Die USA könnten nicht stellvertretend für die europäischen Bürger und Bürgerinnen entscheiden, „welches die guten Parteien und die schlechten Parteien sind“. Am Samstag hatte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, im Bemühen um Schadensbegrenzung, die USA noch weiter als wichtigsten Verbündeten Europas bezeichnet.

Es gebe viel Kritik in dem neuen US-Papier, aber ein Teil davon sei auch wahr. So habe Europa die eigene Macht gegenüber Russland beispielsweise unterschätzt. „Wir sollten selbstbewusster sein, das ist sicher.“ Costa hob am Montag ebenfalls hervor, dass Europa in der US-Strategie weiter als Verbündeter genannt werde: „Das ist gut, aber wenn wir Verbündete sind, müssen wir auch als solche handeln.“

Antonio Costa während eines öffentliches Auftritts

APA/AFP/Michael Kappeler

Costa verwahrte sich gegen US-Einmischung in innereuropäische Angelegenheiten

Von der Leyen wies Kritik zurück

Unter Verbündeten respektiere man die Souveränität des jeweils anderen. Die USA blieben ein wichtiger Verbündeter und Wirtschaftspartner, „aber unser Europa muss souverän sein“, so Costa. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies die in der Strategie erhobenen Vorwürfe bereits am Wochenende zurück, ging aber bisher nicht auf Details ein.

Am Montag reagierte auch ein Sprecher der deutschen Regierung und wies die US-Kritik an Europa zurück. Deutschland betrachte Russland weiterhin als Bedrohung für seine Sicherheit. Europa müsse nun so schnell wie möglich für seine eigene Sicherheit sorgen.

Europa bei Kurskorrektur „helfen“

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump will sich mit ihrer neuen Doktrin stärker auf US-Interessen und eine US-Dominanz in Lateinamerika fokussieren. Harte Worte gibt es für Europa. Die EU wird als undemokratisch bezeichnet, europäische Regierungen wird die „Untergrabung demokratischer Prozesse“ vorgeworfen.

Ziel der USA müsse sein, „Europa bei der Korrektur seines derzeitigen Kurses zu helfen“. Es wird zudem vor einer „zivilisatorischen Auslöschung“ Europas insbesondere durch „Masseneinwanderung“ gewarnt. Die USA kündigten an, den „Widerstand“, etwa durch rechtsgerichtete Parteien, gegen den aktuellen politischen Kurs Europas unterstützen zu wollen. Das deutet auf Bemühungen der USA hin, rechte Parteien wie die ungarische FIDESZ und die deutsche AfD zu stärken.

„Ziel ist, unsere innere Verfassung nach den gegenwärtigen ideologischen Vorgaben der MAGA-Bewegung zu beeinflussen und zu diesem Zweck mit den inneren Feinden der liberalen Demokratie in Europa zusammenzuarbeiten – in Deutschland ist das die AfD“, sagte der CDU-Fraktionsvize im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, am Wochenende. „Wenn diese Strategie Erfolg hätte, würde es die EU nicht mehr geben.“ Röttgen sieht – im Gegensatz zu Kallas und Costa – zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg die USA nicht mehr an der Seite der Europäer.

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Lob aus Moskau

Der frühere schwedische Regierungschef Carl Bildt schrieb indes auf der Plattform X, in dem US-Papier werde eine Sprache verwendet, „die man sonst nur in den bizarren Köpfen des Kremls findet“. Er bezeichnete das Dokument als „rechts von der extremen Rechten in Europa“. Am glücklichsten mit dem Papier sei sicher Russland, meinte die ehemalige Ministerpräsidentin Lettlands, Krisjanis Karins.

Moskau versuche seit Jahren, das transatlantische Bündnis zu zerbrechen, nun scheine der größte Störfaktor dieses Bündnisses die USA selbst zu sein. Tatsächlich gab es umfangreiches und ungewöhnliches Lob vom Kreml für die neue US-Strategie. Russland wird hier erstmals nicht mehr als direkte Bedrohung angesehen, vielmehr solle die strategische Stabilität mit Russland wiederhergestellt werden. Als zentrales Interesse wird ein Ende des Ukraine-Kriegs in der Strategie festgehalten. Es sind darin aber kaum kritische Worte für Russland zu finden.

Anhaltende Kritik aus Washington

Am Wochenende riss indes die Kritik in den USA an Europa nicht ab. In einem Beitrag auf X beschwerte sich US-Vizeaußenminister Christopher Landau über die Doppelrolle der Staaten, die sowohl der NATO als auch der EU angehörten. Hätten diese Staaten ihren „NATO-Hut“ auf, pochten sie auf die Bedeutung der transatlantischen Zusammenarbeit. Mit ihrem „EU-Hut“ verfolgten sie gleichzeitig aber politische Agenden, „die oft den Interessen und der Sicherheit der USA völlig zuwiderlaufen“.

Neu ist diese US-Position nicht. US-Vizepräsident JD Vance kritisierte schon bei seinem Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres Europa scharf. Er hatte dem Kontinent unter anderem Einschränkung der Meinungsfreiheit und Ausgrenzung rechtspopulistischer Parteien, zu denen Trumps MAGA-Bewegung (Make America great again) die Nähe sucht und umgekehrt, vorgeworfen.