Die Rechnung ist gesalzen

Milliarden für die Autobahnen, noch mehr Milliarden für die Bahn und x Milliarden für das Militär. Es ist Zeit für die Zeitenwende.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter steht am 30. November 2023 in Bern auf einem roten Teppich vor einer neutralen Wand.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter.

Foto: Nicole Philipp

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In Kürze: Die Schweizer Staatsfinanzen stossen trotz tüchtiger Kassenwartin Keller-Sutter an ihre Grenzen.Politiker aller Couleur fordern jetzt ungewöhnlicherweise mehr Geld für Armee und Infrastruktur.Ein halbes Prozent Mehrwertsteuer könnte den F35-Deal finanzieren und die 13. AHV-Rente sichern.

Eines haben die Schweiz und Karin Keller-Sutter gemeinsam: Beide möchten immer Musterschülerinnen sein. Besonders dann, wenn es um die Staatsfinanzen, die pünktlichen Züge und die Armee geht. Am liebsten aber auch bei Spitälern, Schulen, Bauern, Kinderbetreuung und Autobahnen. Die AHV will gut finanziert sein, genauso wie die übrigen Sozialwerke. Und dass wir auch noch der Ukraine, Afrika und der EU etwas Geld überweisen, versteht sich von selbst. All dies bei ausgeglichenem Budget und tiefen Steuern.

Vier Jahre nach der Pandemie, als für kurze Zeit Geld keine Rolle mehr spielte, und knapp drei Jahre nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine zeigt sich, dass auch die Schweizer Staatsfinanzen an ihre Grenze kommen. Trotz einer tüchtigen Kassenwartin. Das dämmert inzwischen auch den Politikern auf der rechten und den Armeeabschaffern auf der linken Seite. Dass der Fuhrhalter Benjamin Giezendanner höhere Benzinpreise und die linke Nationalrätin Priska Seiler Graf mehr Kampfflugzeuge fordern: Wer hätte das je für möglich gehalten?

Doch beide haben recht. Es braucht mehr Geld für die Armee, die Infrastruktur, und dass die AHV ausgebaut wird, ist ein Volksauftrag. Nun gibt es nicht viele Möglichkeiten, wie das alles erfüllt werden kann. Entweder man spart in den übrigen Bereichen, beispielsweise in der Bildung oder bei der Landwirtschaft viel Geld ein, was komplett unrealistisch ist, oder man macht Schulden, oder es braucht mehr Geld für den Bund. Oder man macht es so, wie es die Politiker in Bern die letzten Jahre machten: Man schiebt alles auf die lange Bank, schliesst wie Viola Amherd die Augen vor den drohenden Mehrkosten und hofft auf das Karriereende.

Nun bleiben uns aber die meisten Politikerinnen und Politiker die nächsten Jahre erhalten, und darum kann auch erwartet werden, dass sie eine Lösung suchen. Bei der Armee kann das nur heissen, man verzichtet auf den Luxus, für unser kleines Land mit dem F-35 den modernsten, aber wohl auch den insgesamt teuersten Flieger zu bestellen, oder man spricht mehr Geld und sorgt sich um die Finanzierung. Da die Schweiz angesichts des Zollstreits mit den USA wohl kaum aus dem F-35-Deal aussteigen kann, bleibt nur noch das zweite. Der Vorschlag, wie das geschehen soll, liegt auf dem Tisch: Ein halbes Prozent der Mehrwertsteuer sollte den Deal finanzieren. Nochmal ein halbes Prozent kostet die 13. AHV-Rente. Damit könnte man ja auch dieses Thema bereinigen. In Zeiten einer Minusteuerung scheint das zwar ärgerlich, aber tragbar.

Bei der Infrastruktur liegt ebenfalls eine Lösung auf dem Tisch. 4 Rappen mehr fürs Benzin, das im Moment viel billiger ist als noch vor zwei Jahren, auch das scheint möglich. Zudem würde das die schon fast vergessene Elektrifizierung der Automobile wieder ein wenig attraktiver machen. Dass es besser ist zu handeln, als abzuwarten, zeigt ein Blick ins nördliche Nachbarland. Dort hat man jahrelang versucht zu sparen, indem man nicht mehr investierte. Nicht nur bei der Armee, sondern auch bei der Bahn-Infrastruktur und sogar bei den im Autoland Deutschland so geliebten Autobahnen. Bis es am 11. September 2024 um 2.58 Uhr zur Katastrophe kam: zum Einsturz der Carolabrücke in Dresden. Der Brückenträger sackte über der Elbe auf einer Länge von etwa 100 Metern ein. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt, aber das deutsche Selbstvertrauen hat gelitten. Denn es ereignete sich nicht irgendwo in der dritten Welt, auch nicht in Italien, sondern im Kernland der Industrie.

Seither wurden dort 100 Milliarden Sonderausgaben gesprochen. Die ganzen Budgetwunder der letzten Jahrzehnte, als sich auch der deutsche Staat als Musterschüler aufspielte, wurden enttarnt als das, was sie waren: Eine Mogelpackung, bei der man die Belastungen einfach auf die zukünftigen Generationen verschob. Etwas, das man bei der Altersvorsorge auch bei uns schon lange tut. Das Beispiel Deutschland sollte Warnung genug sein, jetzt bei der Infrastruktur zu handeln und die Probleme nicht auf die künftigen Generationen zu schieben.

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