon als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees. Bei den Vollversammlungen und den Sommer- wie Winterspielen war das Staatsoberhaupt immer präsent.

Es ist mir weiterhin eine Freude, dem Olympischen Komitee anzugehören.

Großherzog Henri

Die genaue Anzahl von Olympia-Besuchen kennt er nicht, dafür erinnert er sich an ein Ereignis intensiv: „Ich war erstmals 1972 bei den Sommerspielen in München vor Ort. Das Olympia-Attentat war dramatisch und ein riesiger Schock. Ich war damals 17 Jahre alt. Elf israelische Sportler, Betreuer und Trainer wurden ermordet. Das war grausam. Es war eine Zäsur. Es gab die Olympischen Spiele vor 1972 und die danach. Davor war das Umfeld sehr entspannt und locker. Es gab keine großen Sicherheitskontrollen. Das war nach dem Attentat anders. Die Spiele heute sind sehr reglementiert und abgeschottet.“

Gilles Muller bringt Großherzog Henri in Rio de Janeiro zur Verzweiflung. Foto: Fabrizio Munisso

Aus sportlicher Sicht sind der vierte Platz von Andy Schleck 2008 in Peking und der fünfte Rang von Marie Muller 2012 in London unvergessen. „Ich hätte ihnen so gerne eine Medaille überreicht“, offenbarte das Staatsoberhaupt, der beide Male ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle durchlebte. „Ich war emotional berührt.“ Außerdem haben ihn die Sommerspiele des vergangenen Jahres in Paris wegen ihrer außergewöhnlichen Stimmung beeindruckt und geprägt.

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Olympia spielt in der großherzoglichen Familie eine übergeordnete Rolle. Henri ist seit 1998 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees. „Ich hatte das ganz große Glück, dass mein Vater Jean mich, nach Absprache mit der olympischen Familie, als seinen Nachfolger vorschlug. Das war 1998 in Nagano der Fall. Er gehörte dem IOC mehr als 50 Jahre lang an (von 1946 an, Anm. d. Red.). Er wurde sehr respektiert und war das dienstälteste Mitglied. Irgendwann entschied er, es wäre nun an der Zeit, sich zurückzuziehen“, erzählte Henri vor anderthalb Jahren.

Juan Antonio Samaranch war damals IOC-Präsident. Der Spanier machte den Vorschlag im Plenum und der Großherzog, der als überzeugter Pazifist seit 1999 Mitglied der Solidaritätskommission ist, wurde kooptiert. „Für mich war das ein ganz großer Tag mit vielen Emotionen. Es ist mir weiterhin eine Freude, dem Olympischen Komitee anzugehören“, lässt er keine Zweifel aufkommen.

Ich darf meinen Emotionen freien Lauf lassen. Im Sport sind die ohnehin nicht immer kontrollierbar.

Großherzog Henri

Zurück zu Olympia: In Paris im vergangenen Sommer war die Sport-Leidenschaft des 70-Jährigen offensichtlich. Er ließ sich keinen Wettbewerb der Luxemburger Sportler entgehen, jubelte ausgelassen mit Ni Xia Lian, drückte Pit Klein die Daumen, hoffte auf eine Glanzleistung von Bob Bertemes und litt mit Jeanne Lehair. Er war auch im Stade France anwesend, als Tom Habscheid später bei den Paralympischen Spielen eine Medaille ergatterte.

Der Erbgroßherzog und der FC Lorentzweiler

In solchen Momenten jubelt der Großherzog auch schon mal ausgelassen auf der Tribüne, klatscht, steht auf und feuert an. „Ich darf meinen Emotionen freien Lauf lassen. Im Sport sind die ohnehin nicht immer kontrollierbar. Ich bin in solchen Momenten eher Fan und IOC-Mitglied als Großherzog. Die Olympia-Organisatoren wollen mich stets auf den Tribünen neben den Staats- und Regierungschefs platzieren. Ich schlage das immer aus. Ich ziehe es vor, mich zu den anderen IOC-Mitgliedern zu setzen“, erläutert er.

Großherzog Henri lässt es sich nicht entgehen, mit den Tischtennisspielerinnen Sarah de Nutte und Ni Xia Lian (nicht auf dem Foto) ein paar Bälle zu schlagen. Foto: Maison du Grand-Duc

Die Unterstützung der Luxemburger Athleten bei Olympia, Europaspielen oder den Spielen der kleinen europäischen Staaten mögen kein greifbarer Mehrwert für die Sportler sein. Aber: Sie sind alle stets dankbar für die symbolische Anerkennung.

Der Ehemann von Großherzogin Maria Teresa macht klar: „Ich hoffe, dass meine Unterstützung den Luxemburger Athleten hilft. Ich finde es wichtig, ihnen den Rücken zu stärken. Bei den Spielen der kleinen europäischen Staaten ist die Nähe noch einmal eine ganz andere. Es ist sehr familiär. Ich habe wirklich sehr viel Freude daran, dabei zu sein.“

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Für den 70-Jährigen ist das Olympia-Abenteuer noch längst nicht beendet. Es werden wohl noch einige Besuche dazukommen. Bei der IOC-Session im indischen Mumbai wurde Henris Mandat zum bis dato letzten Mal verlängert. Das passierte im Oktober 2023. Das Mandat des sportbegeisterten Großherzogs läuft noch bis Ende 2031.

„Es ist nicht an die Tatsache gebunden, dass Großherzog Henri Staatschef ist. Er wird es daher fortsetzen“, hieß es auf Nachfrage seitens der Maison du Grand-Duc zu Jahresbeginn. Gedanken, seinem Sohn Guillaume den Platz zu überlassen, seien „derzeit nicht aktuell“. Großherzog Henri kann bis zum Alterslimit von 80 Jahren IOC-Mitglied sein. Ende 2031 wäre der Staatschef 76 Jahre alt. Sein Mandat könnte also noch einmal um vier Jahre verlängert werden. 

Großherzog Henri unterhält sich bei der Luxemburg-Rundfahrt mit Michel Ries. Foto: Gerry Huberty

Anschließend wird die Zeit von Guillaume kommen. Auch ihm liegt Sport und Bewegung am Herzen. Fußball stand beim Erbgroßherzog stets ganz oben in der Gunst. Seit Oktober 1993 ist er Mitglied beim FC Lorentzweiler. Die Lizenz ist weiterhin aktiv. Es wäre spannend gewesen, den heute 43-jährigen Thronfolger in der ersten Mannschaft auflaufen zu sehen, die aktuell in der Ehrenpromotion spielt. Sein Vater hätte am Spielfeldrand gestanden und angefeuert. Als Vater. Als Sportfan. Und nicht als Großherzog.