René Oth ist „professeur honoraire“ des klassischen Sekundarunterrichts, hat bislang 38 Bücher bei namhaften deutschen Verlagen veröffentlicht und wirkt als Natur- und Tierfreund.

Gastbeiträge spiegeln die jeweilige Meinung ihrer Autoren wider, nicht die der Redaktion. Sie sind kein Teil der regulären Berichterstattung und Themenplanung des „Luxemburger Wort“. Die Beiträge werden nicht auf Richtigkeit überprüft.

Erst Hitzewellen, Dürre und Waldbrände, dann Starkregen, Unwetter und Hochwasser: Der Klimawandel verschärft die Wetterextreme nicht nur in Europa, sondern weltweit. Strategien dagegen sind längstens bekannt, Politiker müssten die Angelegenheit nur ernst nehmen und nicht auf die lange Bank schieben.

Der stete Wandel ist das einzig Beständige in der Natur. Aber jetzt geht es nicht um langsam vorangehende Veränderungen, sondern um eine totale Wende innerhalb kurzer Zeiträume. Oder die Menschheit geht sehenden Auges zugrunde.

Aufforderung für weniger Flugverkehr

Dass es nichts Schlimmeres gibt als Flugzeuge, die Mensch und Tier, Natur und Umwelt auf unerträgliche Weise belasten, ist längstens bekannt, wird jedoch von politischen Würdenträgern beharrlich verdrängt, die sich von der Flugzuglobby umgarnen lassen, denn Fliegen bringt Milliarden in die Kassen.

Dieses Jahr werden die Airlines laut Aussage ihres Weltverbands Iata weltweit mehr als fünf Milliarden Menschen durch die Lüfte tragen und dabei erstmals mehr als eine Milliarde Tonnen des schädlichen Klimagases Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre blasen. Die von ihnen angestrebte Entgiftung vor allem durch SAF (Sustainable Aviation Fuel), ein Kraftstoff, der anders als herkömmliches Kerosin nicht auf fossilen Energieträgern wie Erdöl basiert, sondern auf Biomasse oder Strom, wird laut Experten des Brüsseler Thinktanks für Zukunftsmobilität „Transport and Environment“ nicht ausreichen, um das Netto-null-Ziel in 25 Jahren zu erreichen.

Die Gründe dafür sind vielfach belegbar: das Wachstum im Luftverkehr, das alle Anstrengungen zunichtemachen wird, und die geringe Verfügbarkeit des teureren nachhaltigen Kraftstoffs, für dessen Produktion Hunderte von SAF-Fabriken schnell gebaut werden müssten. Für Stefan Gössling, unabhängiger Experte für langfristigen Verkehr der Linné-Universität in Schweden, kommt nur ein Weg infrage zur Erreichung der Klimaziele in der Luftfahrt: „Wir müssen weniger Flugverkehr haben.“

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Moloch Flughafen

Die vielen Anrainer des Flughafens und die zahlreichen Bewohner der langen und breiten Einflug- und Ausflugsschneisen (mindestens ein Drittel der Landesbevölkerung) leben Tag für Tag kerosingeschwängert, krachgeschädigt und emissionsverseucht. Das ist unerträglich. Bis 2032 sollen über eine Milliarde Euro in die Modernisierung und Vergrößerung des Flughafens investiert werden.

Der unzeitgemäße Findel darf nicht wie geplant erweitert, sondern muss zurückgebaut werden. Die Zahl der Flüge gehört halbiert. Flugzeuge dürfen nicht dicht über Hausdächer rasen und Fensterscheiben zum Klirren bringen. Cargolux ist diesbezüglich am schlimmsten und müsste mit einem Bann belegt werden. Moderne Flughäfen erheben sich nicht direkt inmitten bevölkerungsreicher Landesteile, wie bei uns, sondern sind bewusst in gehöriger Entfernung erbaut. Der altmodische Findel muss weg von dem Ort, an dem er bisher angesiedelt war, muss einem neuen Stadtteil mit hunderten Sozialsiedlungen weichen und in einer weniger bevölkerten Dreiländerecke neu errichtet werden.

Der unzeitgemäße Findel darf nicht wie geplant erweitert, sondern muss zurückgebaut werden. 

Dass mehr als 3.000 der knapp über 75.000 internationalen Flüge 2024 während des sogenannten „Nachtflugverbots“ in Luxemburg auf Findel gelandet oder gestartet sind – obwohl der Flughafen eigentlich zwischen 23 und 6 Uhr geschlossen sein muss -, müsste jeden klimabewussten Mitbürger bedenklich stimmen.         

Das nächtliche Flugverbot zwischen 11 Uhr abends und 6 Uhr morgens wird überhaupt nicht respektiert, was nicht mehr hinnehmbar ist, und müsste unbedingt von 10 Uhr abends bis 7 Uhr morgens erweitert werden.

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Dass der Flughafen mit unvorhergesehenen und kaum lösbaren Problemen zu kämpfen hat, lässt tief blicken. Die 2021/2022 für 150 Millionen Euro renovierte Piste funktioniert alles andere als einwandfrei. Zahlreiche Zwischenfälle und Mängel wurden inzwischen festgestellt, so dass sich die Schlussfolgerung aufdrängt, die gesamte Piste müsste erneut überarbeitet werden – auf wessen Kosten?

In der Diskussion um einen neuen virtuellen Kontrollturm für Findel fühlt sich die Gewerkschaft der Fluglotsen (GLCCA) ausgeschlossen, die sich unbedingt für den Verbleib des alten traditionellen Towers ausgesprochen hatte. Die Ersetzung der Präsenz vor Ort durch einen virtuellen Tower ist für einen Flughafen von der Größe Luxemburgs völlig ungeeignet und würde zu erheblichen Sicherheitsproblemen führen. Wenn jetzt angeblich ein Kompromiss zwischen Mobilitätsministerium und Gewerkschaft gefunden wurde, scheint dies noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein.

Der „unzeitgemäße“ Findel darf nicht wie geplant erweitert, sondern muss zurückgebaut werden, meint René Oth.  Foto: Shutterstock

Keine Ruhe und Entspannung

Alle Flüsse und Seen in Luxemburg fallen beim Öko-Test durch. Der Zustand unserer Wälder verschlechtert sich weiter. Vier Fünftel aller Bäume weisen Schäden auf. Und es wird aufgrund des Klimawandels auch nicht besser. Laut Klimaforschern des EU-Erdbeobachtungsdienstes Copernicus erlebte die Welt gerade den drittheißesten Juli seit Beginn der Aufzeichnungen.

Von Spanien bis Griechenland lag der Mittelmeerraum unter einer durchgehenden Hitzeglocke. In der Türkei herrschten Rekordtemperaturen von mehr als 50 Grad Celsius. In den USA litt zuletzt etwa die Hälfte der Bevölkerung unter extremer Hitze. Und es wird immer heißer werden. Dafür sorgen zu einem Großanteil auf jeden Fall die übermäßigen Flugbewegungen weltweit und auch in Luxemburg.

In weiten Teilen des Landes vereiteln der Krach des Flughafens und der Lärm der Flugzeuge, dass die dortigen Anwohner die Magie der Stille und deren Heilsamkeit genießen können. Für sie gibt es tagein, tagaus und sogar nachts keine Ruhe. Sogar beim Spaziergang im Wald kommt man nicht zur Entspannung und Erholung.

Alle Flüsse und Seen in Luxemburg fallen beim Öko-Test durch. 

Das gilt insbesondere für das Naturreservat „Aarnescht“ in der Gemeinde Niederanven, das ständig von Flugzeugen überflogen oder allzu dicht umflogen wird. Das Prinzip eines Naturreservats lautet „Natur Natur sein lassen“ und sie schützen, damit sie sich ungestört entwickeln kann. Das ist jedoch in Niederanven durch die unzähligen Flugbewegungen über oder um das zu bewahrende Schutzgebiet unmöglich. Auch jede Form der Jagd müsste aus denselben Gründen dort verboten sein.

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Die Menschen, die dort spazieren gehen, und die Tiere, die dort leben, die Pflanzen, Sträucher und Bäume, die dort stehen, verdienen Schutz und Wertschätzung. Diese Schutzregion muss weiträumig umflogen werden. Das ist nur machbar, wenn die Flugzeuge über die Trierer Autobahn ein- und ausfliegen und nicht mitten durch die Gemeinde Niederanven über Hausdächer dröhnen. Und die Flugzeuge müssen mindestens 20 Kilometer über die dortige Autobahn hinausfliegen, ehe sie über weniger dicht besiedeltes Gelände nach rechts oder links abdriften.

Einklagbarer Klimaschutz

Umweltschutz ist Menschen- und Völkerrecht, sagt der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Staaten sind zum Klimaschutz verpflichtet. Was tut der Staat Luxemburg für seine Bürger zum Schutz vor Schädigung durch Flugzeuge? Nichts! Rein gar nichts! Die Glaubwürdigkeit Luxemburgs steht auf dem Spiel.

Das Gutachten stellt für unser Land einen diplomatischen Imperativ dar, seine Klimapolitik an den vom IGH klargestellten rechtlichen Verpflichtungen auszurichten. Es kann als Referenz für internationale Klagen sowohl gegen den Luxemburger Staat als auch gegen Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, wie Cargolux und Luxair, dienen, die nur eines im Sinn haben, Geld zu scheffeln. Ob dies auf Kosten des Wohlbefindens von Mensch und Tier, Natur und Umwelt geschieht, interessiert niemanden. Bislang.

Wenn Klimaschutz Völkerrecht wird, öffnet das die Tür für Klagen in Luxemburg.

Wenn Klimaschutz Völkerrecht wird, öffnet das die Tür für Klagen in Luxemburg. Und der Flughafen mit den dort operierenden Airlines dürfte als Erster wegen seiner klimaschädlichen Aktivitäten angeklagt werden. Ob die bislang teilnahmslosen Politiker dann endlich hellhörig werden?