Die auch in Luxemburg voranschreitende SUV-isierung sorgt insbesondere im innerstädtischen Verkehr des Öfteren für Unmut. Viel zu große Autos zwängen sich durch enge Stadtstraßen, Parkhäuser und Tiefgaragen sind angesichts der Möchtegern-Geländewagen noch mehr verstopft als ohnehin schon. Aus einem fernen Land mit gänzlich anderen Platzverhältnissen kommt dieser Tage ein Testwagen mit Offroad-Qualitäten daher, der selbst die größten SUVs im luxemburgischen Verkehrschaos zu zahmen Schoßhündchen degradiert. Die Rede ist vom Ram 1500, welcher von der Chrysler-Group, dem einzigen nordamerikanischen Stellantis-Ableger, produziert wird.
Die wuchtige Front des Ram 1500 untermauert das Auftreten des Pickups. Foto: Dustin Mertes
Eine Frontkamera deckt den toten Winkel unterhalb der Motorhaube ab. Foto: Dustin Mertes
Die Parkplätze des Redaktionsparkplatzes reichen nur mit Ach und Krach für den Ram 1500. Foto: Dustin Mertes
Der Heckbereich bildet die klassische Pickup-Form. Foto: Dustin Mertes
In den USA ist der wuchtige Pickup ein Kassenschlager, in Europa fristet die ausufernde Fahrzeugkategorie eher ein Nischendasein. Vergangenes Jahr seien in Europa rund 8.000 solcher Fahrzeuge verkauft worden, verriet Ram-, Dodge- und Jeep-Europachef Eric Laforge gegenüber dem „Handelsblatt“. Rund 75 Prozent gingen davon auf das Konto von Stellantis, was sicherlich auch darauf zurückzuführen ist, dass Konkurrent Ford seinen unbestrittenen Marktführer, den F150, nicht in Europa anbietet.
So hoch wie breit
Schon auf dem Redaktionsparkplatz ist der Ram 1500 aufgrund der schieren Größe eine massive Erscheinung, die alleine schon dadurch auffällt, dass sie nicht in die vorgesehenen Parkplätze passt. Nicht nur die fast sechs Meter Länge sind gewaltig, auch die Breite von rund zwei Metern (ohne Spiegel) ist nicht von schlechten Eltern. Zusätzlich ist der Amerikaner so hoch wie breit, was automatisch schon den Großteil der meisten Tiefgaragen und Parkhäuser als Abstellmöglichkeit in der Stadt eliminiert. So wirklich praktisch ist der Ram 1500 also nicht, wer Fahrten in die Innenstadt plant, muss sich vorher informieren, wo sich das Schiff überhaupt abstellen lässt.
Akrobatikübungen sind zum Einstieg zum Glück nicht nötig, automatisch ausfahrende Trittbretter sorgen für einen bequemen Zugang ins Innere. Wer dann in der geräumigen Doppelkabine des Ram 1500 Platz genommen hat, dürfte angesichts des wertigen Innenraums durchaus positiv überrascht werden, so mancher Europäer sieht dagegen alt aus. Leder, Aluminium-Applikationen und Klavierlack dominieren die wuchtige Cockpit-Landschaft, in der so ziemlich alles untergebracht ist, was man sich vorstellen kann. An Luxus mangelt es dem Ram 1500 nicht, das einstige Arbeitspferd hat sich mittlerweile durchaus zu einem Statussymbol gemausert und punktet mit einem Beifahrerdisplay (10,25 Zoll), Panorama-Dach, Wirelss-Chargern und unzähligen Anschlüssen.
Das Cockpit des Ram 1500 präsentiert sich als massive Schaltzentrale mit hochwertigen Materialien. Foto: Hersteller
Das Cockpit des Ram 1500 präsentiert sich als massive Schaltzentrale mit hochwertigen Materialien. Foto: Dustin Mertes
Die automatisch ausfahrbaren Trittbretter erleichtern den Einstieg. Foto: Dustin Mertes
In der Steuerzentrale verfolgt der Ram mit zahlreichen Knöpfen noch einen angenehm klassischen Ansatz. Auch wenn ein vertikales 14,4-Zoll-Infotainment-Display verbaut ist, erfolgt der Großteil der Bedienung über Knöpfe, was für deutlich weniger Ablenkung während der Fahrt sorgt. Passend dazu ist die Software des Ram 1500 aber auch nicht unbedingt seine Stärke und wirkt verhältnismäßig altbacken und langsam. Multimedia-Kunststücke sollte man also besser nicht erwarten, aber alles Nötige ist an Bord.
Schnappatmung in der Autobahnbaustelle
Auf einer Sitzhöhe, die mit der endlos langen Motorhaube eher an einen Ozeankreuzer als an einen Pkw erinnert, steuern wir den Ram 1500 auf die Straße. Gegen den massiven toten Winkel vor der Motorhaube hat man eine Frontkamera verbaut. Ansonsten steuert sich das Pickup erstaunlich agil, auch wenn Kurven aufgrund der enormen Länge etwas großzügiger genommen werden müssen. Auch die ein oder andere Autobahnbaustelle sorgt mit schmalen Spuren für dezente Schnappatmung. Im klassischen Überland- und Autobahnverkehr fällt die Größe weder beim Fahren in Luxemburg, noch in den Nachbarländern negativ ins Gewicht. Stattdessen stellt sich schnell ein entspannt-erhabenes Fahrgefühl mit hohem Cruising-Faktor ein.
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Die Fahrwerksabstimmung überrascht dank Luftfahrwerk mit einer guten Spreizung zwischen dynamischeren Momenten und gepflegtem Umhercruisen. Ein Kurvenräuber wird der Ram 1500 natürlich trotzdem nie, aber wer dem Reihensechszylinder mit seinen 426 Pferdchen die Sporen gibt, erlebt trotz 2,5 Tonnen ein erstaunlich sportliches Fahrgefühl. Komfort-betonte Langstreckenfahrten mit bemerkenswerter Laufruhe sind natürlich ebenso möglich, wie präzise, aber gut abgefederte Offroad-Fahrten. Gefühlt kann den Ram 1500 nichts aufhalten.
Naja, fast nichts, ein leerer Tank vermutlich schon. Der spritschluckende Ruf eilt der Fahrzeugkategorie schließlich schon voraus, doch der Sechszylinder des Ram 1500 gibt sich erstaunlich genügsam. Auf mehreren hundert Testkilometern pendelte sich der Verbrauch bei einem gemischten Fahrprofil aus Autobahn-, Landstraße- und Stadtpassagen bei einigermaßen überschaubaren elf Litern ein. Das ist sicherlich nicht wenig, aber die Tatsache, dass es sich hier um ein 2,5-Tonnen-Ungetüm mit 420 PS handelt, relativiert den Wert dann doch ein wenig, zumal die Power für anstrengende Transportaufgaben bereitsteht. Ein Gespräch mit einem anderen Ram-Fahrer bestätigt den Eindruck. Er ziehe regelmäßig einen Anhänger mit mehreren Harleys und der Verbrauch liege nie über 14 Liter/100 Kilometer.
Die Ladefläche des Ram 1500 beläuft sich auf rund 1,7 mal 1,7 Meter Fläche. Foto: Dustin Mertes
Die Ladefläche des ram 1500 beläuft sich auf rund 1,7 mal 1,7 Meter Fläche. Foto: Dustin Mertes
Neben verschiedenen Befestigungsmöglichkeiten wurde auch an eine Steckdose gedacht. Foto: Dustin Mertes
Optional lässt sich die Ladefläche mit einer Abdeckung verschließen. Foto: Hersteller
Dank Anhängerkupplung kann der Ram 1500 auch noch bis zu 3,5 Tonnen ziehen. Foto: Dustin Mertes
Dank Anhängerkupplung kann der Ram 1500 auch noch bis zu 3,5 Tonnen ziehen. Foto: Hersteller
Die Rückbank bietet jede Menge Platz für Passagiere. Foto: Dustin Mertes
Für mehr Stauraum im inneren der Fahrgastzelle lässt sie sich auch hochklappen. Foto: Dustin Mertes
In Europa darf das Arbeitspferd bis zu 3,5 Tonnen ziehen, in den USA sind sogar über fünf Tonnen möglich. 850 Kilogramm dürfen hierzulande zugeladen werden. Dazu ist nicht nur viel Platz im rund 1,70 mal 1,70 Meter großen „Bett“, also der charakteristischen Pickup-Ladefläche, sondern auch in der Doppelkabine. Wer die Rückbank hochklappt, erhält ein zusätzlich großes Ladeabteil gleich hinter den Vordersitzen und somit im abschließbaren Bereich des Fahrzeugs. Der Zubehörmarkt liefert aber auch für die Ladefläche verschließbare Abdeckungen. Sollen auf den hinteren Sitzplätzen Passagiere mitfahren, erleben diese beinahe königlichen Platzverhältnisse wie in einer Oberklasse-Limousine. Von der enormen Größe des Fahrzeugs wird also abgesehen vom gewaltigen Motorraum kaum etwas verschenkt.
Weitere Vergleiche zur Oberklasse zwängen sich aber auch bei einem Blick auf die Preisliste auf. Schon in der Basis steigt der Ram 1500 mit ambitionierten rund 77.000 Euro ein und geht je nach Ausstattung auf bis zu 127.000 Euro hoch, dann allerdings auch mit dem noch stärkeren 540-PS-Reihensechszylinder. Damit ist die Pickup-Ikone zumindest in Europa eher als Premium-Lifestyle-Gefährt denn als Arbeitstier für jedermann eingepreist. Wer viel Platz, eine Ladefläche und Power benötigt, bekommt mit dem Ram 1500 einen sperrigen, aber absolut überzeugenden Allrounder mit Offroad-Qualitäten, der nicht nur bei einem Druck aufs Gaspedal richtig Spaß macht. Außer man muss in der Innenstadt parken…
Für die Zukunft stellt Stellantis übrigens eine Plug-In-Hybrid-Variante in Aussicht, auch eine reine Elektro-Variante des US-Riesen zeichnet sich am Horizont ab. Für die Zukunft ist also gesorgt.
Der Testwagen wurde der Redaktion vom Hedin Automotive Luxembourg zur Verfügung gestellt.
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