„Die Demokratie steht unter Druck, dessen müssen wir uns bewusst sein. Sie ist keine Selbstverständlichkeit“, stellt Claude Wiseler (CSV) fest. Der Präsident der Chamber hielt bereits Anfang Januar beim Neujahrsempfang des luxemburgischen Parlaments eine ähnliche Rede.

Am Dienstag wurde der Presse die von der Chamber in Auftrag gegebene Polindex-Studie vorgestellt. Diese vom Forschungslehrstuhl für Parlamentsstudien der Universität Luxemburg und dem Meinungsforschungsinstitut Ilres durchgeführte Studie befasste sich insbesondere mit dem Vertrauen der luxemburgischen und ausländischen Bürger in das demokratische System.

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Im Jahr 2004 lag die Zufriedenheit der luxemburgischen Bürger mit der großherzoglichen Demokratie bei 90 Prozent. Seitdem hat das Vertrauen in das politische System stetig abgenommen und lag 2024 bei 68 Prozent.

Wie lässt sich diese Erosion der Demokratie erklären? „Es gibt immer ein Problem mit dem politischen Angebot. Das ist klassisch für eine Demokratie, aber auch, weil viele Menschen gegenüber der Politik im Allgemeinen distanziert sind. Sie leben wirtschaftlich, sozial und kulturell ohne Bezug zur Politik“, erklärt der Politologe Philippe Poirier.

Starkes Interesse an der Politik, aber großes Misstrauen

74 Prozent der Luxemburger geben an, sich für Politik zu interessieren, gegenüber 55 Prozent der im Ausland ansässigen Personen. In Frankreich liegt dieser Wert bei 55 Prozent und in Deutschland bei 79 Prozent. In Luxemburg gibt es zwar ein starkes Interesse an der Politik, aber auch ein großes Misstrauen. 54 Prozent der Luxemburger und ausländischen Mitbürger geben an, der Politik gegenüber misstrauisch zu sein. Das sind deutlich mehr als in Frankreich (37 Prozent), Deutschland (29 Prozent), Italien (28 Prozent) oder den Niederlanden (33 Prozent).

Das Vertrauen in die Demokratie variiert in den Nachbarländern

Anzumerken ist, dass in den letzten 20 Jahren dieses Gefühl des Vertrauens in das politische System zu Zeiten zweier Referenden besonders stark gesunken ist: 2005 beim Referendum über die Ratifizierung des EU-Vertrags (60 Prozent Vertrauen in die Demokratie) und 2015 beim Referendum über das Wahlrecht für Ausländer (50 Prozent Vertrauen).

Wie lässt sich erklären, dass Bürger das Vertrauen in die Politik verlieren, gerade dann, wenn sie die Gelegenheit bekommen, sich sogar direkt zu einer politischen Frage zu äußern? „Das Verhältnis zur Demokratie verändert sich, wenn es ein Referendum gibt, und führt zu Kritik an der Funktionsweise des demokratischen Systems“, stellt Philippe Poirier fest.

Wenn wir uns nicht um die Demokratie kümmern, wird sie eines Tages zugrunde gehen.

Claude Wiseler (CSV)

Chamber-Präsident

Laut der Polindex-Studie haben 77 Prozent der luxemburgischen Bürger und 69 Prozent der im Ausland ansässigen Personen Vertrauen in die Funktionsweise der großherzoglichen Demokratie. Diese Zufriedenheitsrate ist immer noch höher als in den Nachbarländern (zwischen Februar 2024 und 2025). In Deutschland, das zum Zeitpunkt dieser Umfrage in den Wahlkampf eingetreten war, begrüßten 51 Prozent der Befragten das Funktionieren ihrer Demokratie. In Frankreich hingegen sind 71 Prozent der Befragten der Meinung, dass ihre Demokratie nicht gut funktioniert.

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass ein Drittel der Luxemburger und der im Ausland lebenden Bürger die Demokratie für „ineffizient“ hält. „Dieses Drittel der Bevölkerung muss abgeholt werden, es geht nicht ohne. Es handelt sich sonst um ein strukturelles schwarzes Loch“, warnte Philippe Poirier.

Wiseler: „Beunruhigende“ Antworten der Jugendlichen

Sind junge Menschen der Meinung, dass die Demokratie die beste Regierungsform ist? Weniger als 50 Prozent der 18- bis 24-Jährigen unter den Ausländern glauben das oder geben an, es nicht zu wissen. Dies gilt auch für 35 Prozent der jüngeren Luxemburger. Ob sie der Meinung sind, dass das politische System mehr Führung braucht, eine Diktatur oder dass die derzeitige Demokratie schlecht funktioniert, ist unklar. „Wir müssen diese Ergebnisse in der nächsten Umfrage genauer untersuchen, um zu verstehen, was sie gemeint haben“, betont Claude Wiseler, der die Ergebnisse als „beunruhigend“ bezeichnet.

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Laut der Polindex-Umfrage nutzen fast 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Luxemburg soziale Netzwerke hauptsächlich, um sich politisch zu sozialisieren. Ob diese Art der Informationsbeschaffung ihre politische Wahrnehmung beeinflusst, ist laut Philippe Poirier fraglich: „Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass dies der Fall ist.“ Die nächste Umfrage, die in einigen Monaten durchgeführt und im nächsten Jahr vorgestellt wird, wird seiner Meinung nach diese Frage beantworten können.

Für den Erhalt der Demokratie kämpfen

Claude Wiseler ist als Politiker auch von dem Gefühl herausgefordert, dass sich eine Kluft zwischen der politischen Elite und den Bürgern aufgetan hat. Laut der Studie teilen über alle Altersgruppen hinweg mehr als 50 Prozent der Befragten diese Ansicht. Dieser Begriff der politischen Elite stellt den CSV-Politiker infrage. Er erkennt jedoch die Notwendigkeit an, die sich für die gesamte politische Klasse ergibt, „darauf zu achten, den Kontakt zu suchen und der Bevölkerung zuzuhören“.

Foto: Etude Polindex

„Wenn wir über die alltäglichen Probleme der Bürger sprechen, werden wir dieses Problem lösen, indem wir diejenigen um uns scharen, die sich von der aktuellen Politik losgelöst haben oder sich nicht vertreten fühlen“, betont Claude Wiseler. Eine „absolute Notwendigkeit“, so der Präsident der Chamber. Dieser erinnert daran, dass die Demokratie nicht ewig währt. „Wenn wir uns nicht um sie kümmern, wird sie eines Tages zugrunde gehen. Man muss kämpfen, um die Demokratie und die Freiheit zu erhalten“.

Was ist der Polindex?

Die Studie Polindex 2024 befasst sich mit soziopolitischen Strukturen und Wahrnehmungen über die Demokratie auf nationaler und europäischer Ebene nach Altersgruppen. 1.561 Einwohner nahmen an der ausschließlich online durchgeführten Umfrage teil, darunter 1.066 Wähler und 495 Ausländer. Die Umfrage wurde zwischen dem 15. und dem 29. Mai 2024 durchgeführt.

Die Studie wurde von der Abgeordnetenkammer in Auftrag gegeben und ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Forschungslehrstuhl für Parlamentsstudien der Universität Luxemburg und dem Umfrageinstitut ILRES.

Der Artikel erschien zunächst bei Virgule. Übersetzung und Bearbeitung: Florian Javel