Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug "Bundesgerichtshof".

Stand: 16.12.2025 06:26 Uhr

Ein Landgericht hatte einen Mann wegen der Tötung eines Geflüchteten zu einer geringen Haftstrafe verurteilt. War es Totschlag oder doch Mord aus rassistischen Motiven? Diese Frage muss nun der Bundesgerichtshof klären.


Max Bauer

Es geht um eine schreckliche Tat, die heute am obersten deutschen Strafgericht verhandelt wird. Im Luftkurort Rickenbach im südlichen Schwarzwald tötete Patrick E. einen Tag vor Heiligabend 2023 den Geflüchteten Mahdi B. durch einen Kopfschuss. Anschließend zerteilte er die Leiche des Tunesiers und versenkte die Körperteile im Rhein.

Das Landgericht Waldshut-Tiengen verurteilte Patrick E. zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft. Eine zu milde Strafe, meint die Schwester des Getöteten. Sie hat beim Bundesgerichtshof eine Überprüfung des Urteils beantragt. Aus ihrer Sicht war die Tat ein Mord aus rassistischen Motiven. Das Landgericht hat hingegen keinen rassistischen Beweggrund und daher nur Totschlag angenommen.

Die Begründung des Landgerichts: Beim Angeklagten sei “gegenüber Menschen schwarzer Hautfarbe eine generell geringschätzige Einstellung anzunehmen, die als Rassismus zu qualifizieren ist”. Aber: “Der Geschädigte gehörte als hellhäutiger Tunesier dieser Gruppe nicht an.” Jedenfalls habe der Täter in der Vergangenheit nie eine “aktiv kämpferische Haltung” gegenüber Asylsuchenden eingenommen. Weshalb er ausgerechnet am 23. Dezember 2023 eine solche Haltung eingenommen habe, sei für das Gericht “nicht nachvollziehbar”.

Dem ARD-Magazin Monitor sagte Johannes Daun, Vizepräsident des Landgerichts Waldshut-Tiengen, dass man sich bei der Tat auch vorstellen könnte, dass eine ausländerfeindliche Gesinnung des Angeklagten gar keine Rolle gespielt hat, “sondern er einfach aus der Situation heraus, vielleicht weil er sich beleidigt sah, weil er sich überfordert sah, sich dazu entschloss, zur Waffe zu greifen”.

Hitlerbilder und rechtsextreme Memes

Das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen wirft allerdings Fragen auf. Vor allem, ob die Gesinnung des Täters nicht doch für einen rassistischen Mord spricht. Denn dass der Angeklagte eine rassistische und rechtsextremistische Gesinnung hat, dafür hat das Gericht viele Anhaltspunkte gefunden: Auf seinem Computer fanden die Ermittler Hitlerbilder, rechtsextreme Memes und ein Nutzerkonto beim Internetshop der AfD.

Zuvor ist Patrick E. aufgefallen, weil er Sticker des rechtsextremen Magazins Compact verteilt hat und auf der Arbeit für den Spruch “Ein guter Deutscher kauft nicht beim Juden” abgemahnt wurde. Seine Hundehütte trug den Schriftzug “Wolfsschanze” und an seiner Garage stand “Deutsches Schutzgebiet”.

Für das Verfahren ist das nicht unerheblich: Eine rassistische Einstellung kann rechtlich zu den sogenannten niedrigen Beweggründen zählen, so die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Und wer aus niedrigen Beweggründen tötet, begeht einen Mord, der mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft wird.

Das Landgericht Waldshut-Tiengen geht bei seiner rechtlichen Würdigung kaum auf den rechtsextremistischen Hintergrund des Täters ein. Auf knappen eineinhalb Seiten werden die niedrigen Beweggründe verneint.

Geringes Strafmaß

Fragen stellen sich auch wegen der geringen Strafe von sechs Jahren und zehn Monaten. Ein Satz im Urteil zur Strafzumessung lässt dabei besonders aufhorchen: Patrick E. hatte die Leiche seines Opfers nach der Tat in Stücke zerteilt und diese mit Stacheldraht beschwert im Rhein versenkt.

Dazu schreibt das Landgericht Waldshut-Tiengen: “Die Zerteilung der Leiche mag verstörend wirken, kann jedoch nicht als strafschärfender Umstand gewertet werden, denn sie stellt sich vorliegend nicht als nachträgliche schimpfliche Behandlung des Leichnams dar, sondern war – jedenfalls aus der nüchternen Sicht eines ausgebildeten Jägers – eine naheliegende Vorgehensweise zur Beseitigung der Leiche.”

Die Verstümmelung von Leichen ist in vielen Kulturen tabuisiert und wird oft sogar bestraft. Warum war sie in diesem Fall keine “schimpfliche Behandlung” des Körpers des Opfers? Und warum wertet das Landgericht die Perspektive des Täters beim Zerstückeln seines Opfers als “nüchterne Sicht eines Jägers”? Begründungen dazu enthält das Urteil nicht.

Vor dem obersten deutschen Strafgericht wird es heute vor allem um die Frage gehen, ob das Landgericht Waldshut-Tiengen Rechtsfehler gemacht hat, indem es die Tötung von Mahdi B. nicht als Mord aus rassistischen Motiven einstufte. Außerdem wird verhandelt, ob er die Tat heimtückisch begangen hat, weil Mahdi B. gar nicht mit einem Angriff auf sein Leben gerechnet hat. Ob nach der Verhandlung gleich ein Urteil des Bundesgerichtshofs kommt, ist noch nicht absehbar.