Europa zeigte sich erleichtert, als kürzlich bekannt wurde, dass es sich bei der mysteriösen „Krankheit X“ in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) „nur um Malaria“ in Verbindung mit Unterernährung und Covid-19 handelte. Erleichtert, weil kein neues und furchterregendes Virus zu befürchten war, das nach Europa gelangen könnte.
Doch diejenigen, die in Ländern Afrikas südlich der Sahara im Gesundheitsbereich arbeiten, wissen, dass es keinerlei Anlass zur Erleichterung gibt. Auch wenn diesmal kein neuer Krankheitserreger Opfer fordert, sterben an dem seit Jahrhunderten bekannten Malaria-Parasiten jedes Jahr Hunderttausende Menschen.

Jesse Gitaka ist Malaria-Forscher und Gründungsdirektor des Centre for Malaria Elimination (CME) in Kenia und dem Centre for Research in Infectious Diseases (CRID) der Mount Kenya University in Thika.
Und wahrscheinlich sind es noch viel mehr, denn in abgelegenen Gebieten der DRK, Nigeria und Kenia werden viele Malaria-Tote in den offiziellen Statistiken gar nicht erfasst. Viele Familien ertragen ihre Verluste im Stillen, weit entfernt von befestigten Straßen oder modernen Krankenhäusern.
Kein Arzt, kein Strom, keine Hilfe
In ländlichen Gebieten Afrikas gibt es im Umkreis von mehreren Kilometern oft nur einen Arzt oder eine Krankenschwester, die meist nur über begrenzte Mittel verfügen. Die Stromversorgung ist dort unzuverlässig oder fehlt ganz. Einfache, erschwingliche Schnelldiagnosetests können in der Hitze verderben, wenn kein Kühlschrank vorhanden ist.
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Immer wieder passiert es, dass Arzneimittellieferungen durch starke Regenfälle oder schlechte Straßen so lange aufgehalten werden, dass die Haltbarkeitsfristen von Medikamenten und Diagnosetests überschritten werden. Oft können Ärzte oder Pflegekräfte dann nur raten, ob ein fiebernder Patient an Malaria, Lungenentzündung, Typhus oder etwas anderem erkrankt ist. Ohne entsprechende Tests kann die falsche Behandlung mitunter tragische Folgen haben.
Wenn das Gesundheitssystem einer Region mit Malaria umgehen kann, kann es auch den nächsten Ebola-Cluster oder eine neue Atemwegsinfektion erkennen.
Jesse Gitaka, Malaria-Forscher aus Kenia
In der Kwango-Provinz der DRK sind Kinder unter fünf Jahren besonders stark von Malaria betroffen. Viele dieser Kinder sind bereits unterernährt, wodurch ihr Immunsystem geschwächt wird. Sie können innerhalb weniger Stunden von leichtem Fieber zu schwerer Krankheit übergehen.
Ihre Eltern brauchen unter Umständen Tage, um Geld zu beschaffen und den Transport in eine weit entfernte Klinik zu organisieren. Wenn sie dort ankommen, ist es viel zu oft bereits zu spät.
Das Gesundheitspersonal in der Region hat jedoch auch beobachtet, dass ältere Kinder und Erwachsene an Malaria starben, was in Gebieten, in denen die Menschen normalerweise eine Teilimmunität entwickeln, ungewöhnlich ist.
Dies wirft ernste Fragen auf. Sind die lokalen Malaria-Parasiten gegen die verfügbaren Medikamente resistent? Gibt es Ko-Infektionen mit Bakterien oder Viren, die die Krankheit verschlimmern? Solche Fragen können nicht beantwortet werden, wenn es den Gesundheitseinrichtungen an grundlegender Laborkapazität fehlt.
Vorreiter Kenia
Länder wie Kenia und viele andere in Afrika haben in den vergangenen zehn Jahren erhebliche Fortschritte bei der Malariabekämpfung gemacht. In vielen Gemeinden gibt es jetzt mit Insektiziden behandelte Moskitonetze, eine bessere Ausbildung des örtlichen Gesundheitspersonals und schnellere Reaktionen bei Fieberausbrüchen.
Die kenianische Regierung fördert auch die Forschung vor Ort, damit afrikanische Wissenschaftler Lösungen entwickeln können, die den örtlichen Gegebenheiten entsprechen.

Was in afrikanischen Ländern oft fehlt, sind Laborkapazitäten für schnelle Diagnosen.
© Getty Images/Maskot
Dennoch hat Kenia immer noch Probleme in Gebieten mit starker Malariaübertragung und großer Armut. Selbst hier können Lastwagen auf schlammigen Straßen stecken bleiben und in ländlichen Kliniken kann es an Personal oder Strom mangeln. Jede Verbesserung in Kenia ist fragil, wenn andere Länder weiterhin unterversorgt sind. Die Welt ist in der Tat zu einem globalen Dorf geworden.
Wenn Europa und andere einkommensstarke Regionen darüber nachdenken, wie sie künftige Seuchenkrisen verhindern können, ist es wichtig, sich auf bestehende gesundheitliche Herausforderungen wie Malaria zu konzentrieren.
Malaria ist keine „geringere“ Bedrohung, nur weil sie bekannt ist. Jeder Ausbruch, der eine Gemeinschaft überrollt, ist ein Warnzeichen: Ein versagendes Gesundheitssystem macht es jedem Erreger – ob neu oder alt – einfacher, sich schnell auszubreiten.
Hier sind fünf Möglichkeiten, wie Europa helfen könnte:
1 Stärkung von Diagnoseinstrumenten und lokalen Labors
Die Gemeinden brauchen schnelle und genaue Tests für Malaria und andere Krankheiten. Diese Tests sollten erschwinglich sein und der tropischen Hitze standhalten. Auch Labore in ländlichen Gebieten brauchen Unterstützung, um Diagnosen zu bestätigen und neue arzneimittelresistente Stämme aufzuspüren.
Wenn die Mitarbeiter des Gesundheitswesens Malaria schnell feststellen können, sind sie in der Lage, geeignete Behandlungen zu verabreichen und nach neu auftretenden Krankheiten Ausschau zu halten.
2 Schulung und Unterstützung von lokalem Gesundheitspersonal
Die Menschen in abgelegenen Dörfern haben oft mehr Vertrauen in ehrenamtliche Gesundheitshelfer als in größere Einrichtungen. Diese einheimischen Mitarbeiter sind die erste Verteidigungslinie gegen einen Ausbruch der Krankheit. Europa kann afrikanische Universitäten finanzieren und mit ihnen zusammenarbeiten, um Krankenschwestern, Klinikpersonal, Labortechniker und Ärzte auszubilden.
Qualifizierte einheimische Arbeitskräfte verstehen das kulturelle Umfeld und sprechen die Landessprache. Sie können die Warnzeichen von Krankheitsausbrüchen frühzeitig erkennen, aber nur, wenn sie die Ausbildung, die Hilfsmittel und die angemessene Bezahlung erhalten, die sie zum Bleiben bewegen.
3 Förderung und Entwicklung neuer Behandlungen und Impfstoffe
Medikamentenresistenz ist eine drohende Gefahr. Wenn Malaria-Parasiten gegen gängige Wirkstoffe wie Artemisinin resistent werden, laufen ganze Gemeinden Gefahr, das einzige wirksame Mittel zu verlieren, das sie haben. Wissenschaftler in Uganda haben bereits über verzögerte Reaktionen auf Artemisinin berichtet.
Forschungspartnerschaften können die Entwicklung neuer Malariamittel, Impfstoffe und Diagnostika beschleunigen. Der starke europäische Biotech-Sektor kann seine Kräfte mit afrikanischen Forschungszentren bündeln, damit künftige Hilfsmittel dort getestet werden, wo sie am dringendsten benötigt werden.
4 Investitionen in die Infrastruktur und die Grundversorgung
Die Seuchenbekämpfung beschränkt sich nicht auf die Bereitstellung von Moskitonetzen. Moskitos, die Malaria übertragen, gedeihen in stehendem Wasser, was bei schlechter Entwässerung oder Überschwemmungen häufig vorkommt. Bessere Straßen würden dazu beitragen, dass Medikamente schneller zu abgelegenen Kliniken gelangen. Eine verlässliche Stromversorgung würde die Genauigkeit von Tests und die Lagerung von Medikamenten verbessern.
Sauberes Wasser, sanitäre Einrichtungen und eine bessere Ernährung würden Familien helfen, gesund zu bleiben und ihre Anfälligkeit für Malaria und andere Infektionen zu verringern. Im Laufe der Zeit könnte diese Basisinfrastruktur auch die lokale Herstellung von medizinischem Material unterstützen, wodurch Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen weniger abhängig von Importen wären.
5 Förderung einer gerechteren Politik und stärkerer Gesundheitssysteme
Krankenhäuser und Kliniken arbeiten besser, wenn die politische Führung angemessene Mittel bereitstellt. In vielen afrikanischen Ländern sind die Gesundheitsbudgets nach wie vor zu niedrig. Dies ist teilweise auf begrenzte Steuereinnahmen und konkurrierende Prioritäten zurückzuführen. Europa kann gerechtere globale Finanzierungspraktiken fördern, damit Länder mit niedrigem Einkommen mehr in die Gesundheitsversorgung investieren können.
Wirksame Partnerschaften erfordern Transparenz, Rechenschaftspflicht und gegenseitigen Respekt. Lokale Gemeinschaften sollten ein echtes Mitspracherecht haben, wenn es um die Verwendung der Mittel geht. Investitionen in die öffentliche Gesundheit sollten nicht nur von kurzfristigem Notfalldenken bestimmt sein, sondern von einer langfristigen Planung, die die Widerstandsfähigkeit stärkt.
In der Tat gibt es mehrere ermutigende Beispiele für solche Partnerschaften, darunter die Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Sie arbeitet mit lokalen Organisationen zusammen, um Gesundheitseinrichtungen zu verbessern, medizinisches Personal auszubilden und die Malariaprävention in Afrika südlich der Sahara zu unterstützen.
Konkrete Entwicklungsprogramme
In Uganda hat die GIZ gemeindebasierte Programme finanziert, um mit Insektiziden behandelte Netze zu verteilen und Diagnosedienste in entlegenen Gebieten zu erweitern.
Ein weiteres bemerkenswertes Projekt ist das „Global Health Protection Program“ (GHPP) des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit. Durch die Zusammenarbeit mit afrikanischen Forschungsinstituten und dem Robert-Koch-Institut stärkt das GHPP die Labordiagnostik, die Krankheitsüberwachung und die Kapazitäten zur Reaktion auf Ausbrüche.
Die Stärkung und Ausweitung dieser Programme wird nicht nur die Zahl der Malariafälle verringern, sondern auch die robusten lokalen Systeme aufbauen, die erforderlich sind, um jede neue Bedrohung zu erkennen und darauf zu reagieren.

Untersuchungen der WHO zufolge war der Ausbruch einer unbekannten Krankheit „X“ im Kongo Ende 2024 vor allem auf Malaria-Infektionen zurückzuführen.
© dpa/MOSES SAWASAWA
An Orten wie Kwango haben wir gesehen, wie integrierte Gemeinschaftsprogramme Wunder bewirken können. Wenn ein geschulter Freiwilliger mit einem Schnelldiagnosetest in wenigen Minuten Malaria feststellen kann, erhält ein Kind sofort eine lebensrettende Behandlung.
Wenn der Freiwillige ein ungewöhnliches Fiebermuster feststellt, alarmiert er schnell das örtliche Gesundheitszentrum, sodass eine Untersuchung eingeleitet werden kann, bevor noch mehr Menschen erkranken. Diese Programme benötigen eine kontinuierliche Finanzierung, wichtige Medikamente und die Technologie für die Kommunikation mit den Gesundheitsteams auf Bezirks- und Provinzebene.
Wo steht die Impfung gegen Malaria?
Malaria ist in den tropischen und subtropischen Gebieten Afrikas, Asiens, Südamerikas und Zentralamerikas verbreitet. Zu etwa 95 Prozent der Erkrankungen und der Todesfälle kommt es in afrikanischen Ländern. Kinder sind besonders gefährdet, im Jahr 2023 starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 432.000 an der Infektion.
Die WHO empfiehlt, Kinder in den Malaria-gefährdeten Regionen mit den Präparaten RTS,S/AS01 oder R21/Matrix-M gegen Malaria zu impfen. Sie wirken gegen Infektionen mit Plasmodium falciparum. Das ist der häufigste und gefährlichste Erreger.
Die Impfstoffe reduzierten die Fallzahlen in klinischen Studien im ersten Jahr nach der Impfung, in dem Kinder besonders gefährdet sind, um etwa die Hälfte. 17 afrikanische Länder bieten die Impfstoffe im Rahmen ihrer Kinderimpfprogramme an, mindestens 30 weitere streben dies an. Die Impfstoffe ließen sich in ausreichender Menge produzieren. (pei)
Dabei geht es nicht nur um Malaria. Wenn das Gesundheitssystem einer Region mit dieser bekannten Krankheit umgehen kann, kann es auch den nächsten Ebola-Cluster oder eine neue Atemwegsinfektion erkennen. Wenn ein Dorf in der Lage ist, Fieber bei Kindern schnell zu diagnostizieren, können die gleichen Instrumente auch für andere Krankheiten eingesetzt werden, die hohes Fieber verursachen.
So „überlisten“ wir den nächsten Ausbruch. Wir bauen auf die Kraft der Menschen vor Ort, geben ihnen die richtigen Werkzeuge an die Hand und unterstützen sie mit einer funktionierenden Logistik und Forschungspartnerschaften.
Vorderste Verteidigungslinie gegen Krankheit „X“
Jede Woche, die vergeht, zeigt, wie vernetzt unsere Welt geworden ist. Eine Gesundheitskrise in einem abgelegenen Teil der Demokratischen Republik Kongo kann den ganzen Globus betreffen, wenn ein gefährlicher Erreger unentdeckt bleibt. Anstatt auf das Auftauchen eines schrecklichen neuen Virus zu warten, müssen wir aus dem langen Kampf gegen Malaria lernen.
Wir müssen den Gemeinden helfen, die nach wie vor von mehreren Dingen bedroht sind – Malaria, Unterernährung, schlechte sanitäre Einrichtungen und vieles mehr. Diese Gemeinden bilden unsere vorderste Verteidigungslinie gegen eine mögliche „Krankheit X“.
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Europa muss seine Finanzhilfen und Aufmerksamkeit darauf konzentrieren, die Grundlagen für eine funktionierende Gesundheitsversorgung zu schaffen. Wenn die lokale Laborforschung funktioniert, wenn Freiwillige aus den Gemeinden ausgebildet und Straßen und Kliniken ausgebaut werden können, dann haben Familien in Orten wie Kwango eine echte Chance. Und so wird auch der Rest der Welt vor der nächsten unerwarteten Epidemie geschützt.
Es geht nicht um eine schnelle Lösung. Die Gesundheitssysteme müssen von Grund auf gestärkt und unterstützt werden. Wenn wir es richtig machen, können wir viele Leben retten und der Redewendung „Nie wieder“ eine echte Bedeutung verleihen.