Berlin – und ganz Deutschland – stehen möglicherweise vor einem ungewöhnlichen Winter. Während die vergangenen 14 Winter in Folge zu mild ausfielen, mehren sich die Anzeichen für eine Trendwende. Meteorologen beobachten eine seltene Konstellation: La Niña im Pazifik trifft auf eine östliche Stratosphären-Oszillation. Was abstrakt klingt, könnte konkrete Folgen haben – von vereisten Gehwegen in Berlin, Brandenburg und anderswo bis zu explodierenden Gas- und Stromrechnungen in ganz Deutschland.

Der Winter 2024/25 ist recht wilder verlaufen. Mit durchschnittlich 1,9 Grad über dem langjährigen Mittel reiht sich der vergangene Winter nahtlos in die Serie der sogenannten Mildwinter ein, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) bilanziert. Doch für 2025/26 könnte sich das Blatt wenden.

Die Wissenschaft hinter der Kälte-Prognose

„La Niña-Bedingungen sind vorhanden und werden voraussichtlich bis Februar 2026 anhalten“, warnt das US Climate Prediction Center. Was sich nach fernem Pazifikwetter anhört, hat direkte Auswirkungen auf Europa. Die Kombination aus La Niña und einer sogenannten östlichen QBO (Quasi-Biennial Oscillation) erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen schwachen Polarwirbel – und genau das könnte arktische Kaltluft bis nach Berlin bringen.

Nick Finnis, britischer Meteorologe, erklärt die Mechanik dahinter: „Diese Konstellation begünstigt Störungen des Polarwirbels, was zu Kälteeinbrüchen führen kann, besonders im mittleren bis späten Winter.“ Die Wahrscheinlichkeit für eine plötzliche Stratosphärenerwärmung steigt – ein Phänomen, das in zwei von drei Fällen mehrere Wochen später zu Kältewellen in Mitteleuropa führt.

Was das für Berlins Energierechnung bedeutet

Die Zahlen sind alarmierend: Schon jetzt zahlen Berliner Haushalte für Gas zwischen 10,70 und 11,29 Cent pro Kilowattstunde. Ein durchschnittlicher Haushalt mit 70 Quadratmetern kommt laut aktuellem Heizspiegel auf etwa 1.180 Euro Gaskosten pro Jahr – 15 Prozent mehr als im Vorjahr.

Bei der Fernwärme sieht es kaum besser aus: Die Berliner Energie und Wärme (BEW) hält zwar die Preise bis Ende 2025 stabil bei 9,709 Cent/kWh, doch ab Januar 2026 greift eine neue Preisanpassungsklausel. Deren Auswirkungen? Noch völlig unklar, aber abhängig von Gas-, Kohle- und CO₂-Preisen – alles Faktoren, die bei einem strengen Winter explodieren könnten.

Berliner Sonderweg: Rekommunalisierung als Rettungsanker?

Berlin hat einen Trumpf im Ärmel: Die Stadt kaufte 2024 das größte Fernwärmenetz Westeuropas zurück. „Das ist der einfachste Hebel, um auf grüne Energien umzustellen”, kommentiert ein Reddit-Nutzer die Rekommunalisierung. Tatsächlich könnte die städtische Kontrolle über das Netz Preissprünge abfedern – wenn die Politik mitspielt.

Für Mieter in den typischen Berliner Altbauten bleibt die Situation dennoch prekär. Viele Gebäude sind schlecht gedämmt, die Fenster undicht, die Heizungen veraltet. „90 Prozent der Haushalte haben ein Sparpotenzial von durchschnittlich 400 Euro pro Jahr”, rechnet co2online vor. Doch die Umsetzung scheitert oft am Vermieter.

Hoffnungsschimmer: Förderungen und fallende Strompreise

Es gibt auch gute Nachrichten: Die KfW fördert den Heizungstausch mit bis zu 70 Prozent der Kosten. Die Berliner IBB bietet bis Ende Oktober 2025 vergünstigte Kredite für energetische Sanierungen. Und ab 2026 sollen die Stromnetzentgelte in Berlin von 11,86 auf 8,88 Cent pro kWh sinken – ein Segen für Wärmepumpenbesitzer.

Besonders interessant: Wärmepumpen-Haushalte zahlen schon jetzt nur etwa 715 Euro Heizkosten jährlich – fast 40 Prozent weniger als Gaskunden. Bei einem strengen Winter könnte sich diese Schere noch weiter öffnen.

Was Berliner jetzt tun sollten

Die Verbraucherzentrale Berlin rät zu sofortigen Maßnahmen: Heizkörper entlüften, Thermostate richtig einstellen (jedes Grad weniger spart 6 Prozent Energie), Stoßlüften statt Dauerkipp. „Mindestens 16 Grad sollten es in jedem Raum sein, sonst droht Schimmel”, warnt die Verbraucherzentrale.

Für Hausbesitzer lohnt sich der Blick auf die Fördertöpfe: Wer jetzt eine neue Heizung plant, sollte noch vor dem 31. Oktober die IBB-Zinsaktionen nutzen. Der Antrag muss vor Baubeginn gestellt werden – eine Hürde, an der viele scheitern.

Der Blick über Berlin hinaus

Was für Berlin gilt, trifft Deutschland doppelt: Während die Hauptstadt wenigstens auf ihr Fernwärmenetz setzen kann, heizen 48 Prozent der deutschen Haushalte mit Gas – und sind den Preisschwankungen schutzlos ausgeliefert. In Bayern und Baden-Württemberg, wo Wärmepumpen noch seltener sind als in Berlin, könnte ein strenger Winter zur Kostenfalle werden.

Die Bundesregierung plant zwar Entlastungen – 6,5 Milliarden Euro jährlich für niedrigere Netzentgelte ab 2026. Doch bis dahin müssen die Deutschen durch einen möglicherweise eisigen Winter 2025/26.

Wie Sie sich jetzt vorbereiten können

Ob der Winter tatsächlich so kalt wird, wie einige Modelle andeuten, bleibt ungewiss. „Die Unsicherheit ist noch sehr hoch”, räumen selbst die Optimisten ein. Sicher ist nur: Wer jetzt vorsorgt – sei es durch kleine Dämmmaßnahmen, einen Heizungs-Check oder schlicht durch höhere Abschlagszahlungen – ist auf der sicheren Seite.

Für Berlin bedeutet das: Die Stadt muss ihre Chance nutzen. Mit dem rekommunalisierten Fernwärmenetz und gezielten Förderungen könnte die Hauptstadt zum Vorbild werden – wenn sie schnell genug handelt. Denn eines ist klar: Der nächste Winter kommt bestimmt. Und er könnte teurer werden als gedacht.

Wer seine Heizung modernisieren oder die Energieeffizienz seines Hauses verbessern möchte, findet in Berlin verschiedene Unterstützungsangebote. Die KfW-Bank fördert Heizungsprojekte derzeit mit Zuschüssen von bis zu 70 Prozent. Ergänzend dazu bietet die Investitionsbank Berlin (IBB) bis zum 31. Oktober 2025 zinsgünstige Sanierungskredite an; Informationen dazu finden Sie hier, ähnliche Angebote finden Sie auch bei Investitionsbank in anderen Teilen des Landes. Für individuelle Fragen zur Energieeinsparung steht die Verbraucherzentrale Berlin mit einer umfassenden Energieberatung zur Verfügung, regionale Angebote finden sich auch hier landesweit. Einen Überblick über durchschnittliche Heizkosten und Vergleichswerte bietet schließlich der Heizspiegel 2025 auf www.heizspiegel.de.