Die USA bekräftigen, dass sie eine Annexion des Westjordanlands durch Israel nicht akzeptieren würden. Premier Netanjahu gerät unter Druck von Israels Rechtaußen-Parteien.

Während US-Außenminister Marco Rubio noch im Flugzeug auf dem Weg nach Israel saß, kam es in Teilen des Gazastreifens zu neuen Gefechten. Einwohner berichteten laut der Nachrichtenagentur Reuters von Explosionen und Schüssen aus automatischen Waffen im Osten von Khan Younis und bei Gaza Stadt. Die Feuerpause im Gazastreifen wurde in den vergangenen Tagen immer wieder von Zusammenstößen unterbrochen. Und Rubio besuchte am Donnerstag den Nahen Osten, um sicherzustellen, dass die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas nicht nur von kurzer Dauer ist. Überschattet ist seine Reise von einem brisanten Thema, das die Lage in der Region weiter destabilisieren könnte: den Annexionsplänen für das Westjordanland, die nun Zustimmung im israelischen Parlament erhalten haben. Israels Außenminister Gideon Saar stellte rasch klar, dass seine Regierung diese Gesetzesvorhaben nicht unterstütze. Zugleich bauen die USA Druck auf ihren israelischen Verbündeten auf: Sie machen deutlich, dass mit einer Annexion des Westjordanlands für Washington eine rote Linie überschritten sei.

Die Annexionspläne seien „kontraproduktiv“ und könnten Donald Trumps Friedensplan für Gaza gefährden, kritisierte der US-Außenminister. US-Vizepräsident JD Vance, der vor Rubio nach Israel gereist war, fand noch deutlichere Worte: „Das Westjordanland wird nicht von Israel annektiert werden. Das ist die Politik Donald Trumps“, sagte er laut Reuters. Den jüngsten Vorstoß im israelischen Parlament bezeichnete er als „sehr dummen politischen Stunt“ und als „Beleidigung“. Und israelische Medien zitierten aus einem soeben im „Time Magazine“ erschienenen Telefon-Interview mit Trump. Er habe den arabischen Staaten versprochen, dass das Westjordanland nicht annektiert werde, sagt darin der US-Präsident. „Das wird nicht passieren.“ Und er droht: Sollte Israel trotzdem derartige Schritte setzen, werde es „jede Unterstützung der USA verlieren“.

Während in den vergangenen Monaten alle Augen auf den Gazastreifen gerichtet waren, hat sich die Lage im Westjordanland zunehmend verschärft. Extremistische jüdische Siedler verstärkten ihre Übergriffe auf Palästinenser. Zugleich fordern Rechtsaußen-Politiker in Israel immer offener die Annexion von großen Teilen des Gebiets. Das Westjordanland wurde von Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eingenommen. Hier leben fast drei Millionen Palästinenser und etwa eine halbe Million jüdischer Siedler. Teile des Westjordanlands stehen unter militärischer Kontrolle und Verwaltung Israels. Ein anderer Teil wird von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet.

Im israelischen Parlament, der Knesset, wurde nun in einer ersten Lesung ein Gesetzesentwurf angenommen, wonach Israel seine „Gesetze und seine Souveränität“ in allen jüdischen Siedlungen im Westjordanland durchsetzen und diese Gebiete zu „einem untrennbaren Teil des israelischen Staates“ machen solle. In einem weiteren, ebenfalls angenommenen Entwurf wurde die Annexion der Siedlung Ma‘ale Adumim nahe Jerusalem gefordert, in der fast 40.000 Menschen leben.

Damit beide Anträge Gesetzeskraft erlangen können, müssen sie noch durch eine Begutachtung und drei weitere Abstimmungen. Die Beschlüsse sind deshalb nur ein erster Schritt, der vorerst vor allem symbolischen Charakter hat. Doch sie setzen Premier Benjamin Netanjahu unter Druck – sowohl innen- als auch außenpolitisch. Netanjahu will nicht das gute Verhältnis zu Trump aufs Spiel setzen. Die Signale, die zu dem Thema nun aus Washington gekommen sind, sind auch mehr als deutlich. Um seinen Friedensplan für den Gazastreifen umzusetzen, braucht Trump die Unterstützung wichtiger arabischer Länder wie Ägypten, Saudiarabien oder der Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Anführer dieser Staaten haben klar gemacht, dass sie einen offiziellen Anschluss von Gebieten im Westjordanland an Israel keinesfalls akzeptieren würden. Denn damit würde die Vision von einem Palästinenserstaat in noch weitere Ferne rücken.

Netanjahu und seine Partei Likud stellten sich im Parlament nun auch gegen die Annexionsvorschläge. Die Likud-Führung warf den Befürwortern der Gesetzesvorlagen vor, sie wollten damit den Regierungschef ärgern und das Verhältnis zu den USA torpedieren. Alle Likud-Abgeordneten boykottierten die Abstimmungen. Nur der abtrünnige Likud-Parlamentarier Yuli Edelstein votierte dafür. Auch Netanjahus rechtsextremer Koalitionspartner Itamar Ben-Gvir unterstützte die Annexionsvorlagen in der Knesset. Er sei „stolz“, dass seine Partei an diesem „historischen Tag“ dafür gestimmt habe, wurde Ben-Gvir von „The Times of Israel“ zitiert. Ben-Gvir stellt sich auch klar gegen Trumps Gaza-Friedensplan, den die USA gerade zu retten versuchen.

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