„Es hat ungeheuer kompliziert, beinahe unmöglich ausgesehen. Und trotzdem haben wir es versucht. Vermutlich waren wir aber auch sehr naiv.“ Als Donato Rotunno auf die Anfangszeit seiner Filmgesellschaft Tarantula, die er vor 30 Jahren in Luxemburg gegründet hat, zurückblickt, strahlen die Augen des 58-jährigen Produzenten und Regisseurs.

Dieser Mann lebt für die Filmkunst und sein Herzensprojekt, seine Filmfirma – das wird bereits in den ersten Minuten des Gesprächs mit dem „Luxemburger Wort“ deutlich. Im Rahmen des diesjährigen LuxFilmFests feiert Tarantula sein 30. Jubiläum. „30 Jahre, wenn ich das schon höre“, meint Rotunno lachend, als wir ihn in seinem Büro in Bonneweg antreffen. „Wo ist diese Zeit hin?“

Als er seine Produktionsfirma 1995 gegründet hat – nur ein Jahr später entstand der belgische Ableger Tarantula Belgique –, sei die Filmszene noch eine ganz andere Welt gewesen. „Wir sind beinahe mit nichts gestartet, es gab praktisch keine Filmindustrie oder zumindest keine organisierte“, betont Donato Rotunno. „Aber in ganz Europa war die Kinowelt eine andere – sowohl von der Produktion her als auch vom Mindset.“

Heute gebe es mehr Institutionen, mehr Regelungen und andere Unterstützungsmöglichkeiten. „Es ist alles strukturierter. Damals hatte man allerdings noch mehr Raum, um Sachen auszuprobieren und herumzuexperimentieren. Man musste nicht immer wissen, wo genau ein Projekt hingehen soll. Heute musst du schon zeigen, dass das nicht nur ein Versuch ist, sondern du musst konkrete Pläne vorlegen.“

Kein Start ohne Risiken

Dabei unterstreicht Rotunno, dass er keinesfalls sagen würde, dass es früher besser gewesen sei. „Es ist einfach nicht vergleichbar. Die Welt entwickelt sich ja konstant weiter – und damit auch die Filmbranche.“ Doch Tarantula sei eben aus genau jener Denkweise heraus entstanden: Es einfach mal zu probieren.

Im Interview mit dem „Luxemburger Wort“ wird recht schnell deutlich, dass Donato Rotunno für das Leben in der Filmbranche brennt. Das Kino ist seine Leidenschaft. Foto: Marc Wilwert

Denn ein Netzwerk habe der Regisseur und Produzent zu dem Zeitpunkt noch nicht gehabt, schließlich hatte Rotunno erst wenige Jahre zuvor die Filmschule in Louvain-la-Neuve abgeschlossen und etwa drei Jahre Erfahrung als Regieassistent gesammelt. Und eine Produktionsgesellschaft zu gründen, bedeutet auch Risiken einzugehen.

„Vor allem am Anfang bedeutet das nicht nur viel und harte Arbeit – deine Stunden schreibst du dir nicht auf. Sondern du musst auch damit leben können, dass du die ersten Jahre nicht wirklich bezahlt wirst. Aber wenn du für diesen Beruf gemacht bist, dann akzeptierst du das.“

Doch die Freude am Filmemachen, sowohl als Regisseur als auch als Produzent, hat Donato Rotunno dazu bewegt, Tarantula zu gründen und nicht aufzugeben.

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Mit der ersten Koproduktion nach Cannes

Der erste Langspielfilm, den Rotunno als Produzent getragen hat, trägt den Titel „Une part du Ciel“ der belgischen Regisseurin und Drehbuchautorin Bénédicte Liénard. Es war die erste Koproduktion von Tarantula – und die schaffte es 2002 auch gleich in den Wettbewerb der „Un Certain Regard“-Reihe des Filmfestivals von Cannes.

Es hat ungeheuer kompliziert, beinahe unmöglich ausgesehen. Und trotzdem haben wir es versucht. Vermutlich waren wir aber auch sehr naiv.

Donato Rotunno

Produzent und Gründer von Tarantula

Das sei selbstverständlich zunächst überwältigend gewesen. „Wenn man nichts davon kennt, nicht weiß, wie die Branche und diese Festivals funktionieren, dann ist das am Anfang wie ein anderer Planet“, so Donato Rotunno. „Wenn du einmal auf einem solchen Festival mit einer Produktion vertreten warst, dann möchtest du dieses Niveau auch halten. Und ich würde behaupten, dass uns das in den vergangenen 20 Jahren auch gelungen ist.“

Man denke etwa an „Holly“ (2023) oder „Blanquita“ (2022) die bei den Filmfestspielen von Venedig im Wettbewerb beziehungsweise in der Nebenreihe „Orrizonti“ liefen, „Viendra le feu“ (2019), der in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde, oder „Frères d‘exil“ (2005), der in Locarno den Silbernen Leoparden für den besten Langspielfilm erhielt.

Auch Donato Rotunno selbst steht regelmäßig als Regisseur hinter der Kamera – zuletzt für seine Dokumentation „La Fourchette à gauche“ (2024). Über 60 Filme hat er bisher als Produzent realisiert.

Sozial und politisch engagiertes Kino als Leitlinie

Dabei weicht der Produzent und Regisseur bis heute nicht von seiner redaktionellen Linie ab. Die Filme, die er produziert und/oder bei denen er Regie führt, sind sozial oder politisch engagiert. Es sind Autorenfilme. „Wenn ich ein Drehbuch lese und ich nichts damit anfangen kann, dann ist es auch kein Projekt für Tarantula. Das kann dann trotzdem ein sehr guter Film sein, der viel Geld einspielt, aber wenn es nicht zur Leitlinie unserer Filmgesellschaft passt, dann machen wir die Projekte auch nicht.“

Vor allem am Anfang bedeutet das nicht nur viel und harte Arbeit. Sondern du musst aber auch damit leben können, dass du die ersten Jahre nicht wirklich bezahlt wirst. Aber wenn du für diesen Beruf gemacht bist, dann akzeptierst du das.

Donato Rotunno

Produzent und Gründer von Tarantula

Donato Rotunno ist der festen Überzeugung, dass Filme die Gesellschaft verändern können. Das fange bereits damit an, wenn gemeinsam an einem Projekt gearbeitet wird.

„Bevor eine Produktion in die Kinos kommt, versucht ein ganzes Team etwas auf die Beine zu stellen, was sich eigentlich nur im Kopf des Regisseurs oder der Regisseurin befindet. Und bei dieser Arbeit wächst man über sich selbst hinaus. Wenn der fertige Film dann einem Publikum präsentiert wird, dann verarbeitet es diese Bilder ebenfalls. Das macht etwas mit den Menschen.“

2007 wurde Donato Rotunno für sein Horrordrama „In a Dark Place“ bei der Verleihung des Lëtzebuerger Filmpräis mit dem Award für den besten künstlerischen Beitrag ausgezeichnet. Foto: Claude Piscitelli

Auf die Frage, was rückblickend denn die schönsten Momente in den 30 Jahren Tarantula gewesen seien, antwortet Rotunno schmunzelnd: „Die Momente, in denen ich mir dachte: Du hast es überlebt!“ Schließlich habe es in den drei Jahrzehnten nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen gegeben: finanzielle Probleme, Partner, die abgesprungen sind, Unannehmlichkeiten mit anderen am Set. „Die Liste ist lang. Aber diese Probleme und vor allem das Lösen davon bauen dich auch auf.“

Doch die bemerkenswertesten Augenblicke seien natürlich unter anderem die, wenn ein fertiges Projekt erstmals in einem vollen Saal auf einem Filmfestival präsentiert wird. „Das ist einfach magisch.“