Wien. Wochenlang nicht zurückbezahlte Kautionen, ominöse Vertragsstrafen etwa für Schnellfahren oder Rauchen im Fahrzeug: Über die Autovermietung 123-Transporter – genauer, die Betreiberfirma dieser Marke in Österreich – häuften sich zuletzt Beschwerden bei Verbraucherschutzverbänden. Auch drei Verbandsklagen des VKI sind anhängig. Nun ist die 123 Shared Mobility GmbH insolvent, ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung wurde eröffnet. Tausende Kunden bangen um ihr Geld.

Gibt es noch Aussicht auf Rückerstattung der abgebuchten Beträge, und was können Betroffene jetzt tun? Darüber hat die „Presse“ mit Petra Leupold, Leiterin der Abteilung Klagen beim VKI, und mit AK-Konsumentenberaterin Yasmine Krückel gesprochen.

1 Was war die Vorgeschichte, wie kam es überhaupt so weit?

Die 123 Shared Mobility GmbH hatte den Transporterverleih gemeinsam mit einem Flottenpartner betrieben, der die Fahrzeuge zur Verfügung stellte. Die Transporter standen z. B. auch bei Filialen von Obi und Hornbach zur Anmietung bereit. Laut Verbraucherschützern kam es jedoch immer wieder zu Kundenbeschwerden, vor allem in jüngster Zeit. Allein die AK Oberösterreich berichtete in einer Aussendung von rund 4500 Beschwerdefällen seit Dezember 2022, wobei über 3300 heuer eingegangen seien und davon wiederum 850 im September. Die Baumärkte wie auch der Flottenpartner haben die Kooperation inzwischen beendet. Gegen den Geschäftsführer der 123 Shared Mobility GmbH wird, wie schon berichtet, seit Kurzem wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Veruntreuung ermittelt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Wegen der Insolvenz sind nun auch die drei Verbandsverfahren des VKI unterbrochen. In diesen geht es um möglicherweise unlautere Geschäftspraktiken, gröblich benachteiligende AGB-Klauseln, z. B. im Zusammenhang mit den Vertragsstrafen, und um die Modalitäten hinsichtlich der Kautionen.

2 Kautionen sind nicht unüblich, worin liegt hier das Problem?

Dass zusätzlich zur Miete auch Kautionen eingehoben würden – laut AK Oberösterreich zuletzt 500 oder 1000 Euro je nach Mietdauer – soll vielen Kunden, die ein Fahrzeug über die Website oder die App gemietet haben, zunächst gar nicht bewusst gewesen sein. Das Unternehmen habe vor Vertragsabschluss nicht deutlich darauf hingewiesen, lediglich in den 24-seitigen AGB sei es erwähnt worden. Aus Sicht des VKI wurden somit die gesetzlichen Vorgaben für Onlinegeschäfte nicht eingehalten. Eine weitere Information habe es erst nach Vertragsabschluss gegeben, dann seien auch Alternativen angeboten wurden: ein Kautionsverzicht bei Zahlung eines (nicht rückzahlbaren) Aufpreises von 149 Euro. Oder die 123-Pro-Mitgliedschaft – ein Abo um 67 Euro monatlich mit 24 Monaten Laufzeit.

Aber auch die Rückerstattungsregelungen für die Kaution werfen Fragen auf. Die Erstattung muss demnach eigens beantragt werden, was aber erst 28 Tage nach der Rückgabe des Transporters möglich ist. „Und dann muss man bis zu weitere 28 Tage auf die Rückzahlung warten“, so VKI-Juristin Leupold.

3 Was hat es mit den Vertragsstrafen auf sich?

Vertragsstrafen wurden Kundinnen und Kunden etwa für zu schnelles Fahren oder Rauchen im Fahrzeug über die Kredit- oder Debitkarte abgebucht. In den AGB sind diese Strafen vorgesehen, jedoch halten Verbraucherschützer diese Klauseln für intransparent und gröblich benachteiligend. Denn Strafmandate auszustellen ist Sache der Polizei und nicht des Plattformbetreibers.

4 Zahlt es sich aus, Forderungen in der Insolvenz anzumelden?

Seinen Gläubigern bietet das Unternehmen eine Quote von 20 Prozent innerhalb von zwei Jahren an – das Minimum bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Forderungen müssen bis 31. Dezember angemeldet werden. Die Prüfungstagsatzung soll am 15. Jänner 2026 stattfinden, die Abstimmung über den Sanierungsplan am 29. Jänner.

Ob sich eine Forderungsanmeldung auszahlt, hängt von deren Höhe ab: „Die Anmeldung kostet 31 Euro“, sagt AK-Beraterin Krückel. Bei 500 Euro Kaution stünden dem immerhin 100 Euro gegenüber, die man binnen zwei Jahren zurückbekäme, falls der Sanierungsplan angenommen und erfüllt wird. Ein Kriterium ist dabei, dass ein vertretungsbefugtes Gesellschaftsorgan des Schuldnerunternehmens persönlich zur Tagsatzung kommen muss. Andernfalls würde laut Ediktsdatei der Sanierungsplan als zurückgezogen gelten.

5 Können Kautionen überhaupt in die Insolvenzmasse fallen?

„Es gibt in den neueren AGB offenbar Klauseln, wonach 123 Transporter über die Kaution frei verfügen kann und kein gesondertes Kautionskonto führen muss“, sagt Leupold. „Diese Klauseln sind nach unserer Einschätzung unwirksam, weil sie Verbraucher dazu verpflichten, ungesichert Kredit zu gewähren.“ Das umso mehr im Kontext mit den ebenfalls hochproblematischen Rückzahlungsregeln. Nach Ansicht des VKI seien „die gesetzgeberischen Wertungen zu Kautionen bei Mietverträgen (§ 16b MRG) und bei Heimverträgen (§ 27g KSchG) insofern übertragbar“, sagt Leupold. „Die Kautionen hätten daher auf einem eigenen Fremdgeld- oder Treuhandkonto gesondert verwahrt und umgehend nach Rückgabe des Transporters erstattet werden müssen.“ Der Vermieter hätte dann eine Treuhänderstellung. Würde er insolvent, wären die Mieter abgesichert, weil ihnen ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht zusteht, also ein Anspruch auf den Kautionsbetrag in voller Höhe. Aber: Sollte das Unternehmen die Kautionen tatsächlich nicht getrennt verwahrt, sondern mit seinen eigenen Geldern vermengt haben, wären sie nicht mehr individualisierbar vorhanden. „Dann gibt es insolvenzrechtlich – wie auch bei Miet- und Heimverträgen – kein Aus- oder Absonderungsrecht“, sagt Leupold.

6 Wie könnte man sonst zu seinem Geld kommen?

Bei unzulässigen Abbuchungen sollte man bei der Bank, die die Kredit- oder Debitkarte ausgestellt hat, die Rückbuchung beantragen, rät die AK. Ein Rechtsanspruch darauf bestehe zwar nicht, man habe hinsichtlich dieses Chargeback-Verfahrens aber „positive Rückmeldungen“ erhalten, sagt Krückel.

7 Haftet vielleicht auch jemand persönlich für die Schäden?

Das soll hier nicht behauptet werden. Zu prüfen wird es wohl sein – einschließlich der Frage, ob der Insolvenzantrag rechtzeitig oder womöglich zu spät gestellt wurde.