Die Leistungen von Österreichs Schülern liegen in Mathematik und Naturwissenschaften im EU-Schnitt und über dem internationalen Durchschnitt. Das zeigt die internationale Vergleichsstudie Timss. Die österreichischen Jugendlichen haben im Vergleich aber weniger Freude an diesen Fächern.
Internationale Bildungsvergleichsstudien sind in Österreich eher selten Anlass für Jubelmeldungen. Ungetrübte Euphorie herrscht zwar auch diesmal nicht, aber zumindest gibt es für das Abschneiden der österreichischen Jugendlichen bei der internationalen Vergleichsstudie Timss lobende Worte: „Die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen“, sagt Robert Klinglmair, Direktor des Instituts des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen (IQS). Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) spricht von „soliden Leistungen“.
Bei Timss 2023 (Trends in International Mathematics and Science Study) wurden die Mathematik- und Naturwissenschaftskompetenzen überprüft. An der internationalen Studie der IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) haben 44 Länder, darunter 13 EU-Länder, teilgenommen. Prinzipiell werden bei Timss alle vier Jahre die Kenntnisse in der vierten und achten Schulstufe getestet. Österreich nahm im Vorjahr nur bei der achten Schulstufe teil. Damit wurden die Mathematik- und Naturwissenschaftskenntnisse der 14-Jährigen erst zum zweiten Mal überprüft (erstmals nach 1995).
Singapur, Taiwan und Korea an der Spitze
Österreichs Schülerinnen und Schüler liegen in Mathematik im EU-Schnitt und über dem internationalen Schnitt (siehe Grafik). Konkret erreichen sie 512 Punkte. Im EU-Schnitt sind es 503 Punkte und im internationalen Schnitt 478 Punkte. Damit liegen sieben Länder (statistisch bedeutsam) vor Österreich. Am besten schneiden, wie meist bei derartigen internationalen Leistungsvergleichen, asiatische Länder ab. Singapur (605 Punkte), Taiwan (602 Punkte), Republik Korea (596 Punkte) und Japan (595 Punkte) führen die Liste an. Bestes EU-Land ist Irland mit 522 Punkten.
Im internationalen Vergleich hat Österreich wenige Schüler, die in Mathematik nicht einmal die niedrigste Kompetenzstufe erreichen, zugleich aber auch vergleichsweise wenige Schüler, die auf der höchsten Kompetenzstufe sind. Salopp formuliert gibt es also wenige Ausreißer nach unten und oben und eine breite solide Basisbildung (siehe Grafik).
Ganz ähnlich sehen die Ergebnisse im Bereich Naturwissenschaften aus. Auch hier liegen Österreichs Schülerinnen und Schüler im EU-Schnitt und über dem internationalen Schnitt. Sie erreichen 512 Punkte. Im EU-Schnitt sind es 506 Punkte und im internationalen Schnitt 478 Punkte. Im Bereich Naturwissenschaften liegen zwölf Länder (statistisch signifikant) vor Österreich. Die besten Naturwissenschaftler sind ebenso in Asien zu finden (Singapur 606 Punkte, Taiwan 572 Punkte, Japan 557 Punkte und Korea 545 Punkte). Im EU-Vergleich schneidet das lang als Bildungsvorzeigeland gehandelte Finnland am besten ab (531 Punkte).
Zwischen den weltweit besten Schülern und den österreichischen Jugendlichen liegen damit über 90 Punkte – das sind umgerechnet mehr als zwei Lernjahre. Die Studiendesigner gehen davon aus, dass 40 Punkte in etwa einem Lernjahr entsprechen. Wobei diese statistische Einordnung nicht ganz unumstritten ist. Sie soll aber beim besseren Verständnis bzw. bei der Einordnung der Punktezahlen helfen.
Mit den Ergebnissen aus dem Jahr 1995, als Österreichs Schüler der achten Schulstufen schon einmal an der Vergleichsstudie teilgenommen haben, kann man die neuen Daten nicht vergleichen. Im internationalen Vergleich lagen die Resultate der heimischen Schüler jedenfalls schon damals ganz gut. Österreich war unter den besten zehn von 41 Ländern. Auch bei der bekannteren internationalen Vergleichsstudie Pisa, die von der OECD durchgeführt wird, ist Mathematik schon seit Längerem jener Testbereich, in dem Österreich vergleichsweise die besten Werte erzielt. Bei Pisa 2022 lagen Österreichs Schüler in Mathematik über dem OECD-Schnitt. Wobei die Leistungen über die Jahre hinweg abgenommen haben.
Kein Leistungsunterschied zwischen Burschen und Mädchen
Auffallend bei Timss ist, dass Österreichs Schülerinnen und Schüler offenbar weniger Freude an Mathematik als Jugendliche in anderen EU-Ländern haben. Auch die Freude der heimischen Jugendlichen an Biologie, Geografie, Physik und Chemie ist geringer als im EU-Schnitt. Hier gibt es auch Geschlechterunterschiede. Burschen haben mehr Freude an Mathematik, Geografie, Physik und Chemie als Mädchen. Mädchen wiederum haben mehr Freude an Biologie. Tendenziell nehmen Jugendliche in Österreich ihre eigenen Fähigkeiten übrigens besser wahr als Schüler in anderen Ländern.
Doch zurück zu den Leistungen. Hier zeigen sich überraschenderweise keine großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Österreich. Im Bereich Mathematik liegen zwischen Burschen und Mädchen nur sieben Punkte. Das ist statistisch nicht bedeutsam. Dasselbe gilt für den Geschlechterunterschied im Bereich Naturwissenschaften. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in Österreich. Das ist auch im EU-Schnitt sowie im internationalen Schnitt so.
Die soziale Herkunft ist entscheidend
Einen großen Einfluss auf die Leistungen hat die soziale Herkunft. Dabei spielen die Bildung der Eltern, die Anzahl der Bücher zu Hause sowie die Bildungsressourcen in Form eines eigenen Zimmers bzw. eines Internetzugangs eine Rolle. Jugendliche mit niedrigem Sozialstatus weisen in Österreich und in allen anderen teilnehmenden Ländern sowohl in Mathematik als auch in Naturwissenschaften niedrigere Kompetenzen auf als jene mit hohem Sozialstatus. In Österreich liegt die Differenz im Fach Mathematik bei 88 Punkten. Damit ist sie geringer als im EU-Schnitt und im internationalen Schnitt. In den Naturwissenschaften ist die Kluft in Österreich etwas größer (112 Punkte). Das liegt im EU-Schnitt (107 Punkte), aber höher als im internationalen Schnitt (94 Punkte).
Dass die soziale Kluft im Fach Mathematik in Österreich geringer als im EU-Schnitt ist, ist ein erfreuliches Ergebnis. Immerhin wird die starke Bildungsvererbung in Österreich seit Jahren kritisiert. Bei Pisa schneidet Österreich in diesem Punkt im internationalen Vergleich stets schlecht ab. Doch auch eine Differenz von 88 Punkten, wie sie hier bei Timss festgestellt wurde, ist bedenklich. Denn 40 Punkte entsprechen, wie erwähnt, circa einem Lernjahr. Demnach hinken Schüler mit niedrigem Sozialstatus Schülern mit hohem Status um mehr als zwei Lernjahre hinterher.
Gymnasiasten besser als Mittelschüler
Auch der Migrationshintergrund hat nachweislich Auswirkungen auf die Leistung. Schüler mit Migrationshintergrund verfügen sowohl in Mathematik als auch in den Naturwissenschaften über niedrigere Kompetenzen als Schüler ohne Migrationshintergrund. In Österreich liegt die Differenz in Mathematik bei 38 Punkten und in den Naturwissenschaften bei 57 Punkten. Das ist in beiden Fällen höher als im internationalen Vergleich. Und selbst, wenn man den sozialen Status berücksichtigt, bleibt eine deutliche Kluft bestehen.
Leistungsunterschiede sind in der achten Schulstufe übrigens auch zwischen den beiden Schultypen in Österreich messbar. Schüler in Gymnasien erzielen sowohl in Mathematik als auch in Naturwissenschaften höhere Kompetenzen (62 Punkte bzw. 68 Punkte mehr) als Schüler einer Mittelschule. Und auch hier bleibt eine deutliche Differenz nach Berücksichtigung (und damit Herausrechnen) des sozialen Status bestehen (in beiden Fällen 43 Punkte).
Timss steht für Trends in International Mathematics and Science Study. Die Erhebung fand 2023 statt. Es nahmen weltweit 44 Länder (darunter 13 EU-Länder) teil. Grundsätzlich testet Timss alle vier Jahre die Kenntnisse der Schüler der vierten und der achten Schulstufe in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Umweltbildung. In Österreich wurde diesmal nur die achte Schulstufe getestet. Es werden nie alle Schulen getestet, sondern es wird eine Stichprobe gezogen. Diesmal nahmen österreichweit 157 Schulen mit 4639 Schülerinnen und Schülern teil. Der Test dauert zweimal 45 Minuten und findet am Computer statt. Es sind auch Kontextfragebögen auszufüllen.