Im Mittelpunkt des Geschehens steht die in Luxemburg ansässige NATO Support and Procurement Agency (NSPA). Die NSPA beschäftigt 1.500 Mitarbeiter und wird in diesem Jahr Beschaffungsaufträge im Wert von 10 Mia. € für die Nord-Atlantische Verteidigungs-Allianz abwickeln.
In einem der drei Korruptionsfälle verhaftete die Bundesanwaltschaft im Mai drei Personen in Belgien. Der Knack-Journalist Kristof Clerix, der an der Aufklärung beteiligt war, sagte gegenüber VRT NWS, einer von ihnen sei ein 60-jähriger Munitionsspezialist aus Bredene (an der belgischen Küste bei Ostende): “Dieser Mann arbeitete früher selbst für die NATO-Agentur, gründete dann aber seine eigenen Beratungsfirmen. Auch zwei weitere Belgier stehen unter Verdacht. Alle drei waren Kollegen.”
Einer der drei Verdächtigen befindet sich noch in Haft, ein zweiter wird mit einer Fußfessel versehen elektronisch überwacht und der dritte Verdächtige wurde gegen Kaution freigelassen. Den Ermittlungen zufolge haben die drei Verdächtigen möglicherweise vertrauliche Informationen an Rüstungsunternehmen weitergegeben, um lukrative Verträge mit der NATO abzuschließen. In diesem Fall geht es um Verträge über Flugzeuge, Hubschrauber, Treibstoff und Munition für den Zeitraum zwischen 2021 und 2025.
Informationen durchgesickert?
Kristof Clerix erklärte zu der möglichen Vorgehensweise: “Nehmen wir an, Sie sind ein Rüstungsunternehmen und möchten gleichzeitig an mehrere NATO-Länder verkaufen. In diesem Fall ist es am besten, über die luxemburgische Agentur zu arbeiten. Dabei müssen Sie jedoch alle möglichen Vorschriften einhalten und das ist ziemlich komplex.”
Rüstungsunternehmen nehmen manchmal die Dienste einer Beratungsfirma in Anspruch: “Sie helfen bei der Ausschreibung und das ist in Ordnung, aber wenn diese Beratungsfirma an Insiderinformationen gelangt, ist die Chancengleichheit nicht mehr gegeben. Genau das wird derzeit untersucht: Sind vertrauliche Informationen in Luxemburg durchgesickert? Und haben Belgier dabei eine Rolle gespielt?”
Knack-Journalist Clerix erklärt: “Als wir das US-Justizministerium nach den Gründen fragten, blieben unsere E-Mails unbeantwortet. Wir haben uns dann an ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums gewandt. Sie bestätigten, dass dies sehr merkwürdig sei. Ihrer Meinung nach handelt es sich eindeutig um einen Fall politischer Einflussnahme.”
“Bedauerlich für die NATO”
Nachdem das US-Justizministerium von den Ermittlungen der Journalisten erfahren hatte, kam es zu einem Stillstand: “Ist das Einflussnahme? Von wem? Warum? Hat Präsident Trump den Kampf gegen Korruption als weniger wichtig eingestuft? Oder steckt etwas anderes dahinter? Das ist noch unklar.”
Tatsache ist, dass die Korruptionsskandale zu einem Zeitpunkt ans Licht kommen, an dem die NATO-Staaten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. “Wir werden Milliarden für Bomben und Granaten ausgeben. Daher ist es entscheidend, dass das Geld der Steuerzahler richtig ausgegeben wird. Wenn die zentrale Agentur innerhalb der NATO, die für all diese Käufe verantwortlich ist, im Auge des Sturms steht, ist das besonders bedauerlich für die NATO”, sagte Kristof Clerix dazu abschließend.