Die SBB scheinen bei der Vergabe ihrer Aufträge in der Zwickmühle zu stecken: Entweder gehen sie mit einer günstigeren Variante aus dem Ausland und verärgern so die Schweizer Büezer und deren Unterstützer. Oder sie wählen eine Schweizer Variante und müssen die höheren Kosten verärgerten Kunden erklären. Im Falle der neuen Züge für das Zürcher S-Bahn-Netz hat sich der Bahnbetrieb mit Siemens für Ersteres entschieden. Und die Empörung liess nicht lange auf sich warten.
Allen voran beklagt der Siemens-Konkurrent Stadler Rail die Entscheidung. Wie der Konzern zwar anerkennt, wäre sein Angebot teurer gewesen. Das gleiche sich aber aus durch die Unterstützung eines Schweizer Unternehmens. Der Konzern mit Sitz in Bussnang TG betont im aktuellen Fall gerne die Schweizer Wurzeln. Doch: Nach aussen gibt sich Stadler Rail als globales Unternehmen mit Standorten auf der ganzen Welt.
«Switzerlad First» oder illegale Forderung?
Die SBB widersprechen und verweisen darauf, dass die Bevorzugung inländischer Unternehmen nicht zulässig sei. Dabei bekommen sie Unterstützung von Experten. «Ein Inländerbonus, um die heimische Wirtschaft zu bevorzugen, ist weder mit dem öffentlichen Beschaffungsrecht noch mit internationalen Abkommen vereinbar», sagt etwa Rika Koch von der Berner Fachhochschule gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Viel Schweiz, aber schon lange nicht mehr nur
Wie viel Schweiz steckt also in Stadler? Wie sich anhand der Unternehmensstandorte zeigt, entspricht das Bild eines globalen Unternehmens deutlich besser der Wahrheit als die Darstellung eines urschweizerischen. Besonders in Osteuropa verfügt Stadler Rail über viele Werke. Doch: Insgesamt sind in der Schweiz immer noch deutlich mehr Werke aufgelistet als in allen anderen Ländern.
Allerdings können nicht an allen der Standorte auch Züge produziert werden. Gemäss dem Geschäftsbericht 2024 sind von über 100 Standorten – inklusive Service-Standorten – nur acht tatsächlich Produktionswerke. Acht weitere sind Komponentenwerke.
Stadler verfolge die Philosophie, Züge möglichst dort zu bauen, wo sie bestellt und eingesetzt werden, sagt Jürg Grob, stellvertretender Leiter der Kommunikation bei Stadler, auf Anfrage. «Unser Ziel ist, dass die lokale Wirtschaft von den Aufträgen profitiert.» Ein weiterer Vorteil dieses Systems sei, dass durch die Nähe zum Kunden die Koordination innerhalb der Projekte wesentlich vereinfacht werde.
Die Globalisierung und der gleichzeitige Fokus auf die Schweiz von Stadler zeigt sich auch an der Anzahl Angestellten. Rund ein Drittel der aktuell gut 16’000 Mitarbeitenden ist in der Schweiz beschäftigt. Zum Vergleich: Siemens hat ebenfalls rund 6000 Angestellte in der Schweiz. Diese arbeiten jedoch in verschiedenen Sektoren wie Energie, Gebäudetechnik und Gesundheitswesen. Wie aus dem Geschäftsbericht weiter zu entnehmen ist, macht Stadler auch gut die Hälfte der Nettoerlöse in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Auf Anfrage gibt Stadler nicht bekannt, wie hoch der Anteil am Umsatz rein aus der Schweiz ist.
Grob betont, dass Stadler die Züge vollständig im Werk St. Margrethen im St. Galler Rheintal gebaut hätte. «Damit wären die Arbeitsschritte entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Engineering über die Produktion bis zur Inbetriebsetzung in der Schweiz erfolgt.» Rund 80 Prozent der Wertschöpfung wären in der Schweiz geblieben.
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