Die Einführung des digitalen Euros, einer digitalen Form des Zentralbankgeldes, befindet sich in den politischen Mühlen der EU. Vor allem im Europäischen Parlament stößt das Projekt auf erhebliche Widerstände und zieht sich in die Länge. Ursprünglich sollten die rechtlichen Grundlagen für das digitale Zahlungsmittel schon im vorigen Mandat stehen. Doch etwa Konservative wie der damalige Berichterstatter Stefan Berger (CDU) bremsten. Das Mitglied der EVP-Fraktion wartete nicht einmal mit einem Verhandlungsvorschlag auf. Befürworter sehen mit dem Vorhaben aber weiterhin die Chance auf Zahlungsresilienz und fairen Wettbewerb vor allem gegen das private Duopol Visa und Mastercard verknüpft. Mit einer Einführung rechnen sie frühestens 2028 oder 2029.
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Der jetzige parlamentarische Berichterstatter, Fernando Navarrete (EVP), gilt als erfahrener spanischer Zentralbanker – aber auch als lauter Kritiker des digitalen Euros. Immer wieder fragt er, ob ein solches Experiment überhaupt nötig sei. Auf Druck anderer Fraktionen wie den Sozialdemokraten und den Grünen sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) hat er inzwischen aber rund zehn Seminare zum Thema mit anderen Abgeordneten und Interessensvertretern organisiert. Mit Spannung wird nun sein Berichtsentwurf bis zum 24. Oktober erwartet.
Laut Damian Boeselager (Volt), der für die Grünen-Fraktion an dem Dossier mitverhandelt, wird Navarrete voraussichtlich eine Konditionalität vorschlagen: Der digitale Euro soll nur eingeführt werden, wenn private Aktivitäten wie die European Payment Initiative (EPI) keine ausreichende Marktabdeckung in den 27 EU-Ländern erreichen. Die EPI war angetreten, um eine europäische Zahlungsinfrastruktur zu stärken, die resilient sowie universell und grenzüberschreitend zu guten Konditionen einsetzbar ist. Diese Ziele erreichte sie zunächst nicht, steht aber angesichts der Pläne für den digitalen Euro vor einer Wiederbelebung.
Boeselager sieht insgesamt Fortschritte. Die Abstimmung im federführenden Parlamentsausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) ist für den 5. Mai 2026 geplant, die im Plenum für Mitte/Ende Mai. Wenn der Ministerrat planmäßig bis Ende dieses Jahres Stellung bezieht, könnten die abschließenden Verhandlungen mit den Volksvertretern und der Kommission im sogenannten Trilog bis Ende 2026 abgeschlossen werden. Zwei bis drei Jahre später könnte der digitale Euro einsatzbereit sein, wenn die EZB dafür weiterhin schon vorab – ohne eigentliche rechtliche Basis – die technischen Grundlagen schafft.
Pro und Contra: Souveränität, Wettbewerb und Privatsphäre
Pro-Argumente für den digitalen Euro zielen vor allem auf die Souveränität und Resilienz des europäischen Zahlungsverkehrs ab. Die derzeitige hohe Abhängigkeit von US-amerikanischen Systemen wie Visa und Mastercard, die rund 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der EU abwickeln, birgt Risiken. Dies zeigen die Beispiele Russlands und der US-Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof. Ein öffentliches System soll diesem Duopol ein offenes, wettbewerbsfähiges System entgegensetzen und die Händlerabgaben, die bei Kreditkarten hoch sind, senken.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Inklusion für EU-Bürger ohne eigenes Bankkonto, die vom gesellschaftlichen Leben zunehmend ausgeschlossen wären. Zudem könnte eine öffentliche Infrastruktur Innovationen fördern. Auch im Bereich Privatsphäre bietet der digitale Euro Vorteile, da die EZB im Gegensatz zu Visa und Mastercard keine umfassenden Zahlungsinformationen sammeln würde.
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Widerstand kommt vor allem von Geschäftsbanken, die sich ausgebootet fühlen sowie den Wettbewerb mit einem öffentlichen System und den hohen Programmierungsaufwand fürchten. Der Handel ist anderer Ansicht. Die EZB selbst betreibt derweil vehement Lobbying für den digitalen Euro und überrascht durch ständig neue Ideen.
Streit über potenzielles Bargeld-Aus
Die Vorschläge der EU-Kommission sehen zwei Formen vor: Ein Offline-Euro soll – ähnlich der wenig erfolgreichen Geldkarte – das Laden von bis zu 300 Euro auf ein Endgerät und den Austausch in räumlicher Nähe ermöglichen. Dies soll Bargeld ähneln und volle Privatsphäre gewährleisten. Beim Online-Euro müssten Banken jedem Nutzer eine neue “Linie” auf dem normalen Konto für digitale Euro einrichten.
Der geplante Status als gesetzliches öffentliches Zahlungsmittel, das jeder annehmen muss, würde Boeselager zufolge eine sofortige Marktdurchdringung ohne Einzelverträge sichern. Demgegenüber stünde die Notwendigkeit einer hohen öffentlichen Finanzierung. Ein alternatives, weniger komplexes Modell, mit dem der Schattenberichterstatter der Grünen liebäugelt: Die EZB könnte lediglich die sogenannte Settlement-Infrastruktur in Form der Digital Euro Service Platform (DESP) zur Verfügung stellen. Dies würde die Souveränitätsfrage lösen, ohne dass Bürger Guthaben beim digitalen Euro halten müssten. Sie könnten wie bei Klarna oder Kreditkarten Zahlungen direkt vom eigenen Konto übertragen, ohne einen “Vorrat” an Digitalmünzen darauf anzulegen.
Die Angst vor einer Bargeldabschaffung tut Boeselager als “Verschwörungstheorie” und emotionales Thema ab, das besonders von der AfD instrumentalisiert werde. Die Kommission habe mit ihrem Vorschlag deutlich gemacht: Der digitale Euro solle das Bargeld nicht ersetzen, sondern dessen Akzeptanz stärken.
Die Höhe des Haltebestands soll voraussichtlich die EZB vorschlagen, die Regulierungsvorgaben dafür die Mitgliedsländer im Rat festlegen. Die Bandbreite reicht aktuell zwischen 800 Euro und 10.000 Euro – im Gespräch ist vor allem ein Limit von 3000 Euro. Für Boeselager steht fest: Es muss sichergestellt werden, dass das Instrument einen tatsächlichen Mehrwert bietet, einfach in der Nutzung ist und Händlergebühren reduziert.
(afl)
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