In meiner Heimat sind Kreisverkehre sozusagen exotisch. Einmal habe ich in der Fahrschule einen gesehen, und meine Fahrlehrerin sagte ehrfürchtig: „Das ist die Zukunft.“ Ich dachte damals, sie übertreibt maßlos. Etwas über ein Jahrzehnt später lande ich in Luxemburg – und hier ist die Zukunft längst betonierte Gegenwart.
Es gibt kleine Kreisverkehre, die man fast übersieht, und solche, die so groß sind, dass man beim Durchfahren zwischendrin eine Raststätte vermutet. Manche sind liebevoll bepflanzt wie ein Vorgarten im Kleinstadtidyll, andere kahl wie ein frisch rasiertes Kinn. Und dann diese Namen! Kurz vorm „Iergäertchen“ läuft mir immer noch der Angstschweiß den Nacken runter – jedes Mal bin ich froh, wenn ich schon nach der zweiten Kurve noch weiß, wo ich eigentlich hin wollte.
Es fühlte sich an wie ein wahrgewordener Traum.
Ich gebe zu: Ich tue mich immer noch schwer mit diesen asphaltierten Karussellen. Während Luxemburger Autofahrer mit einer fast tänzerischen Leichtigkeit durch den Verkehr wirbeln, halte ich mich krampfhaft an Blinker und Regelwerk – und drehe zugegebenermaßen auch mal die eine oder andere Ehrenrunde.
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Und doch: Langsam wächst mir dieses Rundum-Erlebnis ans Herz. Neulich beim „BusinessRun“, den meine Kolleginnen und Kollegen von Luxembourg Times organisierten, geschah das Undenkbare: Ich durfte gleich mehrere Kreisverkehre zu Fuß erobern. Keine hupenden Autos, keine blinkenden SUVs – nur mehr oder weniger ambitionierte Läuferinnen und Läufer, die mit mir gemeinsam die Kreise umrundeten.
Es fühlte sich an wie ein wahrgewordener Traum, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich ihn je gehabt habe: Endlich einmal nicht orientierungslos, sondern im Takt der eigenen Schritte im Kreis – und trotzdem weiterkommend.
Aus dem Leben der LW-Journalisten
Das „Gazettchen“ ist eine informelle Kolumne, in der die Autoren auf legere Weise von ihren Alltagserlebnissen erzählen oder auch schon mal Einblick in ihre Gedankenwelt gewähren. Das hat eine lange Tradition: Am 3. Dezember 1946 erscheint erstmals ein Meinungsstück mit dem Titel „Heute“ am Seitenanfang oben links auf der ersten Lokalseite im „Luxemburger Wort“. Am 13. Januar 1971 wird dann aus der bei den Lesern ausgesprochen beliebten und sehr persönlichen Kolumne das „Gazettchen“, das bis heute und über alle Layout-Überarbeitungen hinweg seinen Premium-Platz in Luxemburgs auflagenstärkster Tageszeitung behalten hat.