Steht Europa vor dem Niedergang? Diesen Eindruck erhält, wer die am Freitag veröffentlichte nationale Sicherheitsstrategie der USA liest. Darin wird in scharfer Sprache gegenüber den Verbündeten die America-First-Agenda von US-Präsident Donald Trump festgeschrieben.
Auf Deutschland, die EU und die Nato kommen grosse Herausforderungen zu, warnen Politologen. Eine Übersicht.
«Auslöschung» Europas
Das Weisse Haus beschwört in dem Strategiepapier eine «zivilisatorische Auslöschung» Europas herauf. Sollte sich die aktuelle Entwicklung fortsetzen, werde der Kontinent «in 20 Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein», heisst es darin. «Es ist mehr als plausibel, dass spätestens innerhalb weniger Jahrzehnte bestimmte Nato-Mitglieder mehrheitlich nicht-europäisch werden», heisst es an anderer Stelle.
Damit greift die Trump-Regierung die Behauptung von Rechtsextremen auf, durch Migration finde gezielt ein «grosser Austausch» der europäischen Bevölkerung statt, dem nur durch sogenannte Remigration begegnet werden könne, also eine scharfe Grenz- und Abschiebepolitik.

Die neue Sicherheitsstrategie der USA sorgt mit ihrer scharfen Kritik an Europa für Spannungen in den transatlantischen Beziehungen.Getty Images via AFP
«Zensur» und «Unterdrückung»
Die US-Regierung prangert in ihrem Papier zudem eine angebliche «Zensur der Meinungsfreiheit und Unterdrückung der politischen Opposition» in Europa an. Hintergrund ist, dass die US-Regierung Rechtspopulisten wie die AfD unterstützt, um der Maga-Bewegung Trumps (Make America Great Again) in Europa einen grösseren Einfluss zu verschaffen.
Mit «Zensur» meint die US-Regierung überdies EU-Auflagen für US-Internetkonzerne. So warfen Vance und Rubio der EU-Kommission erst am Freitag vor, mit einer Geldbusse von 120 Millionen Euro für die Plattform X von Tech-Milliardär Elon Musk die Meinungsfreiheit einzuschränken. Brüssel bestreitet dies.
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Keine Nato-Erweiterung und Russland-Nähe
Das Papier aus dem Weissen Haus erteilt einer Nato-Erweiterung zudem eine Absage. Damit enttäuscht Washington erneut die Hoffnungen der Ukraine auf eine Aufnahme in das transatlantische Bündnis. Zugleich ist die Strategie ein Indiz dafür, dass sich die Trump-Regierung Russland angenähert hat, das sich seit Jahren gegen die Nato-Osterweiterung wehrt. Die Regierung von Trumps Vorgänger Joe Biden wollte Russland in seinem Machtanspruch noch «einschränken», wie die «Washington Post» hervorhebt – solche Formulierungen finden sich in dem neuen Papier nicht.
USA «gegen das gesamte europäische Projekt»
Der Politologe Evan Feigenbaum vom Carnegie Endowment for International Peace, der unter Präsident George W. Bush für die Regierung arbeitete, nennt die neue Strategie äusserst «konfliktträchtig». Sie stelle «die Vereinigten Staaten klar gegen das gesamte europäische Projekt», schrieb Feigenbaum auf der Onlineplattform X.
Ähnlich sieht es Kristine Berzina vom German Marshall Fund. Die Trump-Regierung mache deutlich, «dass sie ein völlig anderes Europa sehen möchte», sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Indem die USA die Legitimität europäischer Regierungen infrage stellten, griffen sie viele europäische Verbündete frontal an.

