Brüssel. Nach Einschätzung hochrangiger Nato-Beamter hat Russland mit seiner Sommeroffensive in der Ukraine seine Ziele klar verfehlt. „Russlands Sommeroffensive ist gescheitert“, sagte ein Top-Beamter der Allianz gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und internationalen Journalisten. Zwar habe Moskau zuletzt kleinere Geländegewinne erzielt, doch die Bilanz des Sommers falle für das russische Militär ernüchternd aus. Nach Wochen intensiver Kämpfe an mehreren Frontabschnitten fehle es an Schwung, Material und Personal, um größere Fortschritte zu erzwingen. Es sei eine „weiterhin dynamische, aber für Russland zunehmend schwierige Lage“. Im September eroberte Russland rund 250 Quadratkilometer ukrainisches Territorium, fast halb so viel wie im Monat zuvor. Ein Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigungslinien sei in absehbarer Zeit höchst unwahrscheinlich.

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Nach dem Scheitern der Sommeroffensive intensiviert das russische Militär den Drohnenkrieg gegen die Energieinfrastruktur, ebenso wie an der Front. Die russischen Streitkräfte konzentrieren sich unter anderem auf die Regionen Saporischschja und Donezk, wo offenes Gelände und überdehnte ukrainische Einheiten begrenzte Fortschritte erlauben. Doch der Preis dafür ist enorm: Die Zahl der gefechtsunfähigen, russischen Soldaten ist laut Schätzungen der Allianz inzwischen auf mehr als 1,1 Millionen gestiegen, über 250.000 von ihnen sind Gefallene. Auch der materielle Verschleiß ist enorm: Zwischen 4.000 und 9.000 Kampfpanzer sowie rund 20.000 gepanzerte Fahrzeuge seien zerstört oder kampfunfähig.

May 5, 2025, Moscow, Moscow Oblast, Russia: Russian President Vladimir Putin, reads a report as he listens to Moscow Mayor Sergei Sobyanin, during a face-to-face meeting at the Kremlin, May 5, 2025 in Moscow, Russia. Moscow Russia - ZUMAp138 20250505_zaa_p138_006 Copyright: xVyacheslavxProkofyev/KremlinxPoox
Wie die russische Wirtschaft unter Kriegsfolgen leidet

Bislang erwies sich die russische Wirtschaft erstaunlich resilient gegen das Sanktionsregime der USA und der EU. Doch nun mehren sich die Zeichen, dass die Lasten des Krieges Auswirkungen haben.

Russland habe zunehmend Probleme, auf alte sowjetische Bestände zurückzugreifen, um an Ersatzteile für Panzer und andere Waffen zu gelangen. „In vielen Fällen sind diese Reserven jetzt erschöpft“, so der Nato-Beamte im Hauptquartier der Allianz in Brüssel. Dafür brummt die russische Rüstungsindustrie: Sie produziert laut Nato-Schätzungen etwa 130 Panzer pro Monat, also rund 1.600 pro Jahr. „Die Waffen sind nicht immer hochwertig, aber sie sind gut genug für den Krieg in der Ukraine“, so der Nato-Beamte.

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Russen bessern im Drohnenkrieg nach

Wenn der Krieg eines Tages zu Ende sein wird, dürfte Russland in einigen Bereichen stärker aufgestellt sein als zu Beginn des Krieges. Besonders deutlich zeigt sich diese Entwicklung in der Drohnenkriegsführung. Noch zu Jahresbeginn seien rund 98 Prozent russischer Drohnen von den Ukrainern abgeschossen worden, doch inzwischen liege die ukrainische Abfangquote nur noch bei 85 bis 90 Prozent, analysiert der Nato-Beamte. „Die Russen haben ihre Taktiken angepasst, die Reichweite ihrer Drohnen verbessert und die Sprengkraft ihrer Ladungen erhöht.“

Russland setze zudem in großem Stil auf Schwarmstrategien, also koordinierte Angriffe hunderter Drohnen gleichzeitig. In manchen Nächten würden bis zu 500 Drohnen gestartet, um die ukrainische Luftverteidigung zu überlasten. Auch die Einsatzhöhen hätten sich verändert: Viele Systeme flögen jetzt deutlich höher und seien schwieriger abzufangen. Daneben spielt auch die Masse eine Rolle: Im September habe Russland rund 5.500 Drohnen eingesetzt, in der ersten Oktoberhälfte bereits über 2.400 – und die Tendenz sei weiter steigend.

Je mehr Nordkoreaner man im Kampf oder auf dem Schlachtfeld sieht, desto mehr ist das nur ein weiteres Zeichen für die Schwäche Russlands im Kampf in der Ukraine.

Matthew Whitaker,

US-Botschafter bei der Nato

Der US-Nato-Botschafter Matthew Whitaker bestätigte außerdem den Einsatz nordkoreanischer Soldaten in der Ukraine. Derzeit würden sie eher die Verteidigungsstellungen verstärken, statt direkt an der Front eingesetzt zu werden. Russland habe wohl Bedenken, so seine Einschätzung, alle Kräfte aus Nordkorea als Kanonenfutter zu verfeuern. Für Whitaker ist jedoch klar: „Je mehr Nordkoreaner man im Kampf oder auf dem Schlachtfeld sieht, desto mehr ist das nur ein weiteres Zeichen für die Schwäche Russlands im Kampf in der Ukraine.“

Trump und Putin vereinbaren Budapest-Gipfel

US-Präsident Donald Trump begrüßt den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Joint Base Elmendorf-Richardson in Alaska.

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Kremlchef Wladimir Putin hat unterdessen überraschend mit US-Präsident Donald Trump telefoniert. Trump zeigte sich anschließend überzeugt, der Erfolg im Nahen Osten könne auch die Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine voranbringen. US-Außenminister Marco Rubio soll bereits in der kommenden Woche erste Gespräche führen, bevor sich Trump und Putin in Budapest zu einem Gipfeltreffen begegnen wollen. Der außenpolitische Berater des Kremlchefs, Juri Uschakow, bestätigte die geplante Begegnung. Trump habe im Telefonat Budapest als Ort vorgeschlagen, Putin habe sofort zugestimmt. Der ungarische Premier Viktor Orbán reagierte prompt: „Wir sind bereit!“

Es gibt weiter keinen Hinweis darauf, dass Moskau Interesse an einem echten Waffenstillstand hat.

Nato-Beamter

In der Nato überwiegt jedoch Skepsis. „Trotz Gerüchten über weitere Gespräche in den kommenden Wochen sehen wir immer noch keine Anzeichen dafür, dass sich die Position Russlands geändert hat oder dass es zu bedeutenden Zugeständnissen bereit ist“, erklärte ein hochrangiger Beamter im Hauptquartier der Allianz. Es gebe weiter keinen Hinweis darauf, dass Moskau Interesse an einem echten Waffenstillstand habe. „Russland behält seine Maximalziele in der Ukraine bei, einschließlich der Einnahme aller vier von ihm beanspruchten Oblaste, eines Machtwechsels und der Entmilitarisierung des Landes.“ Man befinde sich derzeit nicht am Ende des Krieges, sondern noch mittendrin.

Zuvor hatte Trump bereits in Alaska mit Putin über einen möglichen Frieden in der Ukraine verhandelt – ohne Ergebnis. Sollte es nun tatsächlich in den nächsten zwei Wochen zu einem Gipfeltreffen in Budapest kommen, wäre es das erste Mal seit Beginn des Angriffskriegs, dass Putin EU-Boden betritt. Möglich wäre dies, weil Ungarn aus dem Internationalen Strafgerichtshof ausgetreten ist und daher den internationalen Haftbefehl gegen Putin nicht vollstrecken müsste. Zudem besteht für den russischen Präsidenten eine Ausnahmeregelung in den EU-Sanktionen, die ihn vom Einreiseverbot ausnimmt.