60 Minuten aus dem Lehrbuch – dann wurde phasenweise doch gezittert: Borussia Dortmund hat in der Champions League Athletic Bilbao besiegt, es aber aufregender als notwendig gemacht. Beim 4:1 (1:0) hatte der BVB durch Tore von Daniel Svensson (28. Minute) und Carney Chukwuemeka (50.) souverän geführt und ebenso souverän gespielt, dann geriet der Erfolg bis zur Entscheidung durch Serhou Guirassy (82.) und Julian Brandt (90.+1) in Gefahr.
“Wir mussten heute eine Phase überstehen, in der es etwas wackelig war, da war die Mannschaft nicht bei voller Stärke. Aber dann gab es unglaublich viel Positives zu berichten”, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl. “Wir haben ein tolles Spiel gemacht, vier Tore geschossen, es war ein verdienter Sieg. Wir sind sehr zufrieden, am Ende geht unsere positive Reise weiter und das war unser absolutes Ziel. Die Fakten sprechen für uns, wir hatten jetzt eine Niederlage in den vergangenen 18 Spielen.”
“Wir hatten hinten raus schon ein bisschen zu kämpfen, aber Gott sei Dank haben wir das Spiel dann mit zwei Toren auf unsere Seite gezogen”, meinte Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer. “Es muss unser Anspruch sein, wir haben die Qualität, um das alle drei Tage abrufen zu können. Eigentlich hätten wir es leichter nach Hause bringen können, wenn wir immer seriös zuende spielen, tun wir uns auf jeden Fall einen Gefallen.”
BVB jetzt national und international stark
In den vergangenen beiden Jahren hatte sich der BVB in der europäischen Spitze präsentiert, in der Champions League das Endspiel (2024) und das Viertelfinale (2025) erreicht – in der Bundesliga spielte Dortmund allerdings auf einem deutlich niedrigeren Level. Doch gegen Bilbao zeigte sich lange Zeit erneut, dass es mittlerweile keine großen Unterschiede mehr zwischen dem internationalen und nationalen BVB gibt, wenn sich die Mannschaft an den Plan hält.
Sieben Pflichtspiele hatte das Team von Trainer Niko Kovac vor der Partie bestritten, davon fünf gewonnen und keines verloren. Eines der beiden Remis hatte es zum Champions-League-Auftakt bei Juventus Turin gegeben, als der BVB beim 4:4 wegen zweier Gegentreffer in der Nachspielzeit einen Sieg herschenkte. Gegen Bilbao spielten die Borussen über den Großteil der Partie äußerst seriös und unterstrichen ihr neues Gesicht.
BVB kontrolliert die Partie und Svensson trifft wie in Mainz
Gegen die Spanier gab es zunächst kein Dortmund-Spektakel, sondern viel Kontrolle und Disziplin, diese Tugenden sind unter Kovac offenbar vollkommen ins Borussia-Blut übergegangen. Der Trainer nimmt dann auch hin, dass vor den Toren zunächst so gut wie nichts passierte und ein Schuss in die Tormitte von Marcel Sabitzer das erste Fünkchen an Gefahr ausstrahlte (20.).
Der BVB kontrollierte die Partie, machte fast keine Fehler. Dann verlor allerdings Jobe Bellingham 30 Meter vor dem eigenen Gehäuse den Ball, Bilbao hatte eine Überzahlsituation in Tornähe – doch die Dortmunder eilten zügig nach hinten, Ramy Bensebaini konnte den Ball abgrätschen (26.) und eine Situation bereinigen, die vor einiger Zeit ziemlich sicher noch gefährlich geworden wäre.
Offensiv hatte Kovac seiner Mannschaft das Mittel der langen Diagonalbälle und Fokussierung auf die Außen mitgegeben – und die Stärkung des Flügelspiels zahlte sich aus. Beim 1:0 schickte Julian Ryerson als rechter Schienenspieler BVB-Rechtsaußen Karim Adeyemi, der den Ball hart in den Strafraum spielte, wo am zweiten Pfosten Svensson zur Führung einschob (28.). Schon am vergangenen Wochenende hatte der linke Schienenspieler in der Bundesliga bei Mainz 05 (2:0) ein fast deckungsgleiches Tor erzielt.
Kovac bringt erstmals Chukwuemeka – und der revanchiert sich
Ansonsten hatte Niklas Süle in der 36. Minute noch zwei Fernschuss-Gelegenheiten, mehr Aufregendes gab es in der ersten Halbzeit nicht – vor allem, weil Dortmund defensiv nichts zuließ. Und mit der Gewissheit, eine so starke Hintermannschaft im Rücken zu haben, lässt es sich leichter angreifen, wie das 2:0 zeigte. Chukwuemeka nutzte seine Startelf-Premiere und überraschte den spanischen Nationaltorhüter Unai Simon nach einem sehenswerten Angriff im kurzen Eck (50.).
Nach diesem Erfolgserlebnis veränderte sich die Dortmunder Herangehensweise etwas, die Mannschaft positionierte sich deutlich tiefer und überließ Bilbao mehr den Ball. Mit dem wussten die Basken allerdings nicht sonderlich viel anzufangen, der Ausfall von Topspieler Nico Williams machte sich deutlich bemerkbar.
Süle und Anton laden Bilbao ein
Doch dann holte der BVB den Gegner zurück ins Spiel. Nach einer harmlosen Flanke leisteten sich Süle und Waldemar Anton eine Slapstick-Einlage, das Abwehr-Duo legte schließlich Gorka Guruzeta den Ball perfekt hin, der völlig freistehend den Anschlusstreffer erzielte (61.). In diesem Moment durfte doch wieder die Frage gestellt werden, ob Dortmund auch im zweiten Spiel der Gruppenphase Punkte leichtfertig verliert.
Zumal das Kovac-Team nun verunsichert wirkte und Bilbao immer mehr an Selbstbewusstsein gewann. Und die Spanier trafen auch zum vermeintlichen 2:2, Robert Navarro stand bei seinem Treffer allerdings im Abseits (67.). Wenig später vergab der Linksaußen eine Großchance, als er bei einem Schlenzer aus zehn Meter das lange Eck des Dortmunder Tores verpasste (71.).
Bilbao fast mit dem Ausgleich, dann schießt Sabitzer glücklich Guirassy ab
Mit einem Schuss des bis dahin fast unsichtbaren Guirassy, den Simon parierte, meldete sich der BVB in der Offensive zurück (75.). Doch auf der anderen Seite musste Svensson mit einer herausragenden Defensivaktion den Ausgleich verhindern. Navarro hatte sich wieder durchgesetzt und quergelegt, der Dortmunder spitzelte mit dem ausgestreckten Bein aber gerade so noch Guruzeta den Ball vom Fuß, der sonst nur aus zwei Metern ins leere Tor hätte einschieben müssen (78.).
Svenssons Aktion (Kehl: “Das ist für mich auch wie ein Tor.”) war so wichtig wie sein Treffer zum 1:0 – und seine Kollegen veredelten diese Rettungstat. Zunächst hatte Brandt mit einer brillianten Einzelaktion Simon geprüft (81.), nach der folgenden Ecke hatte der BVB dann jede Menge Glück auf seiner Seite. Marcel Sabitzer schloss nach der abgewehrten Hereingabe volley ab und traf rein zufällig den Fuß von Guirassy, der so ohne aktive Bewegung den Ball unhaltbar ins Tor ablenkte (82.).
Kobel pariert stark und Brandt macht’s vor den Topspielen deutlich
Knapp 20 Minuten lang war der BVB-Sieg auf der Kippe, dieser Moment gab dem Kovac-Team aber wieder deutlich mehr Sicherheit. Gregor Kobel bekam zwar nach 88 Minuten noch die Gelegenheit, nach einem Fernschuss von Ibon Sanchez seine Klasse zu zeigen, ansonsten geriet das eigene Tor nicht mehr in Gefahr. Es gelang aber nicht nur, den Zwei-Tore-Vorsprung – anders als in Turin – über die Zeit zu bringen, sondern Dortmund baute das Ergebnis noch durch Brandts Schuss ins kurze Eck aus (90.+1).
So sind die Borussen nach dem starken Lauf in der Bundesliga auch in der Königsklasse wieder voll im Ergebnis-Soll mit vier Punkten aus zwei Spielen. Es war zudem die perfekte Einstellung auf zwei Topspiele im nationalen Alltag. Am kommenden Samstag (15.30 Uhr) trifft der BVB auf das ebenfalls formstarke RB Leipzig (vier Siege in Serie), nach der Länderspielpause kommt es am Samstagabend zum Duell in München gegen den FC Bayern.
